Redensarten Lexikon
Messer
Jemandem das Messer an die Kehle setzen: ihm hart, nachdrücklichst zusetzen; bezieht sich eigentlich auf die Absicht, ihm den Hals abzuschneiden; vgl. französisch ›mettre à quelqu'un le couteau sous la gorge‹; ebenso Jemanden ans Messer liefern; Das Messer sitzt ihm schon an der Kehle, eigentlich: er ist in arger Geldnot.    Das Messer wetzen: Vorbereitungen treffen. Die Wendung begegnet bereits in übertragener Bedeutung im Lied vom ›Schnitter Tod‹ (Str. 1):

   ES ist ein Schnitter heist der Todt,
   Hat Gwalt von grossen GOtt.
   Heut wetzt er das Messer,
   Es geht schon viel besser,
   Bald wird er drein schneiden,
   Wir müssens nur leyden,
   Hüt dich, schöns Blümelein!

Die ähnliche Wendung Die Messer wetzen meint: sich auf eine harte (verbale) Auseinandersetzung einstellen, schlagkräftige Argumente sammeln.
   Einem selbst das Messer in die Hand geben: zu seinem eigenen Schaden handeln. Jemandem ins offene Messer laufen: sich ungeschickt verhalten, so daß man dem Gegner in die Falle gerät.
   Etwas (jemanden) bis aufs Messer bekämpfen: eine Sache oder Person mit allen Mitteln bis zum Äußersten bekämpfen.
   Der Ausdruck ›Krieg bis aufs Messer‹ beruht auf einer Antwort des spanischen Feldherrn José de Palafox y Melzi (1775-1847) an die Franzosen, die ihn 1808 zur Übergabe des belagerten Saragossa aufforderten.
   Jemanden unters Messer nehmen: jemanden operieren. Ebenso wie die folgenden Redensarten ›Jemanden unter dem Messer haben‹, ›Unters Messer müssen‹: sich operieren lassen müssen, Unter dem Messer bleiben: während der Operation sterben; hier steht Messer stellvertretend für das Skalpell des Chirurgen. Ursprünglich waren alle diese Redensarten nur auf Schlachtvieh bezogen.
   Literarisch bei Schiller, ›Macbeth‹ IV, 6 (Übersetzung und Bearbeitung von Shakespeares Drama): »Weißlich gibt man ein unschuldig Lamm dem Messer hin, um einen zürnenden Gott zu versöhnen«.
   Das Messer beim Heft haben, heute meist bloß Das Heft in der Hand haben: die Macht, die Gewalt haben. So schon bildlich in mittelhochdeutscher Zeit, z.B. in Ottokars österreichischer ›Reimchronik‹ (V. 956ff.):

   Dô wart der Franzoisaere dinc
   in Cecili dester bezzer,
   si heten daz mezzer
   begriffen bî dem hefte.

Die Entscheidung steht auf des Messers Schneide: es geht ›Auf Biegen und Brechen‹ ( biegen). Schon in Homers ›Ilias‹ ›epi xyroy istatai akmhs‹.
   Mit dem großen Messer (auf)schneiden: lügen, schwindeln, aufschneiden. Literarisch in Grimmelshausens ›Simplicissimus‹ (Buch II, Kapitel 18): »... es werden sich etliche finden, die sagen werden, Simplicius schneide hier mit dem großen Messer auf« (gemeint ist die Brockenfahrt).
   Ein Messer ohne Klinge, an dem der Stiel fehlt: ein ›Nichts‹, scherzhafte Wendung, die G. Chr. Lichtenberg (1742-99) geprägt hat.
   ›Er legt gleich das Messer bei der Käs‹ sagt man rheinhessisch von einem, der entgegen bäuerlicher Gewohnheit gleich mit seiner Rede herausrückt.
   Da steckt das Messer: Da liegt der Hund begraben, Hund.
   Das Messer im Ferkel stecken lassen: eine Arbeit unvollendet liegen lassen.
   Da geht einem das Messer im Sack (oder in der Tasche) auf: man wird zornig, sehr erregt; schon um 1900 in Baden bekannt. Von einem stumpfen Messer sagt man: Auf dem Messer kann man nach Breslau (auch Rom, Paris, Köln) reiten; schleswig-holsteinisch ›Dat Meß is so stump, dor kannst mit'n bloten Ars op na'n Blocksbarg rieden‹; ›op sien Mess kunn en Hex ahn Unnerbüx up na'n Blocksbarg rieden‹; von der stumpfen Sense heißt es mecklenburgisch: ›Dor kann'n up nah'n Blocksbarg riden!‹. Der Messerritt ist unverkennbar ein Hexenritt und bezieht sich auf den Volksglauben: Man darf sein Messer nicht mit der Schneide nach oben legen, weil sonst die Hexen darauf nach dem Blocksberg reiten.
   Messer gen Himmel richten: die Schneide des Messers nach oben stellen; davor wird besonders im Volksglauben gewarnt, denn man nimmt an, dadurch könnten sich die Engel ihre Füße verletzen. Im ›Journal von und für Deutschland von 1787‹, II, Nr. 17 und 18, S. 342 ist ein Artikel aus Pforzheim abgedruckt: »Legt man ein Messer mit der Schneide aufwärts, so zerschneidet man dem lieben Gott oder den Engeln das Gesicht. Wenn man einen Rechen so trägt, daß die Zähne aufwärts stehen, oder einen Finger in die Höhe reckt, so sticht man dem lieben Gott die Augen aus; auch vergeht der Regenbogen davon«. Birlinger berichtet (in: Volksthümliches aus Schwaben 1, Nr. 701, S. 492): »Wenn man ein Messer auf den Rücken legt, schneiden sich die Engel in die Füße, weshalb man solche Messer gleich abbrechen soll; dafür bekommt man den Lohn von den Engeln«.
   Doch ist als Erklärung weder die pädagogische Absicht noch eine von Antonius Margaritha angenommene jüdische Herkunft dieses Aberglaubens ausreichend. 1530 erschien ›Der gantze Jüdische Glaube‹ von Antonius Margaritha, der darin schreibt: Die Juden »lassen auch deswegen kein Messer auf dem Rücken liegen, sprechend, ein ieder Jude habe einen eigenen Engel, welcher stets bey und um ihn sey, der möchte sich vielleicht an solchem Messer versehren oder beschädigen ... Ich glaube, daß ... auch einer vielleicht, der ein liebes Kind gehabt, solche Fabel mit dem Messer erdacht habe, damit es sich nicht schnitte« (Ausgabe Leipzig 1713, S. 19).
   Der Volksglaube geht auf uralte Vorstellungen zurück; schon im Altertum meinte man, einen Hagelsturm abwehren zu können, indem man blutige Beile gen Himmel richtete. Herodot berichtet von dem ägyptischen König Pheron, der durch eine solche Handlung gegen die Götter blind wurde.

• A. JACOBY: Messer gen Himmel richten, in: Schweizer Archiv für Volkskunde 23 (1920-21), S. 220-223; L. BERTHOLD: Sprachliche Niederschläge absinkenden Hexenglaubens, in: Volkskundliche Ernte. Hugo Hepding dargebracht. Gießener Beiträge zur deutschen Philologie 60 (1938), S. 32-39; L. RÖHRICH: Sprichwörtliche Redensarten aus Volkserzählungen, S. 260.}

Die Messer wetzen. Karikatur von Murschetz, aus: DIE ZEIT, Nr. 51, vom 11.XII.1981.
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