Redensarten Lexikon
Märchen
Das Wort ›Märchen‹ ist eine Verkleinerungsform von ›Mär‹ (mittelhochdeutsch diu oder daz maere) und bedeutet ursprünglich Kunde, Bericht, Erzählung. Den Beigeschmack einer ›fabula incredibilis‹, d.h. einer unglaubwürdigen, rein fiktiven Erzählung oder eines bloßen Gerüchts, hat der Begriff ›Märchen‹ erst im Laufe seiner Entwicklung erlangt. Noch im Althochdeutschen (Otfried von Weißenburg) kann ›mari‹ die gewiß für wahr gehaltene biblische Geschichte, das Evangelium bedeuten. Wie andere Diminutive unterlag auch das Märchen oder Märlein früh einer Bedeutungsverschlechterung, so daß damit erfundene, phantastische, unrealistische oder gar unwahre Geschichten bezeichnet werden konnten, was besonders in Zusammensetzungen wie ›lügenmaere‹, ›tandmaere‹, ›entenmäre‹, ›gensmäre‹ deutlich wird. Charles Perrault nannte seine Märchen ›Contes de ma mère l'Oye‹. Noch heute kann man mit ›Märchen‹ höchstes Glück umschreiben: ›Es war wie im Märchen‹. In Werbetexten bezeichnet ›Märchenhaft‹ – ebenso wie ›sagenhaft‹ – ein Hochwertwort. Aber auch die Welt der Lüge kann mit demselben Wort umschrieben werden: Erzähl mir keine Märchen!: sag nicht die Unwahrheit.    Eine Reihe von Märchenschlußformeln sind durch den großen Bekanntheitsgrad der Grimmschen Sammlung sprichwörtlich geworden, wie z.B. ›Mein Märchen ist aus, da läuft eine Maus‹ (so und ähnlich in Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm 15, 108, 127 u.a.)

• L. RÖHRICH: Märchen und Wirklichkeit (Wiesbaden 41979); M. LÜTHI: Märchen (Sammlung Metzler 16) (Stuttgart 81990, bearbeitet von H. Rölleke), S. 1; B. HOLBEK: Artikel ›Formelhaftigkeit, Formeltheorie‹, in: Enzyklopädie des Märchens IV, Spalte 1416-1440.
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