Redensarten Lexikon
mahlen
Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Bei der noch heute allgemein geläufigen Wendung handelt es sich primär um ein Rechtssprichwort. Der früheste deutsche Beleg findet sich in Eike von Repkows ›Sachsenspiegel‹ (um 1230): »Die ok irst to der molen kumt, die sal erst malen« (II, 59). Ähnlich im ›Schwabenspiegel‹ (ca. 1275): »Der ouch e zer müli kumt, der sol auch e malen«. In lateinischer Form begegnet das Sprichwort schon in einer Münchener Handschrift des ausgehenden 12. Jahrhundert, in den sogenannten Sprüchen aus Scheftlarn: ›Qui capit ante molam, merito molit ante farinam‹. In diesen Frühbelegen besteht eine deutliche Verbindung zwischen Mühle und mahlen, während die Mühle ja in unserem heutigen Sprichwort nicht erwähnt wird. Damit scheint sich die Vermutung von Petsch und Künßberg zu bestätigen, wonach das Sprichwort auf die Kundenmühle des Mittelalters zu beziehen ist, wie sie vielfach heute noch in ländlichen Bezirken üblich ist: Derjenige, der sein Getreide zuerst in der Mühle abliefert, hat den Anspruch, daß es auch zuerst gemahlen wird (im Gegensatz zu der Bevorzugung des Herren bei einer Herrenmühle und der Zwangsgäste bei einer Bannmühle). Ähnlich äußert sich S.B. Ek, der das in Europa weitverbreitete Sprichwort nach Alter und Funktion untersuchte. Es handelt sich hier also um eine förmliche Rechtsregel, die wahrscheinlich schon als sächsisches Sprichwort bestand, als der Sachsenspiegel aufgezeichnet wurde. In einem ähnlichen Sinn benutzen wir das Sprichwort heute noch, wenn auch ohne Bezug auf die Mühle in allgemeiner und übertragener Weise. Vom Spezialfall der Mühle erweiterte sich der Sinn des Sprichworts auf andere Rechtslagen, bei denen der Zeitvorrang maßgebend ist, entsprechend dem lateinischen ›Prior tempore potior iure‹. Die versuchten Deutungen auf althochdeutsch ›mahalen‹ = feierlich reden, greifen daneben, wenn sich auch eine solche Deutung schon bei Luther zu finden scheint (Thiele, S. 161; Wander II, 1472, 166: »wer ehe kompt, der melet ehe«). Den gleichen rechtlichen Grundgedanken finden wir in ähnlicher Form noch zweimal im ›Sachsenspiegel‹ wieder: »Svelk wagen erst up di bruegen kumt, die sal erst overgan, he sie idel (leer) oder geladen« (II, 59) und »Svelkes ordeles man irst bedet, dat sal man irst vinden« (I,62). Wieder ein anderes Bild für den Grundsatz des Zeitvorranges bei Egenolf (Bl. 217): »der erster zum herd kompt, setzet sein häflin wohin er will«. Mahlsteine Stein.    Im Volkslied ist mahlen als Umschreibung für koitieren gebräuchlich, z.B. bei Liedern von der Müllerin.

   1. »Ich weiß mir eine Müllerin,
   Ein wunderschönes Weib.
   Wollt Gott ich sollt bei ihr mahlen,
   Mein Körnlein zu ihr tragen,
   Das wär der Wille mein!
   2. Der Müller aus dem Holze kam,
   Von Regen war er naß,
   ›steh auf, Frau Müllerin stolze,
   Mach mir ein Feuer von Holze,
   Von Regen bin ich naß!‹
   3. ›Ich kann dir nicht aufstehen!‹
   Sprach sich des Müllers Weib;
   ›Ich hab die Nacht gemahlen
   Mit einem Reutersknaben,
   Daß ich so müde bin!«‹
   (E.B., Nr. 156a).


• SACHSE, in: Zeitschrift für das Recht 16, S. 102ff.; HILLEBRAND: Deutsche Rechtssprichwörter (1858), S. 12f.; GÜNTHER: Rechtsaltertümer, S. 94; WEIZSÄCKER, S. 324; S.B. EK: Den som kommer först till kvarns – in: Scripta Minora Regiae Societ. Human. Litter. Lundensis 1963/64: 1 (Lund 1964), S. 146; L. RÖHRICH: Liebesmetaphorik im Volkslied, in: Essays in Traditional Literature, Belief, and Custom in Honor of Wayland Debs Hand (1967), S. 187-200.}

Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. P.e.R., Plate CLXXVII.
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