Redensarten Lexikon
Magen
Einen guten Magen haben: Beleidigungen, Spott und Spaß ertragen können, ohne gekränkt zu sein. Schon in Johann Fischarts ›Geschichtklitterung‹: »Mein magen steht allzeit offen, wie eyns Fuersprechen Tasch« (d.h. wie der Geldbeutel eines Advokaten). Der große oder gute Magen wird oft mit redensartlichen Vergleichen umschrieben, z.B. ›Ein Magen wie ein Stiefelschaft‹; ›Wie eine Strumpfkappe‹; ›Wie ein Soldatentornister‹; ›Wie eine Schublade‹; vgl. französisch ›avoir de l'estomac‹: die anderen einschüchtern können. Er hat 'nen pommerschen Magen, der verdaut Eisen und Kieselsteine: er hat einen guten Magen, kann alles vertragen; vgl. französisch ›Il a un estomac d'autruche‹ (wörtlich: Er hat den Magen eines Straußvogels).    Sein Magen ist lutherisch, aber seine Feiertage sind katholisch; er ißt gut (fastet nicht) und arbeitet nicht gern.
   Dazu gehört ein guter Magen: das ist ein harter Brocken, schwer zu verdauen; pommerisch ›Dar hört 'ne goden Mage to‹.
   Seinem Magen keine Stiefmutter sein: gern gut essen. Schleswig-holsteinisch ›Iß, sunst löpt de Hund mit dinen Magen weg!‹; sächsisch (wenn man sich genügend mit Mundvorrat eingedeckt hat) ›Da kennen uns de Meise den Magen nich verschleppen‹. Am verbreitetsten ist, beim Anblick einer reichlichen Mahlzeit zu sagen: Da wird dir die Katze den Magen nicht forttragen ( Katze).
   Seine Augen sind größer als sein Magen (oder Mund): er hat sich mehr auf seinen Teller genommen, als er nun aufzuessen imstande ist; vgl. französisch ›Il a les yeux plus grands que le ventre‹ (Bauch). Lieber den Magen verrenkt, als dem Wirt was geschenkt sagt man, wenn man im Gasthaus die Portion bis auf den letzten Rest aufißt, auch wenn der Hunger schon gestillt ist.
   Sich den Magen vollschlagen: sehr viel essen; Parallelbildung zu ›Sich den Bauch vollschlagen‹.
   Ihm bellt (knurrt) der Magen: er hat Hunger, Bauch.
   Den Magen in der Kniekehle hängen haben: sehr hungrig sein. Groteske Physiologie, seit etwa 1900 aufgekommen. Ähnlich Der Magen hängt mir bis auf die Füße, Der Magen hängt mir lang (oder schief): ich habe großen Hunger; vgl. französisch ›J'ai l'estomac dans les talons‹ (wörtlich: Der Magen steckt mir in den Fersen). Man kann dir bis in den Magen sehen sagt man zu einem, der gähnt, ohne die Hand vor den Mund zu halten; schon 1847 belegt, allerdings in anderem Zusammenhang: »Die Statistik, diese schonungslose Forscherin, die den Leuten bis in den Magen sieht« (Br. Bauer ›Parteikämpfe‹ I,47). Einen im Magen haben: zornig oder verdrießlich über ihn sein, als ob er einem wie eine schwerverdauliche Speise Magenbeschwerden verursachen würde; auch ›Die Geschichte liegt mir im Magen‹, sie macht mir zu schaffen, ich möchte am liebsten nichts mehr damit zu tun haben; vgl. französisch ›avoir quelque chose sur l'estomac‹ (wörtlich: etwas auf dem Magen haben): seinen Zorn oder Ärger schwer überwinden, Blei; ähnlich ›Einen gefressen haben‹ ( fressen). In Hans Sachs' Schwank von einem jungen Gesellen und einer Frau, die den Buhler mit lauter Scherzen abtrumpft, heißt es:

   Er sprach: »Ich wolt, daß Ihr doch west
   mein groß hertzen, das ich tu tragen«.
   Sie sprach: »'s liegt auch leicht im magen,
   Ihr habt nechten truncken zu viel
   odern grimm gwunnen ob dem spiel.
   Wölt Ihr des unraths ledig sein,
   so nemet ein purgatzen ein!«

Die Nachricht schlug ihm auf den Magen, Der Magen drehte sich um: sie verdarb ihm die Laune.
   Es kommt ja doch alles in einen Magen: die Reihenfolge der verschiedenen Speisen ist gleichgültig.
   Und das auf nüchternen Magen!: Ausruf der Verwunderung, des Ärgers, im Sinne von: auch das noch, das fehlt gerade noch, der Tag fängt gut (gemeint ist: schlecht) an. Jemandem den Magen auspumpen: Jemanden in brutalster Weise zusammenschlagen, ihn derart hauen und boxen, daß er sich übergeben muß (umgangssprachlich).
   Die europäische Literatur kennt die Fabel vom Magen und den Gliedern. Der Magen steht stellvertretend für den Obersten, den Herrn, die Glieder sind die Diener und Knechte des Magens. Die sozialkritische Komponente dieser Fabel liegt darin, daß die Glieder als Untertanen sich weigern, ihrem Herrn, dem Magen, weiterhin zu dienen (indem sie ihn nicht nähren), jedoch nicht bedenken, daß solcher Ungehorsam auch ihren Untergang bewirkt.
   Als Moral dieser Fabel steht in einer mittelalterlichen Hagenauer Handschrift:

   So wenig als wir könden sein
   on brot, on wasser und on wein
   So wenig könden wir empern
   Der König, Fürsten und der Herrn!


• H. GOMBEL: Die Fabel vom Magen und den Gliedern in der Weltliteratur,1934 (= Beiheft zur Zeitschrift für romanische Philologie 80); D. PEIL: Der Streit der Glieder mit dem Magen. Studien zur Überlieferungs- und Deutungsgeschichte der Fabel des Menenius Agrippa von der Antike bis ins 20. Jahrhundert (= Mikrokosmos. Beiträge zur Literaturwissenschaftlichen Bedeutungsforschung 16) (Frankfurt/M. – Bern – New York 1985).
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