Redensarten Lexikon
Mädchen
Das macht dem Mädchen (der Liebe) kein Kind: eine Sache ist nicht so schlimm, sie kann keinen großen Schaden anrichten oder nach sich ziehen. Die Redensart spiegelt moralische Vorstellungen der Gesellschaft vergangener Jahrhunderte; denn es galt als schlimm und verwerflich, wenn eine ledige Frau (Mädchen) schwanger wurde; alles, was nicht zu dieser sogenannten Schande beitrug, war somit harmlos und unschädlich. Ein Mädchen anführen: ihm unter Vorspiegelung des Eheversprechens die Jungfräulichkeit rauben. Das Mädchen hat ein Hufeisen verloren: sie hat ein uneheliches Kind, ⇨ Eisen, ⇨ Hufeisen. Das Mädchen ist zu haben: es ist leicht zu verführen; vgl. französisch ›Cette fille a le bouquet sur l'oreille‹. Ein leichtes Mädchen sein: eine leichtlebige, auch leichtsinnige Frau sein, die aus Abenteuerlust häufig Beziehungen zu verschiedenen Männern sucht und eingeht. Ein Mädchen (eine Frau) mit Vergangenheit sein: einen häufigen Partnerwechsel hinter sich haben.
Das Mädchen muß einen Mann haben: Redensart unter Kartenspielern, wenn die Dame vom König gestochen wird.
Das Mädchen hat mehr, als man sieht: sie hat Geld, besitzt ein großes Vermögen.
Ein Mädchen nach Maß sein: eine Modevorführerin sein. Die nach 1945 aufgekommene Redensart bezieht sich auf die körperlichen Voraussetzungen und strengen Maßstäbe für die Wahl und den Erfolg eines Mannequins. Heute wird die Wendung verallgemeinernd auf ein Mädchen mit idealer Figur und idealen Maßen bezogen, so auch bei Heiratsanzeigen und Schönheitswettbewerben (Schönheitskönigin). ›Jemand braucht ein Mädchen nach Maß‹: ein Mann ist besonders wählerisch, keine ist ihm gut genug.
Ein spätes Mädchen sein: ein Mädchen, das nicht rechtzeitig geheiratet worden ist. Die Redensart ist um 1900 erstmals belegt und nicht ganz so abwertend gemeint wie der Ausdruck alte ⇨ Jungfer, der dasselbe besagt. Ein Mädchen für alles sein: Umschreibung für eine Person – männlichen oder weiblichen Geschlechts –, die alle Arbeiten und Dienste erledigt. Früher bezog sich die Redensart auf Dienstmädchen; heute gilt sie auch für den außerhäuslichen Bereich, wie z.B. in einer Firma, einem Betrieb usw. Vermutlich entstand die Redensart in Berlin, wo in Zeitungsannoncen junge Frauen gesucht wurden, die sämtliche Geschäfte im Haus erledigen konnten. Die Redensart wurde auch verändert zu ›Mädchen für alle‹ als Bezeichnung für eine Prostituierte. Ein Mädchen auf Anruf sein: ein Callgirl sein.
Unter uns Mädchen gesagt: frei herausgesprochen, unter Gleichgesinnten, ⇨ Pastorentöchter. Dasselbe besagt die Wendung Wir Mädchen unter uns, die häufig von erfahrenen Frauen benutzt wird. Für kleine Mädchen müssen (gehen): die Damentoilette aufsuchen müssen. Das ist nichts für kleine Mädchen: es ist nur etwas für Erwachsene, auch für erfahrene Männer. Vgl. den Liedtext: »Hm, das schickt sich nicht für kleine Mädchen, das schickt sich nur für einen Mann«.
Soll dich das Mädchen mit dem langen Arm holen? Das sagt man zur Abschreckung, um Kinder von tiefen Wassern fernzuhalten. Das ›Mädchen mit dem langen Arm‹ ist eine Kinderschreckfigur und meint eine Wassernixe; in Mecklenburg heißt es mundartlich ›Shall dy de Metje mit dem langen Arm holen?‹
Mädchen, die pfeifen, und Hühnern, die krähen, den' soll man beiden (beizeiten) den Hals (die Köpfe) umdrehen. Diese drastische Warnung im Sprichwort begegnet auch in mundartlichen Versionen, wie z.B. ›Wenn d'Maidle pfiffe un d'Hiener krahje, Sott me ne der Hals umdraihje‹. Besonders gewarnt wird das weibliche Geschlecht vor dem Pfeifen, das man als ebenso normwidrig und unnatürlich wie eine krähende Henne ansieht. Ein solcher Normdurchbruch in Richtung Geschlechtertausch wird als Bedrohung, als böses Omen erfahren: krähende Hennen müssen sofort geschlachtet werden, sonst stirbt ein Familienmitglied innerhalb eines Jahres. Dergestaltige weibliche Grenzüberschreitung zeigt außerdem einen Bund mit dem Teufel an, bei dem am Ende das Mädchen der Hölle verfällt, zur Hure wird, oder doch zumindest einen untauglichen Mann erhält. Pfeifende Mädchen rufen außerdem materielle Not für sich und ihre Nächsten herbei. Der Teufel freut sich über den Normbruch, während Gottvater, die Engel und die Muttergottes dabei weinen, und die sieben Kirchen erzittern (Handbuch des Aberglaubens VI, Spalte 1580-1581).
Vgl. englisch:
Whistling maids and crowing hens.
Never come to no good ends;
A whistling maid and crowing hen.
Is good to neither God nor man.
Im amerikanischen Englischen ist dieses Sprichwort aus feministischer Perspektive umfunktioniert worden:
Girls that whistle and hens that crow
Make their way wherever they go.
• A. DE COCK: »Een spreekwoord op bijgeloof berustend: Wenn die Mädchen pfeifen und die Weiber keifen und die Huhner krähen, dann ist Zeit, ihnen den Hals umzudrehen«, in: Mélanges Paul Frédéricq (Brüssel 1 904). S. 151-160; H. LEWY: »Zum Verbot des Pfeifens: Mädchen, die pfeifen, und Hühnern, die kräh'n, soll man beizeiten den Hals (den Kopf) umdreh'n«, in: Zeitschrift für Volkskunde. 41 (1931), S. 58-59; E. SEEMANN: Artikel ›Pfeife, pfeifen, Flöte, flöten‹, in: Handbuch des Aberglaubens VI, Spalte 1577-1597, besonders Spalte 1580-1581; G. GROBER-GLÜCK: Motive und Motivationen in Redensarten und Meinungen. Aberglaube, Volks- Charakterologie, Umgangsformen, Berufsspott in Verbreitung und Lebensformen. Textband (Marburg 1974), § 145-152, S. 237-251; A. DUNDES: The Crowing Hen and the Easter Bunny. Male Chauvinism in American Folklore, in: ders.: Interpreting Folklore (Bloomington London 1980), S. 171; U. MITTWOCH: Whistling Maids and Crowing Hens – Hermaphroditism in Folklore and Biology, in: Perspectives in Biology and Medicine 1981, pp. 595-606.
Das Mädchen muß einen Mann haben: Redensart unter Kartenspielern, wenn die Dame vom König gestochen wird.
Das Mädchen hat mehr, als man sieht: sie hat Geld, besitzt ein großes Vermögen.
Ein Mädchen nach Maß sein: eine Modevorführerin sein. Die nach 1945 aufgekommene Redensart bezieht sich auf die körperlichen Voraussetzungen und strengen Maßstäbe für die Wahl und den Erfolg eines Mannequins. Heute wird die Wendung verallgemeinernd auf ein Mädchen mit idealer Figur und idealen Maßen bezogen, so auch bei Heiratsanzeigen und Schönheitswettbewerben (Schönheitskönigin). ›Jemand braucht ein Mädchen nach Maß‹: ein Mann ist besonders wählerisch, keine ist ihm gut genug.
Ein spätes Mädchen sein: ein Mädchen, das nicht rechtzeitig geheiratet worden ist. Die Redensart ist um 1900 erstmals belegt und nicht ganz so abwertend gemeint wie der Ausdruck alte ⇨ Jungfer, der dasselbe besagt. Ein Mädchen für alles sein: Umschreibung für eine Person – männlichen oder weiblichen Geschlechts –, die alle Arbeiten und Dienste erledigt. Früher bezog sich die Redensart auf Dienstmädchen; heute gilt sie auch für den außerhäuslichen Bereich, wie z.B. in einer Firma, einem Betrieb usw. Vermutlich entstand die Redensart in Berlin, wo in Zeitungsannoncen junge Frauen gesucht wurden, die sämtliche Geschäfte im Haus erledigen konnten. Die Redensart wurde auch verändert zu ›Mädchen für alle‹ als Bezeichnung für eine Prostituierte. Ein Mädchen auf Anruf sein: ein Callgirl sein.
Unter uns Mädchen gesagt: frei herausgesprochen, unter Gleichgesinnten, ⇨ Pastorentöchter. Dasselbe besagt die Wendung Wir Mädchen unter uns, die häufig von erfahrenen Frauen benutzt wird. Für kleine Mädchen müssen (gehen): die Damentoilette aufsuchen müssen. Das ist nichts für kleine Mädchen: es ist nur etwas für Erwachsene, auch für erfahrene Männer. Vgl. den Liedtext: »Hm, das schickt sich nicht für kleine Mädchen, das schickt sich nur für einen Mann«.
Soll dich das Mädchen mit dem langen Arm holen? Das sagt man zur Abschreckung, um Kinder von tiefen Wassern fernzuhalten. Das ›Mädchen mit dem langen Arm‹ ist eine Kinderschreckfigur und meint eine Wassernixe; in Mecklenburg heißt es mundartlich ›Shall dy de Metje mit dem langen Arm holen?‹
Mädchen, die pfeifen, und Hühnern, die krähen, den' soll man beiden (beizeiten) den Hals (die Köpfe) umdrehen. Diese drastische Warnung im Sprichwort begegnet auch in mundartlichen Versionen, wie z.B. ›Wenn d'Maidle pfiffe un d'Hiener krahje, Sott me ne der Hals umdraihje‹. Besonders gewarnt wird das weibliche Geschlecht vor dem Pfeifen, das man als ebenso normwidrig und unnatürlich wie eine krähende Henne ansieht. Ein solcher Normdurchbruch in Richtung Geschlechtertausch wird als Bedrohung, als böses Omen erfahren: krähende Hennen müssen sofort geschlachtet werden, sonst stirbt ein Familienmitglied innerhalb eines Jahres. Dergestaltige weibliche Grenzüberschreitung zeigt außerdem einen Bund mit dem Teufel an, bei dem am Ende das Mädchen der Hölle verfällt, zur Hure wird, oder doch zumindest einen untauglichen Mann erhält. Pfeifende Mädchen rufen außerdem materielle Not für sich und ihre Nächsten herbei. Der Teufel freut sich über den Normbruch, während Gottvater, die Engel und die Muttergottes dabei weinen, und die sieben Kirchen erzittern (Handbuch des Aberglaubens VI, Spalte 1580-1581).
Vgl. englisch:
Whistling maids and crowing hens.
Never come to no good ends;
A whistling maid and crowing hen.
Is good to neither God nor man.
Im amerikanischen Englischen ist dieses Sprichwort aus feministischer Perspektive umfunktioniert worden:
Girls that whistle and hens that crow
Make their way wherever they go.
• A. DE COCK: »Een spreekwoord op bijgeloof berustend: Wenn die Mädchen pfeifen und die Weiber keifen und die Huhner krähen, dann ist Zeit, ihnen den Hals umzudrehen«, in: Mélanges Paul Frédéricq (Brüssel 1 904). S. 151-160; H. LEWY: »Zum Verbot des Pfeifens: Mädchen, die pfeifen, und Hühnern, die kräh'n, soll man beizeiten den Hals (den Kopf) umdreh'n«, in: Zeitschrift für Volkskunde. 41 (1931), S. 58-59; E. SEEMANN: Artikel ›Pfeife, pfeifen, Flöte, flöten‹, in: Handbuch des Aberglaubens VI, Spalte 1577-1597, besonders Spalte 1580-1581; G. GROBER-GLÜCK: Motive und Motivationen in Redensarten und Meinungen. Aberglaube, Volks- Charakterologie, Umgangsformen, Berufsspott in Verbreitung und Lebensformen. Textband (Marburg 1974), § 145-152, S. 237-251; A. DUNDES: The Crowing Hen and the Easter Bunny. Male Chauvinism in American Folklore, in: ders.: Interpreting Folklore (Bloomington London 1980), S. 171; U. MITTWOCH: Whistling Maids and Crowing Hens – Hermaphroditism in Folklore and Biology, in: Perspectives in Biology and Medicine 1981, pp. 595-606.