Redensarten Lexikon
Leier
Immer die alte Leier! wird von ewigen Wiederholungen gesagt; obersächsisch auch: ›'s is immer eene Leier‹, es ist noch derselbe leidige Zustand (z.B. bei einem Kranken, auch sonst von üblen Verhältnissen; die alte Art und Weise, dieselbe Klage). Im Rheinland sagt man zu dem, der einem dauernd mit derselben Sache ›in den Ohren liegt‹, Ohr: ›Du bist ein Leierkasten!‹ Die Bauern- oder Kurbelleier war stets auf eine bestimmte Tonlage und Melodie abgestimmt. Die mangelnde Varriierbarkeit beim Spielen und das nachhaltige Einerlei ihrer Musik ermöglichte es, die Leier als Bild des Eintönigen, Immerwiederkehrenden, auch des Aufdringlichen redensartlich zu verwenden. Vgl. dagegen französisch ›Toujours le même refrain‹ oder ›... la même rengaine‹ (wörtlich: immer derselbe Kehrreim). Zum Teil sind auch andere Instrumente oder Spielweisen in derselben Art redensartlich geworden. So ist in der Lebensbeschreibung Wilwolts von Schaumburg (1507) von einem »ungelehrten« Spielmann die Rede, »der stet auf einer seiten glimpt« (vgl. niederdeutsch ›upr olden Saiden trumpeden‹). In einem Bericht aus Dresden von 1615 heißt es: »Er kömpt immer mit der alten Geige«. Die westfälische Mundart sagt: ›Et ist en ollen Dudelsack‹. Die Formel von der ›alten Leier‹ bezieht sich in den frühesten Redensartbelegen wohl auf das Instrument selbst. Grimmelshausens Simplicissimus versucht, seine alte Leier neuen Verhältnissen anzupassen, und erklärt dies gleich mit einer neuen Redensart: »... mußte aber den Mantel nach dem Wind hängen, meine Leier anders stimmen«. Hier wird noch ganz deutlich an die Grundvorstellung angeknüpft; man konnte die Leier ja auf eine bestimmte Tonart und Melodie einstellen, war dann aber festgelegt. Christian Günther nimmt bereits die Redensart beim Wort und behandelt sie als konkretisierte Metapher, indem er sie mit einer inhaltlich verwandten Redensart logisch und ästhetisch verbindet: »Im ersten Jahre meiner Ehe, da hieng der Himmel voller Geigen, hernach fielen sie herunter und wurden lauter Leyern draus«. Chr. O. von Schönaich sagt in seinem ›Neologischen Wörterbuch oder die ganze Aestethik in einer Nuß‹ von 1755 (S. 242): »Ein altmodischer Schriftsteller bleibt bei seiner Leyer und Einfalt«. Lessing klagt in ›Nathan der Weise‹ über das Alte in der verkappten Form des Neuen: »Doch die alte Leier wieder? Mit einer neuen Saite nur bezogen, die fürcht ich, weder stimmt noch hält«. Goethe läßt in den ›Mitschuldigen‹ (II,4) Söller von der »abgedroschenen Leyer« reden, und er    gebraucht auch: »Da haben wir wieder den alten Leierton«. Eine Entwicklung ist darin zu sehen, daß man in späterer Zeit unter Leier nicht mehr so sehr das Instrument, sondern vielmehr die vom Instrument ausgehende Musik versteht: ›die alte Melodie‹, ›das alte Lied‹. Schon Sebastian Franck denkt in seiner Sprichwörter-Sammlung von 1541 an die Melodie, wenn er sagt (2,7a): »... sonst spricht man bald: es ist eine alte leier, ein versungen liedlin«. Ernstlich ermahnt wurde z.B. Joh. Sebastian Bach in seinem Anstellungsbescheid in Arnstadt: »Seine Kunst möglichst zu excolieren, nicht immer auf einer Leyer zu bleiben«.
   Jetzt gibt's eine andre Leier sagt man im Rheinland, wenn bedeutende Neuerungen eingeführt werden sollen, auch Kindern gegenüber als letzte Ermahnung, wenn sie nicht gehorchen wollen. Sprichwörtlich allgemein verbreitet sind ›Besser geleiert als gefeiert‹ für ›Besser wenig getan als gar nichts‹ und: ›Neue Leier, neue Dreier‹ für ›Neue Methoden, neuer Gewinn‹. Weitere mundartliche Varianten sind ferner kärnterisch leiern, nichts tun, faulenzen; thüringisch leiern, hinhalten (z.B. ›der Arzt leierte den Kranken so hin‹); rheinisch leiern, langsam arbeiten, faule und lässige Bewegungen machen, auch: schwatzen. Im Hessischen bedeutet leiern auch soviel wie trinken. Das Verb leiern im Sinne von spielen, fingern, gleichmäßig bewegen wurde im Grobianismus des 16. Jahrhunderts auch in obszöner Bedeutung verwandt; in einem Fastnachtsspiel heißt es z.B.:

   Heuer trug man mir eine Witwe an,
   die sprach sie het vor gehabt ein Man,
   der het kein Nacht an ir gefeiert.
   Er het ains oder zwei rabgeleiert.


• M. WILLBERG Die Musik im Sprachgebrauch, in Sprichwörter, in Redensarten ..., in: Die Muttersprache (1963), S. 201ff.
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