Redensarten Lexikon
Leib
Mittelhochdeutsch ›lip‹ bedeutet Leben. Das zeigt sich noch in der Wendung Beileibe nicht, die eigentlich meint: beim Leben nicht und womit man sich vor etwas bewahren möchte. Bei Wencel Scherffer heißt es im ›Grobianus‹ (139): »Du aber hütte dich, thue dieß bey leibe nicht!«. Diese formelhafte Wendung braucht auch Burkard Waldis (II, 85,9): »Die krä allein solchs widerräth, vnd sprach: thut solches bei leibe nit«    Die Zwillingsformel Leib und Leben ist wohl nur des Stabreims wegen gebildet und als Tautologie zu verstehen, da Leib auch in dieser Verbindung Leben bedeutet. In ›Diocletians Leben‹ (7041f.) heißt es mittelhochdeutsch: »Der keiser wart von zorne rot, by lib vnd leben er gebot«. Auch die mundartliche niederdeutsche Redensart ›Dat geht up Liv un Leven‹ meint: es ist lebensgefährlich. Leib und Leben wagen: alles aufs Spiel setzen. Leib und Gut verwirken: sein Leben und den gesamten Besitz verlieren, beruht auf einem alten Rechtsbrauch, nach dem der Besitz eines Verurteilten ohne Rücksicht auf seine Erben eingezogen wurde. Vgl. französisch ›forfaire corps et avoir‹ (veraltet).
   Immer mehr ist bei den Redensarten aber die heutige Bedeutung von Leib = Körper in den Vordergrund getreten, wie z.B. in der formelhaften Wendung Leib und Seele, die in verschiedenem Zusammenhang auftreten kann; vgl. französisch ›Corps et âme‹. Von einer guten Mahlzeit sagt man Das hält Leib und Seele zusammen: es ist dafür gesorgt, daß weder Körper noch Seele dabei zu kurz kommen. Schon Luther braucht eine ähnlich Wendung: »Auf einen guten Bissen gehört ein guter Trunk, da kömpt Leib und Seele zusammen«. Geiler von Kaysersberg sagt von zweien, die in ihrem Fühlen, Denken und Tun vollkommen übereinstimmen, die also echte Freunde sind: »Sie sind ein Leib und eine Seele«, wofür wir heute häufiger die Redensart ›Ein Herz und eine Seele sein‹ anwenden, Herz. Daß jemand ohne Einschränkung für etwas oder jemanden eintritt, besagen die Wendungen: Mit Leib und Seele dafür sein; Mit Leib und Seele an etwas (jemandem) hängen und Mit Leib und Seele jemandem ergeben sein. Die Redensart Einem zu Leibe gehen (wollen), auch Jemandem zu Leibe rücken; ihn verfolgen, bedrängen, angreifen, stammt wohl vom Zweikampf und Fechten her, ebenso wie die Wendung Sich jemanend vom Leibe halten: Abstand, Distanz wahren, ihm keine Angriffsmöglichkeit bieten. Dagegen meint die Redensart Einem nicht vom Leibe gehen: ständig beobachtet oder belästigt werden, nicht allein und in Ruhe gelassen werden; vgl. französisch ›ne pas quitter quelqu'un d'une semelle‹ (wörtlich: von einem nicht um eine Fußsohlenbreite weichen): ihn ständig beaufsichtigen.
   Etwas am eigenen Leibe erleben (erfahren, verspüren): böse Erfahrungen machen, Angst, Not, Schmerzen erleiden müssen.
   Seinen Leib pflegen: sich vor Anstrengungen hüten, ein gemütliches Dasein führen, auch: faulenzen; ähnlich Seinem Leib etwas zugute tun: tüchtig essen und trinken, aber auch: sich selbst Erholung gönnen; vgl. französisch ›bien se soigner‹ (wörtlich: sich wohl pflegen).
   Die Wendung Gut bei Leibe sein: wohlgenährt sein, wird meist als euphemistische Umschreibung für Dicke und Fettleibige gebraucht, die bei ihrem ›Leib- und Magengericht‹ (Lieblingsessen) oft das gesunde Maß überschreiten. Die Redensart Gesegneten Leibes sein ist ein Euphemismus zur Bezeichnung von Schwangerschaft, die lange Zeit als besondere Gnade Gottes empfunden wurde, während man glaubte, daß kinderlose Ehepaare unter einem Fluch Gottes stünden. Vgl. Lk 1,25: Elisabeth freut sich ihrer Schwangerschaft, um die sie lange gebeten hatte und sagt deshalb: »Also hat mir der Herr getan in den Tagen, da er mich angesehen hat, daß er meine Schmach unter den Menschen von mir nähme«; vgl. die Wendung ›Gott segnete sie mit Kindern‹.
   Noch nichts im Leibe haben: hungrig sein; vgl.
französisch ›n'avoir rien dans l'estomac‹ (nichts im Magen haben); auch mit dem scherzhaften Zusatz: Noch keinen warmen Löffelstiel im Leibe haben. Sich etwas am eigenen Leibe absparen: selbst Mangel am Notwendigsten leiden, um etwas ersparen zu können, was ohne Entbehrungen nicht möglich wäre.
   Nichts auf dem (am) Leib haben: in Notdurft leben, unbekleidet sein; vgl. französisch ›n'avoir rien à se mettre‹ (nichts zum Anziehen haben); dagegen: Alles auf (an) den Leib hängen: zuviel für die Kleidung ausgeben, unangemessenen Aufwand treiben, putzsüchtig sein.

• G. MASCOVII: Programma de paroemia iur. germanici: Längst Leib, längst Gut (Gottingae 1736); W.C. B.. »Keep body and soul together«, in: Notes & Queries, 11.1. (1910), S. 27; H. WIESENDANGER: Mit Leib und Seele (FrankfurtM.u.a. 1987).}

Der sterbliche Leib als Gefängnis der Seele. Emblematischer Kupferstich von Boetius à Bolswert, aus: H. Hugo: Pia desideria, Antwerpen 1628.
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