Redensarten Lexikon
Lappen
Durch die Lappen gehen: entwischen, entgehen, entkommen; eigentlich: die Absperrung durchbrechen. Diese Redensart stammt aus der Jägersprache, aus der so manche Redensarten hergeleitet werden können (vgl. Busch, Garn, Latein, Leim; etwa auch ›Durch die Latten gehen‹). Um das Wild am Ausbrechen aus dem Jagdrevier zu hindern, wurden auf Treibjagden bunte Zeuglappen zwischen den Bäumen aufgehängt, vor denen die Tiere zurückscheuten. Dennoch brach das Wild gelegentlich aus und ging dann ›durch die Lappen‹. Lappen als Schrecktücher zum Umstellen des Wildes erwähnt bereits 1579 M. Sebiz (›Feldbau‹ S. 563): »Zum Betrug (des Wildes) gehören Garn und Netze, und die man zum Gewild gebraucht, nendt man auf weidmännisch Wildseil, Wildgarn ... Wehrtücher oder Lappen«. Im Jagdbuch von H.F. von Göchhausen 1741 werden die Vorkehrungen beschrieben, um »sich das Wild zuzulappen«. Im übertragenen, auf Menschen bezogenen Sinne wird die Redensart erst seit dem 18. Jahrhundert gebraucht. Bei Wilhelm Raabe findet sie sich z.B. in ›Prinzessin Fisch‹ (Kapitel 11): »... als ich Eltern, Geschwistern ... durch die Lappen ging«.    Ein neues Kleid mit einem aIten Lappen flicken (und umgekehrt) sagt man, wenn zwei nicht zusammenpassende Dinge unsinnigerweise miteinander verbunden werden. Die Redensart bezieht sich auf das biblische Gleichnis bei Lk 5,36: »Niemand flickt einen Lappen von einem neuen Kleid auf ein altes Kleid; sonst zerreißt er auch das neue, und der Lappen von dem neuen paßt nicht zu dem alten«.
   Den Lappen neben das Loch setzen: etwas ungeschickt anfassen. Am Lappen halten ist seit 1554 belegt und heißt soviel wie sparen, sogar an minderwertigen Lappen festhalten.
   Sich auf die Lappen machen: sich auf den Weg machen, sich entfernen (ebenso ›Sich auf die Socken machen‹). Mit den Lappen sind hier die Fußlappen gemeint, mit denen man den Fuß umwickelte.
   Aus den Lappen in die Plunnen: Vom Regen in die Traufe (Braunschweig), Regen.
   Lappen als Schelte ist sehr früh gebräuchlich. Abraham a Sancta Clara weiß folgendes zu erzählen: »Ein Frauenzimmer ... hat dem guten Alten etlichmal eine Labetkarten ums Maul geschlagen, und ist wohl viel, daß dem armen Lappen die Nasen nit geblutet«. Im 16. Jahrhundert wurde in Basel sündhaften Männern und Frauen der ›Schandlappen‹ umgehängt. So wird bei Hans Sachs die Wendung jemandem einen Schandlappen anhängen gebraucht im Sinne von: jemandem die Ehre abschneiden, anhängen. Mundartlich sind im Rheinland die Schelten ›Trauerlappen‹
und ›Schmachtlappen‹ bekannt. Die mundartlich verschieden gebrauchte Wendung ›Lappländer‹ soll einen bald liederlichen, auch wunderlich gekleideten, bald auch einen ungeschickten Menschen bezeichnen (vgl. Lappsack, Lappschwanz, Lapphannes, Laban usw.). Es handelt sich hier wohl um einen geographischen Wortwitz, in dem die Tendenz sichtbar wird, für einen bestimmten Typ die Festlegung in der Nation zu finden. Dabei dienen der lautliche Anklang und die Struktur des Wortes als Länder- und Herkunftsname zur Herstellung des Ausdrucks. Ähnlich sagt man von einem läppischen Menschen: Er ist von Lappenhausen. Schon 1453 wird im ›Ring‹ des Heinrich Wittenweiler das Dorf Lappenhausen genannt, und auch Hans Sachs schließt an diese sprechende Orts bezeichnet an:

   Pey Rappersweil im Schweizerland
   Da ligt ein Dorff gar weit erkand,
   Das man zu Lappenhausen nennt,
   Darin gar leppisch Pauern sent.

Lappen kann auch für ›Ohrlappen‹ stehen; daher Einem ein paar hinter die Lappen geben: ihm ein paar Ohrfeigen versetzen (niederdeutsch ›up de Lappen geben‹).
   ›Die paar Lappen‹ heißt es am Niederrhein verächtlich für einige wenige Geldscheine von geringem Wert.
   ›Jedem Lappen gefällt sein Kappen‹: Das Sprichwort ist schon Anfang 18. Jahrhundert in den ›Teutschen Arien‹ (S. 304) bezeugt.
   Eine österreichische Redensart bezieht sich dagegen auf einen einfältigen harmlosen Menschen: ›Armer Lapp, b'halt nur dei närrische Kapp‹. Ähnlich auch die jüngere Bezeichnung ›Jammerlappen‹ für jemanden, der sich oft und laut beklagt.

• G. JUNGBAUER: Artikel ›Lappen‹, in: Handbuch des Aberglaubens V, Spalte 905-908; H. RAUSCH: ›Durch die Lappen gehen‹, in: Der Sprachfreund 4 (1955), Nr.4; L. RÖHRICH und G. MEINEL: Redensarten aus dem Bereich der Jagd und der Vogelstellerei, S. 319; L. SCHMIDT: Sprichwörtliche deutsche Redensarten, in: Österreichische Zeitschrift für Volkskunde., N.S. 28 (1974), S. 108-109.}

Durch die Lappen gehen. Jagdlappen von 1700: Leindwandtuch, Hanfseil, Modeldruck mit Ölfarbe, bezeichnet: JRCDHL/ 1700; 1989/1992. Aus: Kalender 1991 des Deutschen Historischen Museums Berlin.
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