Redensarten Lexikon
Kreuz
Das Wort Kreuz wird in vielen Redensarten und in den verschiedensten Bedeutungsgehalten gebraucht.    Sein Kreuz tragen, Sein Kreuz auf sich nehmen: seine Last, sein Leiden geduldig tragen; vgl. französisch ›porter sa croix‹. Der redensartliche Gebrauch dieser Wendungen geht auf Mt 10,38, Lk 14,27 u.a. Stellen zurück: »Und wer nicht sein Kreuz trägt und mir nachfolgt, der kann nicht mein Jünger sein«. An der allgemeinen Verbreitung des Wortes war Joh. Schefflers (1624-77) Kirchenlied »Mir nach, spricht Christus, unser Held« weitgehend mitbeteiligt. Aber schon mittelhochdeutsch seit dem 13. Jahrhundert erlangt Kreuz die übertragene Bedeutung Leid, Trübsal, z.B. bei Rud. von Ems (›Barlaam und Josaphat‹ 96,27): »du solt din kriuze han enbor als es dir treit dein schepher vor«. Die Redensart verliert jedoch immer mehr ihre ursprüngliche Bedeutung des von Gott geschickten Leidens. Kreuz wird allgemein zum Ausdruck für Ärger, Sorgen, Plagen; z.B. bei Geiler von Kaysersberg (›Irrig Schaf‹ 4,65 a): »solliche gedenk bringent inen keinen lust, sondern sind inen ein kreuz«. Luther setzt deutlich wörtliche und übertragene Bedeutung voneinander ab: »darumb thun uns geringer Kreutze mehr wehe denn Christus Kreutze«. Sehr verbreitet (auch in allen Mundarten) ist die Redensart Sein Kreuz haben: seine Not, seine Sorgen haben. Jeder hat sein Kreuz; mit diesen Worten tröstet man einen in Not Geratenen, d.h. jeder hat seine Sorgen, nicht nur du (vgl. englisch ›each cross has its inscription‹; französisch ›chacun porte sa croix‹; niederländisch ›elk draagt zijn kruis op de wereld‹; italienisch ›ognun porta la sua croce‹). Schon bei den Römern bedeutete ›crux‹ = Plage, Unglück. So auch heute oft noch umgangssprachlich gebräuchlich: ›Es ist eine crux mit ihm‹, ›Es ist ein Kreuz mit ihm‹, jemand bereitet einem Schwierigkeiten, es ist eine dauernde Not mit ihm, man hat mit ihm ständig eine Last.
   Sich ein Kreuz auf den Hals laden: sich selbst Unannehmlichkeiten verschaffen. vgl. französisch ›se charger d'une croix‹.
   Dementsprechend nennt man in der Volkssprache die Ehe häufig auch ›ein Kreuz‹ bzw. ›Das Ehekreuz‹; dies findet sich auch in Redensarten, z.B. bairisch ›er ist Kreuzträger geworden‹, er hat geheiratet. Grimmelshausen (›Simplicissimus‹ II,395): »nachdem ich und mein weib ihnen nun mit dieser feinen manier ins creutz geholfen«. Daher wohl auch der scherzhafte Ausspruch beim Skatspiel, wenn Kreuz und Trumpf angesagt wird: ›Ein Kreuz, ein Leid, ein bitterböses Weib‹.
   Zu erwähnen ist auch die häufig verstärkende Verwendung des Wortes Kreuz in Ausrufen und Flüchen, z.B. ›Kreuz Bomben-Element nochmal‹, ›Kreuzhimmelbombendonnerwetter‹, ›Kreuzhimmelherrgott‹, ›Kreuzmillionendonnerwetter‹, ›Kreuzsakra‹, ›Kreuzschwerenot‹; obersächsisch ›Ei Kreiz!‹; ferner Kreuz als Verstärkung in Ausdrücken wie: ›Kreuzbrav‹, ›Kreuzehrlich‹, ›Kreuzunglücklich‹, ›Kreuzfidel‹, ›Kreuzelend‹.
   Zu Kreuze kriechen: nachgeben, sich demütigen. Die Kirche des Mittelalters richtete es als eine Form strenger Buße ein, am Gründonnerstag oder Karfreitag kniend an das Kruzifix hinzukriechen. Der Brauch ist in England seit 1200 nachweisbar (englisch ›creep to cross on Good Friday‹); vgl. Zeitschrift für deutsche Wortforschung XII, 210ff. 1588 schreibt Johann Fischart im ›Bienenkorb‹ (195b): »(Maria hat) befohlen, daß man auff den Karfreytag ... das Creutz stattlich und andächtig, auff der Erden, auff bloßen Knien herzu kriechend, solle anbeten«. Bereits in übertragenem Sinne z.B. bei Luther: »Zu Augsburg mußte ich mich demütigen, da meinete der Cardinal, ich kröche zu Creutze (mit Widerrufen), und rief schon io Triumph«. Auch bei Oldecop (S. 252): »to dem Crutze krupen«. In Schillers ›Räubern‹ (II,3) kündigt der Pater dem Räuber Moor an: »Höre dann, wie gütig, wie langmütig das Gericht mit dir Bösewicht verfährt: wirst du itzt gleich zum Kreuz kriechen und um Gnade und Schonung flehen, siehe, so wird dir die Strenge selbst Erbarmen, die Gerechtigkeit eine liebende Mutter sein«. Im Falle dieser Redensart ging die ursprüngliche Bedeutung der Bußvorschrift völlig verloren und nur die erstarrte übertragene Wendung blieb.
   Das Kreuz über etwas schlagen eigentlich: sich mit dem Zeichen des Kreuzes segnen, daß man vor Schlimmem bewahrt geblieben oder es losgeworden ist; vgl. französisch ›faire une croix sur quelque chose‹: eine Sache für verloren halten; auch Drei Kreuze hinter jemandem machen: froh sein, daß er weggegangen ist. Schon im großen ›Wolfdietrich‹, 15. Jahrhundert (1167,3): »da sprang sie von dem Bette ... eines Zaubers sie begann wie balde Wolfdietrich das Kriuz dagegen schreib«. Abweichend z.B. in den Mundarten: rheinisch ›schlag mer es Kreuz druever‹, die unangenehme Sache ist erledigt, aber auch: gib die Hoffnung auf; schleswig-holsteinisch ›e kruz vor em make‹, er wird bald sterben; ›ik heft mich krüzt und segent‹, ich bin in großer Verwunderung; obersächsisch ›sich kreuzigen‹, sich verwundern; elsässisch ›es Krutz vor einem machen‹, ihn verabscheuen. In vielen mundartlichen Wendungen beliebt ist der Vergleich mit Christus am Kreuz, wenn man die Armseligkeit oder das schlechte Aussehen einer Person zum Ausdruck bringen will, z.B. rheinisch ›He suht ut wie uesen Herrgott aje Kreiz‹, er sieht armselig, bedürftig aus; ebenso schwäbisch ›aussehen wie der Heiland am Kreuz‹.
   Kreuz im Sinne von Rückenkreuz ist gemeint in den Redewendungen Aufs Kreuz fallen: auf den Rücken fallen; Chr. Weise (›Isaaks Opferung‹ 3,11): »wie bin ich auf mein Kreuze gefallen«; Goethe: »oh weh, oh weh, nun ists vorbei, die Last bricht mir das Kreuz entzwei«.
   Es hat ihm das Kreuz gebrochen heißt es immer dann, wenn jemand durch ein Unglück oder einen Schicksalsschlag so getroffen wurde, daß er fortan daran krankt. Es im Kreuz haben: Rückenschmerzen haben, Ischias haben etc.; Einen Stecken im Kreuz haben: sich übertrieben gerade halten.
   Jemanden aufs Kreuz legen: ihn zu Boden werfen, bezwingen. Die Wendung leitet sich vom Ringkampf her, wo der Ringer seinen Gegner so zu Boden zu werfen sucht, daß beide Schulterblätter gleichzeitig den Boden berühren; rheinisch ›jemandem das Kreuz aushenken, brechen‹, ihm eine tüchtige Tracht Prügel verpassen; ›er hat enen am Kreuz‹, er ist betrunken; schwäbisch ›ebes aus em Kreuz habe‹, etwas los sein, von einer unangenehmen Sache befreit sein; fränkisch sagt man von einer Sache, für die man sich nicht anzustrengen gewillt ist: ›Dafür beiße ich mir kein Kreuz in den Arsch‹.
   Jemandem etwas aus dem Kreuz leiern: ihm etwas abschwatzen.
   Mit jemandem übers Kreuz sein: mit ihm verfeindet sein.

• A. JACOBY: Artikel ›Kreuz‹ – ›Kreuzzeichen‹, in: Handbuch des Aberglaubens V, Spalte 478-562; G. GROBER-GLÜCK: Motive und Motivationen in Redensarten und Meinungen (Marburg 1974), §§ 25-27, S. 31-37; Strafjustiz in alter Zeit (Rothenburg 1980), S. 315.
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