Redensarten Lexikon
Kranz
Den Kranz erhalten (gewinnen): siegen, Ruhm erwerben, für seine Mühe und Leistung belohnt, auserwählt werden, eigentlich als Sieger im sportlichen Wettkampf, bei Turnieren oder auch beim Kranzsingen geehrt werden; vgl. französisch ›remporter la palme‹. Jemandem den Kranz reichen: ihm den Sieg zusprechen, ihn belohnen, eine Liebeszusage geben, aber auch: sich selbst geschlagen erklären. Diese Mehrdeutigkeit der Redensart beruht auf verschiedenen Bräuchen, die sich zum Teil bis zur Antike und ins Mittelalter zurückverfolgen lassen. so war es bei Wettläufen üblich, daß der Unterlegene dem Sieger einen Kranz reichen mußte, womit er dessen Leistung anerkannte, sich selbst aber als Verlierer kundtat. Bei den mittelalterlichen Turnieren wurde dem Sieger von einer vornehmen Dame des Hofes, von seiner Herrin, der er durch seinen Mut, seine Kraft und Tapferkeit gedient hatte, oder durch eine Jungfrau der grüne Kranz gereicht. Der Lorbeerkranz galt bereits in der Antike dem Dichter und Sänger als erstrebenswertes höchstes Ziel. Goethe schildert im ›Torquato Tasso‹ (I,3) die Bekränzung des Dichters, der soeben seinem Gönner ein gelungenes Werk überreicht hat. Als er bescheiden die ihm zu groß erscheinende Ehrung zurückweisen will, sagt ihm die Prinzessin:
So lern' auch diese Zweige tragen, die
Das Schönste sind, was wir dir geben können.
Wem einmal würdig sie das Haupt berührt,
Dem schweben sie auf ewig um die Stirne.
Sprichwörtlich geworden ist das Schillerzitat aus dem Prolog zu ›Wallensteins Lager‹, wo festgestellt und bedauert wird: ›Dem Mimen flicht die Nachwelt keine Kränze‹. Seit dem Mittelalter ist der Kranz aber auch als Symbol der Gunst einer hochgestellten Dame und als Liebeszeichen bezeugt, vor allem durch zahlreiche Bildbelege. Das Volkslied bewahrt Erinnerungen an das Kranzsingen, das bereits zur Zeit Nithards zu Anfang des 13. Jahrhunderts beliebt war. Es steht in Zusammenhang mit den Rätselwettkämpfen. In einem Rätsellied (E.B. Nr. 1062), das im 16. und 17. Jahrhundert besonders beliebt war, singen beim Reigen Gesellen verschiedener Handwerke um den Kranz der Jungfrauen, indem sie Rätselfragen lösen oder stellen. In Strophe 16 und 17 wird geschildert, wie ein Bursche den Kranz gewinnt:
Jungfrau, sagt mir zu dieser Frist,
Welches die mittelst Blum im Kränzlein ist?
Der Blumen aber gar viel seind,
Die umher in dem Kränzlein stehnd.
Da diese Frage nicht zu beantworten ist, weil der Kranz geschlossen ist und nicht Anfang und Ende und deshalb auch keine Mitte besitzt, gibt der Bursche seine überraschende Lösung:
Ich hör ein großes Schweigen,
Das Kränzlein will mir bleiben.
So merkt mich, liebe Jungfrau mein:
Ihr mögt wol die mittelst Blum im Kränzlein sein!
Er versteht hier unter dem Kranz den Kreis der Tanzenden. Auch in vielen Mailiedern erscheint der Brauch, daß der auserwählte Bursche von seinem Mädchen den Kranz, der sie beim Tanz geschmückt hat, als Zeichen ihrer Zuneigung erhält. So heißt es z.B. in einem schweizerischen Lied (E.B. Nr. 967):
Der Tanz, der Abedtanz!
Mi Mitli treit e Chranz. \qr (Str. 3)
Den Chranz, den mueß i ha,
Sus blib i en arme Ma. \qr (Str. 4)
Als ihm das Mädchen den Kranz überreicht hat, jubelt der Bursche in Strophe 6:
Juhe! nun e Chranz und 's Meitle derzue:
Juhê! was bin i e glückliche Bueb!
Die Redensart Einem ein Kränzlein auflegen (aufsetzen): gehört deshalb in diesen Brauchzusammenhang.
Sie bedeutet die allgemeine Ehrung eines Mannes, vor allem aber das Einverständnis der Geliebten, die Liebeszusage oder sogar das Eheversprechen des Mädchens. Daß das Kranzaufsetzen tatsächlich einen rechtskräftigen Charakter hatte, ist durch den Brauch des Losbittens eines Verurteilten bezeugt. Der zum Tode Verurteilte oder auch ein Verbrecher, dem die Hand abgeschlagen werden sollte, konnte begnadigt und als straffrei entlassen werden, wenn ihn eine ehrbare Jungfrau vom Henker losbat und ihn zu ihrem Ehemann begehrte. Im Deutschen Wörterbuch der Brüder Grimm wird ein solcher Fall geschildert: Im 16. Jahrhundert sollte einem Manne in Stralsund die rechte Hand abgeschlagen werden. Da trat ein Mädchen aus der Menge der Zuschauer und »settete em einen kranz up und dede ein erdfall vor den heren und wollt em losbidden«. Das Kranzaufsetzen ist hierbei als Zeichen des öffentlichen und rechtmäßigen Verlöbnisses zu verstehen.
Die Redensarten Den Kranz verlieren und Ums Kränzlein kommen sind metaphorische Umschreibungen für den Verlust der jungfräulichen Unschuld und Ehre. Bereits in Wittenweilers ›Ring‹ heißt es in übertragener Bedeutung:
Minner werch schol sei nicht kiesen,
Wil sei daz krentzel nicht verliesen.
Die Wendungen beziehen sich auf das Hochzeitsbrauchtum. Nur die jungfräuliche Braut durfte den grünen Jungfernkranz
aus Rosmarin, Myrten oder Rauten tragen. Er galt als Zeichen ihrer Ehre und Würde und war gewissermaßen der allen sichtbare äußere Nachweis ihrer Unschuld, ihrer Standhaftigkeit und ihres Sieges und Triumphes über die Versuchungen zur vorehelichen Geschlechtsverbindung. Das unrechtmäßige Tragen des grünen Kranzes bei der Trauung wurde von der Kirche als frevelhaft verfolgt. In der Ballade von der ›Rabenmutter‹ (E.B. Nr.212b), einer Variante aus Schlesien, führt der Teufel selbst die Bestrafung durch. Auf den Vorwurf des geretteten ausgesetzten Kindes fragt die Braut:
Wie kann ich deine Mutter sein?
Ich trag ja von Raut ein Kränzelein. (Str. 9)
Das Kind antwortet:
Trägst du von Raut ein Kränzelein,
Du kannst gar wohl meine Mutter sein:
Du hast geboren drei Kindelein. (Str. 10)
Als die Mutter sich verschwört, wird sie vom Teufel geholt:
Ja wenn das wirklich Wahrheit wär,
So wollt ich, daß der Teufel käm
Und mir das grüne Kränzlein nähm! (Str. 13)
Das Wort war kaum aus ihrem Mund,
Der Teufel in der Thüre stund. (Str. 14)
Der Kranz als Symbol der Reinheit diente auch zur Grabbeigabe jungfräulich Verstorbener, vgl. die polnische Wendung ›mit dem Kranz sterben‹, als Junggeselle begraben werden.
Der Verlust des Kranzes wird von dem Mädchen im Volkslied häufig reuevoll beklagt, während der Bursch nur leichtfertig die verschlafene Ehre bezahlen will. In einem Lied aus dem Kuhländchen (E.B. Nr. 436b) erhält das Mädchen sogar den spöttischen Rat:
Und ist dir hin dein Rautenkranz,
Und den du thatst verlieren:
Am Dienstag ziehn die Krämer ins Land,
Schöns Lieb, kauf dir ein neuen! (Str. 4)
Sie weiß jedoch, daß dies nutzlos wäre:
Was hilft mir denn der neue Kranz,
Wenn ich ihn nicht darf tragen?
Eine völlig andere Bedeutung ist mit dem ›grünen Kranz‹ verbunden, der als Symbol des Wirtshauses bekannt wurde. Er ist – ähnlich wie der ⇨ Besen – ein Zeichen für das Schankrecht und wird dementsprechend auch als Aufforderung zur Einkehr betrachtet, wie u.a. auch aus dem Trinklied ›Bruderschaft‹
(1821) von Wilh. Müller hervorgeht:
Im Krug zum grünen Kranze,
da kehrt ich durstig ein.
• R. ANDREE: ›Der grüne Wirtshauskranz‹, in: Zeitschrift des Vereins für Volkskunde 17 (1907), S. 195-200; K. MESCHKE: Artikel ›Kranz‹, in: Handbuch des Aberglaubens V, Spalte 381-428; A. WALZER: Liebeskutsche, Reitersmann, Nikolaus und Kinderbringer (Stuttgart 1963), S. 11-16; RÖHRICH-BREDNICH: Deutsche Volkslieder, Band I (Düsseldorf 1967), S. 55ff.; Band II (Düsseldorf 1967), S. 140f.; Deutsche Volkslieder mit ihren Melodien, hg. von Deutsches Volksliedarchiv (Freiburg 1967), V, 2, S. 263f.; A. ERLER: Artikel ›Kranzgeld‹,in: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte II, Spalte 1177; W. DANKERT: Symbol, Metapher, Allegorie im Lied der Völker, II (Bonn – Bad Godesberg 1977), S. 815; M. WIDMANN: ›De coronis‹ (Frankfurt/M. 1987).}
Jemand den Kranz reichen. Illustration aus der Manessischen Lieder-Handschrift.
So lern' auch diese Zweige tragen, die
Das Schönste sind, was wir dir geben können.
Wem einmal würdig sie das Haupt berührt,
Dem schweben sie auf ewig um die Stirne.
Sprichwörtlich geworden ist das Schillerzitat aus dem Prolog zu ›Wallensteins Lager‹, wo festgestellt und bedauert wird: ›Dem Mimen flicht die Nachwelt keine Kränze‹. Seit dem Mittelalter ist der Kranz aber auch als Symbol der Gunst einer hochgestellten Dame und als Liebeszeichen bezeugt, vor allem durch zahlreiche Bildbelege. Das Volkslied bewahrt Erinnerungen an das Kranzsingen, das bereits zur Zeit Nithards zu Anfang des 13. Jahrhunderts beliebt war. Es steht in Zusammenhang mit den Rätselwettkämpfen. In einem Rätsellied (E.B. Nr. 1062), das im 16. und 17. Jahrhundert besonders beliebt war, singen beim Reigen Gesellen verschiedener Handwerke um den Kranz der Jungfrauen, indem sie Rätselfragen lösen oder stellen. In Strophe 16 und 17 wird geschildert, wie ein Bursche den Kranz gewinnt:
Jungfrau, sagt mir zu dieser Frist,
Welches die mittelst Blum im Kränzlein ist?
Der Blumen aber gar viel seind,
Die umher in dem Kränzlein stehnd.
Da diese Frage nicht zu beantworten ist, weil der Kranz geschlossen ist und nicht Anfang und Ende und deshalb auch keine Mitte besitzt, gibt der Bursche seine überraschende Lösung:
Ich hör ein großes Schweigen,
Das Kränzlein will mir bleiben.
So merkt mich, liebe Jungfrau mein:
Ihr mögt wol die mittelst Blum im Kränzlein sein!
Er versteht hier unter dem Kranz den Kreis der Tanzenden. Auch in vielen Mailiedern erscheint der Brauch, daß der auserwählte Bursche von seinem Mädchen den Kranz, der sie beim Tanz geschmückt hat, als Zeichen ihrer Zuneigung erhält. So heißt es z.B. in einem schweizerischen Lied (E.B. Nr. 967):
Der Tanz, der Abedtanz!
Mi Mitli treit e Chranz. \qr (Str. 3)
Den Chranz, den mueß i ha,
Sus blib i en arme Ma. \qr (Str. 4)
Als ihm das Mädchen den Kranz überreicht hat, jubelt der Bursche in Strophe 6:
Juhe! nun e Chranz und 's Meitle derzue:
Juhê! was bin i e glückliche Bueb!
Die Redensart Einem ein Kränzlein auflegen (aufsetzen): gehört deshalb in diesen Brauchzusammenhang.
Sie bedeutet die allgemeine Ehrung eines Mannes, vor allem aber das Einverständnis der Geliebten, die Liebeszusage oder sogar das Eheversprechen des Mädchens. Daß das Kranzaufsetzen tatsächlich einen rechtskräftigen Charakter hatte, ist durch den Brauch des Losbittens eines Verurteilten bezeugt. Der zum Tode Verurteilte oder auch ein Verbrecher, dem die Hand abgeschlagen werden sollte, konnte begnadigt und als straffrei entlassen werden, wenn ihn eine ehrbare Jungfrau vom Henker losbat und ihn zu ihrem Ehemann begehrte. Im Deutschen Wörterbuch der Brüder Grimm wird ein solcher Fall geschildert: Im 16. Jahrhundert sollte einem Manne in Stralsund die rechte Hand abgeschlagen werden. Da trat ein Mädchen aus der Menge der Zuschauer und »settete em einen kranz up und dede ein erdfall vor den heren und wollt em losbidden«. Das Kranzaufsetzen ist hierbei als Zeichen des öffentlichen und rechtmäßigen Verlöbnisses zu verstehen.
Die Redensarten Den Kranz verlieren und Ums Kränzlein kommen sind metaphorische Umschreibungen für den Verlust der jungfräulichen Unschuld und Ehre. Bereits in Wittenweilers ›Ring‹ heißt es in übertragener Bedeutung:
Minner werch schol sei nicht kiesen,
Wil sei daz krentzel nicht verliesen.
Die Wendungen beziehen sich auf das Hochzeitsbrauchtum. Nur die jungfräuliche Braut durfte den grünen Jungfernkranz
aus Rosmarin, Myrten oder Rauten tragen. Er galt als Zeichen ihrer Ehre und Würde und war gewissermaßen der allen sichtbare äußere Nachweis ihrer Unschuld, ihrer Standhaftigkeit und ihres Sieges und Triumphes über die Versuchungen zur vorehelichen Geschlechtsverbindung. Das unrechtmäßige Tragen des grünen Kranzes bei der Trauung wurde von der Kirche als frevelhaft verfolgt. In der Ballade von der ›Rabenmutter‹ (E.B. Nr.212b), einer Variante aus Schlesien, führt der Teufel selbst die Bestrafung durch. Auf den Vorwurf des geretteten ausgesetzten Kindes fragt die Braut:
Wie kann ich deine Mutter sein?
Ich trag ja von Raut ein Kränzelein. (Str. 9)
Das Kind antwortet:
Trägst du von Raut ein Kränzelein,
Du kannst gar wohl meine Mutter sein:
Du hast geboren drei Kindelein. (Str. 10)
Als die Mutter sich verschwört, wird sie vom Teufel geholt:
Ja wenn das wirklich Wahrheit wär,
So wollt ich, daß der Teufel käm
Und mir das grüne Kränzlein nähm! (Str. 13)
Das Wort war kaum aus ihrem Mund,
Der Teufel in der Thüre stund. (Str. 14)
Der Kranz als Symbol der Reinheit diente auch zur Grabbeigabe jungfräulich Verstorbener, vgl. die polnische Wendung ›mit dem Kranz sterben‹, als Junggeselle begraben werden.
Der Verlust des Kranzes wird von dem Mädchen im Volkslied häufig reuevoll beklagt, während der Bursch nur leichtfertig die verschlafene Ehre bezahlen will. In einem Lied aus dem Kuhländchen (E.B. Nr. 436b) erhält das Mädchen sogar den spöttischen Rat:
Und ist dir hin dein Rautenkranz,
Und den du thatst verlieren:
Am Dienstag ziehn die Krämer ins Land,
Schöns Lieb, kauf dir ein neuen! (Str. 4)
Sie weiß jedoch, daß dies nutzlos wäre:
Was hilft mir denn der neue Kranz,
Wenn ich ihn nicht darf tragen?
Eine völlig andere Bedeutung ist mit dem ›grünen Kranz‹ verbunden, der als Symbol des Wirtshauses bekannt wurde. Er ist – ähnlich wie der ⇨ Besen – ein Zeichen für das Schankrecht und wird dementsprechend auch als Aufforderung zur Einkehr betrachtet, wie u.a. auch aus dem Trinklied ›Bruderschaft‹
(1821) von Wilh. Müller hervorgeht:
Im Krug zum grünen Kranze,
da kehrt ich durstig ein.
• R. ANDREE: ›Der grüne Wirtshauskranz‹, in: Zeitschrift des Vereins für Volkskunde 17 (1907), S. 195-200; K. MESCHKE: Artikel ›Kranz‹, in: Handbuch des Aberglaubens V, Spalte 381-428; A. WALZER: Liebeskutsche, Reitersmann, Nikolaus und Kinderbringer (Stuttgart 1963), S. 11-16; RÖHRICH-BREDNICH: Deutsche Volkslieder, Band I (Düsseldorf 1967), S. 55ff.; Band II (Düsseldorf 1967), S. 140f.; Deutsche Volkslieder mit ihren Melodien, hg. von Deutsches Volksliedarchiv (Freiburg 1967), V, 2, S. 263f.; A. ERLER: Artikel ›Kranzgeld‹,in: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte II, Spalte 1177; W. DANKERT: Symbol, Metapher, Allegorie im Lied der Völker, II (Bonn – Bad Godesberg 1977), S. 815; M. WIDMANN: ›De coronis‹ (Frankfurt/M. 1987).}
Jemand den Kranz reichen. Illustration aus der Manessischen Lieder-Handschrift.