Redensarten Lexikon
Krähe
Die Krähe soll kein Vogel sein (wenn das geschieht); diese Redensart bezeichnet einen absurden Zweifel an einem unbezweifelbaren Tatbestand. Oft wird sie verwendet als Beteuerungsformel, als Bekräftigung des Gesagten, wie es auch im Sprichwort heißt: ›Die Krähe ist auch ein Vogel‹. Finnisch sagt man: ›Auch die Krähe ist da, wo andere Vögel sind‹. Die Redensart ist zuerst bei Johann Fischart (›Bienenkorb‹, 1588, 117a) bezeugt: »Eigen ist der Zweifel ob die Krähe auch ein Vogel sei: und es musz darbei bleiben und solt' auch die Krähe kein Vogel sein«. Vgl. niederländisch ›al soude craey gheen voghel zijn‹.    Das ist eine weiße Krähe. Man will damit die Seltenheit einer Sache zum Ausdruck bringen. Möglicherweise ist die Redensart aus einem Sprichwort verkürzt, das mundartlich lautet: ›Ke Tag i minem Lebe ha ni nüt e so gseh: e schneewysse Kräie und schwarze Schnee‹. Vgl. niederländisch ›Dat is eene witte kraai‹; englisch ›a white crow‹. Vgl. Weißer Rabe Rabe.
   Eine Krähe waschen ist Ausdruck für den Widersinn einer Sache, eines Unternehmens, das schon von vornherein zum Scheitern verurteilt. Wahrscheinlich kam die Redensart zustande durch Verkürzung des Sprichworts ›Die Krähe wird nicht weiß, wenn sie sich auch noch so oft wäscht‹. Vgl. englisch ›He is washing the crow‹, bezeugt bei Bohn (London 1857).
   Es wird's keine Krähe auskratzen. Hier ist eine aussichtlose Situation gemeint oder eine abgeschlossene Sache, an der nichts mehr zu ändern ist, die sich auch nicht bereinigen läßt; literarisch belegt bei Sutor in ›Der Hundertaugige blinde argos und zwey gsichtige Janus ...‹ (Augsburg und München 1740): »es ist dahin geschrieben (d.h. in den Kamin), daß es kein kuh ableckt und kein kro auskratzt«. In Agricolas Sprichwörter-Sammlung: »Kein kro wirds auskratzen«(Nr. 339) 1582 für Wittenberg bezeugt.
   Das ist keine Krähe von gestern, gebraucht im Sinne von: das ist ein alter Fuchs, ein Schlaukopf, geht von der Schlauheit der Krähe aus. Dieselbe Bedeutung hat auch die Redensart ›Diese Krähe ist gestern nicht mit dem Finger gezäumt und mit Brei gefüttert‹, er ist ein durchtriebener, gewandter Bursche.
   Davon soll die Krähe fett werden. Die Krähe als Aasvogel frißt alles. In diesem Fall ist gemeint, daß man etwas dem Aasvogel überläßt, das nicht viel wert ist. Mit der Redensart ›Davon wird die Krähe auch nicht fett werden‹ wird eine Situation charakterisiert, in der selbst ein Aasvogel keinen Bissen findet, der fett macht. Schlesisch heißt es ›die Kroe wat fet wan‹, die Krähe wird fett werden, hier also im positiven Sinne gebraucht, nämlich: es wird besser werden, es geht bergauf. Die Redensart ist in Drechslers ›Schlesiens Vogelwelt in der Sprache und im Glauben der Heimat‹ (Mitteilungen 10, 87, 1908) bezeugt.
   Einer Krähe die Augen aushacken, lateinisch ›cornicum oculos configere‹ (Cicero). Die Redensart kommt wahrscheinlich von dem älteren Sprichwort ›Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus‹. Mit den Worten: ›Ich wolt, daß dir die kraen die Augen auspflucken‹ wünscht man jemandem den Tod, wobei wieder an die Krähe als Aasfresser gedacht ist; so schon bei Hans Sachs.
   Nach V.B. Dröscher ist es eine Tatsache, daß die Krähen ihre Feinde und ihre Beute durch Aushacken der Augen bekämpfen, diesen Trieb aber so ausgezeichnet beherrschen, daß bei Streitigkeiten untereinander niemals eine Krähe der anderen ein Auge aushackt.
   Die Krähe will mit dem Adler streiten; damit bringt man ein ungleiches Kräfteverhältnis zum Ausdruck, die Aussichtslosigkeit eines Kampfes, den ein Schwächerer mit einem Starken führen will (vgl. lateinisch ›Aquilam cornix provocat‹). Den frühesten Nachweis finden wir bei Seybold (›Lustgarten von auserlesenen Sprichwörtern‹, Nürnberg 1677). Die entsprechenden Sprichwörter lauten: ›Die Krähe darf den Adler nicht herausfordern‹ und ›Wenn die Krähe mit dem Adler streitet, so verliert sie den Kopf‹.
   Die Redensarten Eine Krähe für eine Nachtigall kaufen oder Krähen für Tauben halten bezeichnen ein krasses Fehlurteil, falsche Einschätzung eines Gegenstandes. Die Krähe als freches Tier wird den sanften Tauben, ihr mißtönendes Geschrei dem wohlklingenden Gesang der Nachtigall gegenübergestellt. Sachlich gemeint ist dabei Tausch oder Kauf einer negativen, minderwertigen Sache für eine positive, wertvolle. Bei A.W. Schlegel (›Sommernachtstraum‹ 2,2, Gedichte, Tübingen 1800) in eine rhetorische Frage gefaßt: »Wer will die Krähe nicht für die Taube geben?« Englisch bei Shakespeare: »change a raven for a dove«.
   Die Wendung Eine Krähe mit Pfauenfedern, beruht auf einer Fabel, vgl. ›Sich mit fremden Federn schmücken‹, Feder; in lateinischer Form (›calvus comatus‹) belegt in den ›Desid. Erasmi Roterdami Adagiorum Epitome ...‹ (Leipzig 1678); niederländisch ›Het is eene kraai in paauwen-vederen‹ und französisch ›le geai paré des plumes du paon‹ (wörtlich: der Häher, der sich mit Pfauenfedern geschmückt hat).
   Mit den Redensarten Das sind zwei Krähen auf einen Schuß und Er hat zwei Krähen auf einmal geschossen wird, ähnlich wie durch die Redewendung ›Zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen‹, der glückliche Fall umschrieben, daß mit einer Aktion zwei Ziele gleichzeitig erreicht werden (vgl. niederländisch ›twee kraeyen met een schoot schieten‹). Eule unter den Krähen Eule.

• V.B. DROSCHER: Mit den Wölfen heulen (Düsseldorf 1978), S. 65-68; W.E. PEUCKERT: Artikel ›Krähe‹, in: Handbuch des Aberglaubens V, Spalte 352-370; E. und L. GATTIKER: Die Vögel im Volksglauben (Wiesbaden 1989).
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