Redensarten Lexikon
Karte
Der Ursprung des Kartenspiels liegt im dunkeln. Wahrscheinlich stammt es aus China, denn dort lassen sich um 1200 die ersten Spielkarten überhaupt feststellen. sie verbreiteten sich von da aus über ganz Asien; im 16. Jahrhundert finden wir sie auch in Indien. Nach Europa müssen die Spielkarten mit den zurückkehrenden Kreuzfahrern gekommen sein. seit dem Ende des 14. Jahrhundert finden wir sie überall in Europa und auch bald schon die Zunft der Kartenmacher. 1463 erließ England ein Einfuhrverbot für Spielkarten, um seine Kartenmacher vor der ausländischen Konkurrenz zu schützen. Wenn auch das Kartenspiel vor allem die Lieblingsbeschäftigung der Landsknechte wurde, so scheint es doch auch sonst sich großer Beliebtheit erfreut zu haben. Der Bischof von Würzburg sah sich 1329 genötigt, den Klerikern das Kartenspiel zu untersagen, weil die geistlichen Herren allzu eifrig der Spielleidenschaft gefrönt hatten. Die Stadt Basel erließ 1367 sogar ein generelles Spielverbot. Kein Wunder, daß der bei den Männern so beliebte Zeitvertreib seinen Niederschlag auch bald in Sprichwörtern und sprichwörtlichen Redensarten fand. Wir finden sie seit dem 15./16. Jahrhundert, und bald wurden sie auch in übertragener Bedeutung gebraucht.   Die Karten mischen (mengen): die Ereignisse im eigenen Sinne beeinflussen, herbeiführen, die Angelegenheit in Gang bringen; vgl. französisch ›brouiller les cartes‹. Die Karten gut mischen: ›Mitmischen‹; Ereignisse geschickt mitgestalten, ohne selbst in den Vordergrund treten zu müssen. »Ich will die Karten besser mischen«, d.h. einen neuen, besseren Plan entwerfen, findet sich bei Ulrich v. Hutten um 1500. Eine heute nicht mehr gebräuchliche Redensart steht bei Grimmelshausen: ›Ich warff meine Karten mit unter‹ (›Simplicissimus‹ III, 160), was bedeutet: ich mischte mich in das Gespräch. Vor allzu starkem Mischen warnt eine oldenburgische Redensart: ›Du schürst de Korten ja de Ogen aus‹. Im Volkslied heißt es:

   Die Karten habt ihr zwar gemischt,
   Doch ist das Stichblatt euch entwischt!

Einem die besten (schönsten) Karten geben: einem allen Vorteil zukommen lassen; umgekehrt Eine böse (falsche) Karte geben (auswerfen). ›Sie haben die Karten miteinander gemischt‹, d.h. etwas miteinander verabredet, bzw. in der gereimten Form des Sprichworts:

   Wie sie die Karten mischen,
   Mich soll'n sie nicht erwischen sind gleichfalls Redensarten, die vom unredlichen Kartenmischen herkommen. »Die Karten sind noch nicht ganz vergeben«, es ist noch nicht alles entschieden, findet mit Schiller Eingang in die Literatur (›Kabale und Liebe‹ III, I). Wenn aber ›Die Karten vergeben sind‹, dann ist nichts mehr zu ändern. Wilde Karten auswerfen: wild oder zornig werden, gebraucht schon 1530 Sebastian Franck. Joh. Schütz spricht 1580 von »unnützen Karten auswerfen«.
   Er hat gute Karten, vgl. englisch ›he has good cards to show‹, niederländisch ›hij heeft eene schoone kaart‹, schweizerisch ›er cha de Charte rueme‹, französisch ›avoir beau jeu‹. Im übertragenen Sinne wollen diese Redensarten sagen, daß einer in einer günstigen Lage ist und bei seinem Unternehmen Glück hat. Im gleichen Sinne werden auch Es paßt in meine Karte oder Karten jeder Farbe haben gebraucht.
   Seine Karten aufdecken: seine Absichten zu erkennen geben. Die Karten offenlegen: bisher verheimlichte Gedanken und Absichten äußern; vgl. niederländisch ›met open kaarten spelen‹, französisch ›jouer cartes sur tables‹. Ferner: Die Karten auf den Tisch legen oder Seine Karten über den Tisch halten: nichts verhehlen.
   Mit verdeckten Karten spielen: vorsichtig sein, seine Pläne nicht offenbaren. Bismarck gebraucht dieses redensartliche Bild gern, wenn auch teilweise in französischer Form (›Reden‹ X,190): »sie können von einem auswärtigen Minister nicht verlangen, daß er über alle schwebenden Verhandlungen mit Ihnen cartes sur table spielt« (d.h. ouvert); ein andermal: »Spielen Sie die deutsche Karte aus, werfen Sie sie auf den Tisch und jeder weiß, wie er sich danach einzurichten oder sie zu umgehen hat«, und schließlich: »Ich kann der göttlichen Vorsehung nicht so in die Karten sehen, daß ich das vorher wüßte«.
   Wer mit offenen Karten spielt, dem kann man In die Karten sehen (gucken): seine Pläne erfahren, seine geheimen Absichten erkennen; vgl. französisch ›voir dans le jeu de quelqu'un‹; niederländisch ›iemand in de kaart kijken‹. Bei Goethe (›Wilhelm Meisters Lehrjahre‹ 4,15): »Der Schluß der Darstellung läßt uns noch etwas tiefer in die Karten sehen«, oder: »ehe wir zugeben, daß sie uns in die Karten sehen«.
   Sich nicht in die Karten gucken lassen: seine Absichten (seine Lage) geheimhalten; vgl. französisch ›ne pas reveler ...‹ oder ›ne pas dévoiler son jeu‹. Geiler von Kaysersberg 1508: »sieh in dein eigen Kartenspiel«. Ebenso imperativisch ist auch die elsässische Redensart gebraucht: ›Lug dir in dein Kartenspiel‹. Von einem, der alles voraussehen möchte, sagt man rheinisch: ›de well osen Herrgott in de Karte kike‹.
   »Er kendt die Karten« findet sich in der Sprichwort-Sammlung von Joh. Agricola aus dem Jahre 1548 im Sinne von: er weiß Bescheid. Er weiß zu karten, d.h.. so zu spielen, daß alles nach seinem Wunsch läuft; schwäbisch ›er weiß seine Karte z'stecke‹.
   Eine Karte sticht: eine Maßnahme ist erfolgreich, im 19. Jahrhundert allgemein in Deutschland belegt. Umgekehrt Diese Karte sticht (diese Karten stechen) heute nicht mehr: diese Argumente überzeugen nicht mehr. Die Karte nicht verlieren: sich nicht irremachen lassen, seinen Vorteil wahrnehmen. Alle Karten (Trümpfe) in der Hand behalten: sich den entscheidenden Entschluß bis zuletzt aufsparen, die Macht, Leitung erhalten; vgl. französisch ›garder tous les atouts en main‹ (wörtlich: alle Trümpfe in der Hand behalten). Beim Kartenspiel endigt möglicherweise das Glück, und Die Karte wechselt sich. So schreibt G. Rollenhagen 1591 im ›Froschmeuseler‹: »Wo wir aber in diesen Sachen noch lange vollen Anstand machen, so wird sich bald wechseln die Karten«. Oder ähnlich Die Karte hat sich gewendet ( Blatt). Der Wechsel im Glück ist damit verbunden, Wie die Karten fallen, eine Redensart, die sich auch bei Goethe findet: »Der arme Landmann harrt das ganze Jahr, wie etwa die Karten fallen über den Wolken«.
   Das Kartenspiel nicht mehr in der Hand haben:in einer Sache keine freie Entscheidung mehr haben, schon bei Luther.
   Die letzte Karte ausspielen: zur letzten Möglichkeit greifen; vgl. französisch ›jouer sa dernière carte‹.
   Auf die falsche Karte setzen: ein Mittel wählen, das sich als nicht erfolgreich herausstellt; vgl. französisch ›miser sur une fausse carte‹.
   Schon früh müssen allenthalben Betrügereien beim Kartenspiel aufgekommen sein, denn bezeichnenderweise sind die am frühesten bezeugten Redensarten über das Kartenspiel solche, die von betrügerischem Spiel reden. So bei Geiler von Kaysersberg 1508: »In seinem Kartenspiel sind viel böser Stein«,1566 im ›Theatrum Diabolorum‹: »Er wirft bös Kart mit unter«,1576: »Bös Karten auswerfen«, bös oder übel reden, oder »Da ist die ganze Karte falsch«. Noch heute allgemein verbreitet ist Jemandem die Karte in die Hand spielen: jemandem helfen; vgl. niederländisch ›in de Kaart von de Gegenparty spelen‹, englisch ›to play into a person's hand‹; französisch ›donner beau jeu à quelqu'un‹. Es einem karten: einen anführen. Es sind viel böse Karten im Spiel: es sind Leute beteiligt, die es bös meinen. Es ist eine angelegte Karte: ein fein gesponnener Plan. Mit der Redensart Ein abgekartetes Spiel treiben wird der Vorwurf ausgedrückt, jemand habe die Karten zu seinen Gunsten gemischt, d.h. auf betrügerische Weise Tatsachen geschaffen, die dem Mitspieler zum Nachteil gereichen. Im ›Simplicissimus‹ (IV, 27) schreibt Grimmelshausen: »Möchte das Glück diß Spiel karten, wie es wollte«.
   Alles auf eine Karte setzen: mit einem kühnen Schlage etwas entscheiden wollen, alles riskieren, um etwas Bestimmtes zu erreichen, das Letzte wagen, einsetzen; auch in den Mundarten, z.B. kölnisch ›alles op ein Kaat setze‹; englisch ›I would cheat my own father at cards‹, ›to have all one's eggs in the same basket‹; französisch ›risquer sa dernière carte‹; niederländisch ›alles op een kaart zetten‹.
   Sehr zahlreich sind die redensartlichen Vergleiche, besonders in den Mundarten; z.B. schwäbisch ›dünn wie ein Kartenspiel‹. ›Er blättert mehr in den Karten als im Brevier‹ sagt man von einem pflichtvergessenen Geistlichen.
   Die Karten werden sogar als ›Des Teufels Gebetbuch‹ bezeichnet, weil man das Spiel für sündhaft hielt (s. Abbildung S. 810) Teufel. ›Hat man keine Karte, so spielt man ein Scheit Holz aus‹; entsprechend die mundartlichen Redensarten ›ne Kart oder ne Klob Holz‹, ›e Kart oder e Stück-Holz‹ (elsässich), ›e Kaart oder e Schtigg Holz‹ (pfälzisch); ähnlich auch ›en Kart oder en Beischt Stroh‹ (Eifel). Spiel, Trumpf. Sich die Karten nicht aus der Hand nehmen lassen: selber die Entscheidungen treffen; scherzhaft auch: Die Karten dicht an die Brust halten; Die Karte ist abgebissen: die Sache ist erledigt.
   Mit gezinkten Karten spielen: falsch spielen, auch übertragen verwendet im Sinne von unehrlich und hinterhältig sein.
   Jemandem die gelbe Karte zeigen: Redensart aus dem Fußballsport mit der Bedeutung: ihn verwarnen. Ähnlich Jemandem die rote Karte zeigen: der Schiedsrichter weist den Spieler (meist nach einem Foul) vom Spielfeld.

• TYLOR: History of Playing Cards (London 1865); BREITKOPF: Versuch über den Ursprung der Spielkarte (Leipzig 1874); BIERDIMPFL: Die Sammlung der Spielkarten des bayrischen Nationalmuseums (München 1884); M. LEHRS: Die ältesten deutschen Spiele des königlichen Kupferstichkabinetts zu Dresden (1885); L. HEROLD: Artikel ›Kartenspiel‹, in: Handbuch des Aberglaubens IV, Spalte 1014-1023; K BACHMANN: Die Spielkarte (1932); DERS. in: Forschungen und Fortschritte 26 (1950), S. 63-68 (mit Literatur-Verzeichnis); DERS. in: Beiträge zur Sprachwissenschaft und Volkskunde, Festschrift für E. Ochs (Lahr 1951), S. 308-373; F. RUMPF; in: Jahrbuch für Historische Volkskunde 3/4 (1934); O. REISIG: Deutsche Spielkarten (Leipzig 1935); A.I. NORRER: Was die Kartenspieler quatschen (Redewendungen), in: Atlantis 1936, S. 543-545; W.L. SCHREIBER: Die ältesten Spielkarten (Leipzig 1935); K WEHRHAN: Zum Aberglauben der Kartenspieler. Mitteilungen der Schlesischen Gesellschaft für Volkskunde 37 (1938), S. 148-158; H. APPEL: Die Skatsprache (1950); L.V.V. HERMANSEN: Spillekort 1350-1950 (Kopenhagen 1950); H. ROSENFELD: Münchener Spielkarten um 1500 (München 1958); DERS.: Das Alter der Spielkarten in Europa und im Orient, in: Archiv für Geschichte des Buchwesens 2 (1960), S. 778-86; DERS. und E. KOHLMANN: Die schönsten deutschen Spielkarten (Insel-Bücherei Nr. 755); P.G. BREWSTER, in: Southern Folklore Quarterly 23 (1959), S. 196-202; K. WEIGEL: Kartenspielfragmente. Libri 14 (1964), S. 40-43; D. HOFFMANN: Die Welt der Spielkarte – Eine Kulturgeschichte (Leipzig 1972); DERS.: Spielkarten des Historischen Museums Frankfurt am Main (Frankfurt/M.1972).

Die Karte ist des Teufels Gebetbuch. Bilderrätsel, Neuruppiner Bilderbogen, Nr. 7088, aus: S. und K., S. 110.
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