Redensarten Lexikon
Horn
Von einer Frau, die die eheliche Treue bricht, sagt man: Sie setzt (pflanzt) ihrem Manne Hörner auf; der betrogene, ›Hörner tragende‹ Ehemann heißt ›Hahnrei‹, Hahnrei. Zur Erklärung dieser Redensarten sind mancherlei Vermutungen aufgestellt worden, ohne daß eine völlig befriedigende Lösung gefunden worden wäre.    Die Redensart kommt im Deutschen in verschiedenen Fassungen vor. Man sagt: Hörner setzen, aufsetzen, ansetzen, aufpflanzen, geben, machen oder Mit Hörnern krönen; auch ein Zeitwort Hornen oder Hörnen kommt in dieser Bedeutung vor. Neben der Mehrzahl begegnet auch die Einzahl: Ein Horn aufsetzen oder aufpflanzen; Abraham a Sancta Clara sagt dafür: »einem Manne ein lateinisches Y aufsetzen«. Der hintergangene Gatte ›trägt Hörner‹, ›Kriegt Hörner von seiner Frau‹, ›Wird mit einem Hörnerschmuck beehrt‹ (Goethe), ›Ihm wächst ein Horn auf seinem Haupt‹; man nennt ihn ›Hörnerträger, Hornträger, Hornhans, Hornbock‹. Entsprechend heißt es französisch ›porter des cornes‹, ›avoir des cornes‹, ›avoir des bois sur la tête‹. Von der treulosen Frau sagt man ›planter des cornes‹, ›mettre des cornes à qu‹. Der hintergangene Ehemann heißt cornard, Hörnerträger. Moliere nennt ihn im Scherze ›Seigneur Cornelius‹ mit Benutzung eines früher häufig angewendeten Wortspieles. England ›to horn‹, ›to hornify‹, ›to cornute‹ heißt: jemandem Hörner aufsetzen. Es kommt auch die Redensart vor: ›to bestow a pair of horns upon one's husband‹. Der betrogene Gatte heißt ›cornuto‹, Hörnerträger; ›he wears horns‹. Der, der ihn zum Hahnrei macht, heißt ›cornutor‹. Im Niederländischen sagt man wie im Deutschen ›Hoornen op zeten‹ oder ›horendrager‹. Italienisch heißt es ›avere le corna‹, ›far le corna‹, ›porre le corna‹; für Hahnrei: ›cornaro‹ und ›cornuto‹; ebenso spanisch ›cornudo‹; das Hörnersetzen heißt hier ›cornudar‹, ›encornudar‹, ›poner cuernos‹. Den Hahnrei verspottet man, indem man zwei Finger der Hand, meist wohl den zweiten und fünften, in Form von zwei Hörnern gegen ihn ausstreckt, oder man hält zwei Finger an die Stirn. Die Gebärde heißt ebenso ›den Esel bohren‹ oder ›den Gecken stechen‹. Dieselbe Handgebärde wird bei den Italienern auch zur Abwehr des bösen Blicks und andern Unheils gebraucht. Ein solcher stummer Vorwurf gilt als ausgemachte Ehrenkränkung.
   In früherer Zeit dachte man bei der Erklärung dieser Redensarten an die Erzählung von Aktaion, der von Artemis in einen Hirsch verwandelt wurde, als er die Göttin im Bade überraschte. Daher wird zuweilen von dem Aufsetzen eines Geweihs anstatt der Hörner gesprochen, wie in Kleists ›Zerbrochenem Krug‹: »Noch wachsen dir die Hirschgeweihe nicht«, oder bei Christ. Günther: »An diesem wächst der Hirsch durch jeden Ritz heraus«. Dieser Deutungsversuch ist ganz verfehlt, denn die jungfräuliche Göttin ist nicht die Gemahlin des Aktaion, sie kann ihn also auch nicht hintergehen; sie setzt ihm auch nicht nur Hörner auf, sondern verwandelt ihn völlig in einen Hirsch. Im Grimmschen Wörterbuch hat Moritz Heyne die Redensart vom gehörnten Mann auf eine mittelalterliche Legende zurückführen wollen. Doch wissen wir heute, daß Gebärde und sprichwörtliche Redensart schon im Altertum existierten, z.B. auf einem Wandbild in Pompeji, das vermutlich eine Komödienszene darstellt; es gibt ebenfalls schon antike Amulette dieser Artikel Einen gehörnten Sprachmeister (grammatikon kerasporon) verspottet schon der unter Nero lebende griechische Dichter Lukillios in einem Epigramm der ›Anthologia Palatina‹ (11, 278):

   Draußen lehrest des Paris und
   Menelaos Verdruß du,
   Deiner Helena drin dienen der Parise viel –.

Um das Jahr 1000 erscheint dafür die Bezeichnung keratias; nach der dem Kodinos zugeschriebenen Schilderung der Bauwerke von Konstantinopel stand dort nahe der Werft eine Statue mit vier Hörnern, die sich wunderbarerweise dreimal um sich selbst drehte, wenn ihr ein Hahnrei nahte. Von dem 1185 ermordeten Kaiser Andronikos I. Komnenos erzählt sein Biograph, daß er die Geweihe der von ihm erlegten Hirsche an den Eingängen zum Marktplatz zu Konstantinopel aufhängte, um damit die Ehemänner – leichtfertiger Frauen zu verspotten.
   Nach Sittl (›Die Gebärden der Griechen und Römer‹, Neudruck, S. 103) sollen die zwei ausgestreckten Finger auf zwei Männer der einen Frau hinweisen, und erst aus diesem Sinnbilde der Bigamie hätte sich die Vorstellung von Hörnern entwickelt. Glaubhafter ist ein direkter Vergleich des Ehemannes mit einem gehörnten Tier, etwa dem Ochsen oder dem Ziegenbock. Beim Ochsen wäre das tertium comparationis seine Dummheit, die indes im Altertum seltener betont wird als bei uns. Für den Ziegenbock ließe sich die spätere italienische Bezeichnung ›becco cornuto‹ (gehörnter Bock) des Hahnreis anführen; obwohl nun die hervorstechende Eigenschaft des Bockes, die Geilheit, vielmehr auf den Ehebrecher zu passen scheint als auf den Ehemann. Eine Bestätigung für diese Ableitung sieht Joh. Bolte in einer Stelle des lateinischen Sittenromans von Petronius. Bei dem Gastmahl des Trimalchio nämlich hält der Gastgeber einen Vortrag über die Bilder des Tierkreises und ihren Einfluß auf die in jedem Zeichen geborenen Menschen und rechnet den Steinbock unter die unglückbringenden Sternbilder, unter denen geplagte Leute geboren werden, denen vor lauter Kummer Hörner wachsen (»In capticorno aerumnosi, quibus prae mala sua cornua nascuntur«). Dazu stimmt die Angabe der Clementinischen Recognitiones, daß auch die unter dem Zeichen des Steinbocks geborenen Frauen von der Liebesgöttin zu Üblem verleitet werden.
   Beziehen sich nun die zwei Hörner auf die Zweiheit der Männer, oder liegt ein phallisches Zeichen vor? Bedeuten die Hörner einen Vergleich des betrogenen Ehemanns mit einem gehörnten Tier, also soviel wie: ›Du bist ein Rindvieh!‹, ›Hornochse‹ etc., oder bedeuten sie, daß der Gehörnte unter dem Sternzeichen des Steinbockes geboren und zu ehelichem Unglück bestimmt ist? Es ist auch gesagt worden, die Redensart sei aus einer Volksglaubensvorstellung erwachsen, wonach die Untreue der Frau sich durch ein Horn zeige, das ihrem Mann aus der Stirn wachse. Im ›Kolmarer Meisterleben‹ aus dem 14. Jahrhundert (55, 14) heißt es:

   swelch frouwe ir ê zebrach, als bald ez was geschehen,
   wie schier daz an irs mannes stirne wart ersehen!
   im wuohs ein horn, das wil ich in der wârheit jehen.
In einer anderen poetischen Bearbeitung der Sage (›Germania‹ 4, 237), ebenfalls aus dem 14. Jahrhundert, ist es eine Kaiserin, die ihren Mann betrügt:

   alsâ zehant man an dem Keiser wachsen sach,
   ûz sînem houbt ein horn, das muot in sêre (V. 19ff.).

Aber für alle diese Deutungsversuche fehlen wirklich überzeugende historische Belege. Wichtiger als die fast unlösbar erscheinende Ursprungsfrage der gehörnten Hand erscheint zunächst die Tatsache der Mehrdeutigkeit der Gebärde. Sie kann sowohl eine Ehrenkränkung mit erotischem Sinn meinen wie auch als magisches Abwehrzeichen gegen den bösen Blick gelten. Es erscheint zweifelhaft, ob die Gebärde der gehörnten Hand überhaupt eine Art ›Entwicklung‹ von einer zauberischen Abwehrgebärde zur Spottgeste durchgemacht hat, denn 1. hat diese Gebärde zum Teil bis heute noch den magischen Abwehrsinn zum Schutz gegen den bösen Blick, 2. scheint die gehörnte Hand andererseits z.B. schon auf etruskischen Grabmalereien des 6. vorchristlichen Jahrhunderts eine profane, aufs Erotische zielende Bedeutung gehabt zu haben. Abwehr- und Spottgesten schließen sich nicht aus, sondern erweisen immer wieder ihre innere Verwandtschaft. Vielfach haben Spottgebärden noch eine geschlechtliche Nebenbedeutung. Die sexuelle Komponente gehört aber keineswegs nur zum spöttischen Teilsinn der Gebärde. Vielleicht beruhte gerade auf ihr ursprünglich auch ein Teil der magischen Abwehrkraft, und vielleicht wollte man ursprünglich die magische Abwehrkraft der Gebärde gerade durch ihre geschlechtliche Bedeutung hervorrufen. Von der Abwehr zum Spott ist also nur ein kleiner Schritt, und die Doppelbedeutung wird dann beibehalten. Eine Zeichnung des niederländischen Malers Georg Hoefnaghel (1569) zeigt einen Hahnrei, wie er mit einem mächtigen Hirschgeweih mit Glöckchen auf dem Nacken, die Hände gebunden, auf einem Esel sitzt, den seine Frau, bis zum Gürtel entblößt, auf einem zweiten Esel reitend, mit einem Pflanzenstengel zu schnellerem Laufe antreibt; dabei ein Herold mit einer Trompete. Ein solcher Eselritt, und zwar meist ›verkehrt, statt des Zaumes den Schwanz in der Hand‹, wie es in Bürgers Ballade heißt, war schon im griechischen Altertum und bei den Indern eine Strafe für Ehebrecher und Ehebrecherinnen und ist auch im Mittelalter und später häufig vorgekommen. In Neapel ließ der spanische Statthalter Herzog von Ossuna einen vorsätzlichen Hahnrei »auf einen Esel ruckwärts setzen, zwey grosse Hörner auf das Haupt binden und in der Stadt herumb führen und durch den Diener sein Vergehen ausruffen« (Harsdörffer: ›Schauplatz lustreicher Geschichte‹,1660). In die Literatur haben den Hahnrei erst der Braunschweiger Herzog Heinrich Julius und der brandenburgische Pfarrer Ringwald (›Lautere Wahrheit‹, 1586) eingeführt. Durch die Schauspiele des Herzogs, der englischen Komödianten und die Hamburger Posse ›Hanenreyerey‹ vom Jahre 1618 war der Hahnrei eine wirksame, allgemeines Gelächter erregende Bühnenfigur geworden. Die Etymologie ist umstritten. Ausgangsbedeutung ist ›verschnittener Hahn‹, ›Kapaun‹, Hahnrei. Die Volksetymologie freilich verbindet den Hahnrei mit dem Hahnenreiter, wie er in der volkstümlichen Ikonographie häufig vorkommt.
   Das Problem, warum betrogene Ehemänner in europäischen Gesellschaften spöttisch als ›Gehörnte‹ bezeichnet werden, hat A. Blok aufgegriffen. Demnach gehört die Symbolik der Hörner vorzugsweise der Gebärdensprache des Mittelmeerraumes an, und zwar geht es nur um die Hörner des Ziegenbocks. In Italien, Spanien und Portugal wird der betrogene Ehemann mit dem Bock identifiziert (becco, cabron, cabrao). Der italienische Begriff becco ist synonym mit cornuto, d.h. Gehörnter, womit der Ehemann einer untreuen Frau bezeichnet wird. Auch in Spanien bezeichnen cornudo und cabron einen Mann, der sich der Untreue seiner Frau fügt. Der portugiesische Begriff cabrao ist ebenfalls gleichbedeutend mit cornudo in der doppelten Bedeutung von Bock und betrogenem Ehemann beziehungsweise Liebhaber. Die symbolische Bedeutung von Böcken und Widdern hat etwas mit den realen Verhaltensweisen dieser Tiere zu tun. Böcke dulden nämlich, ebenso wie betrogene Ehemänner, daß andere männliche Artgenossen über die Weibchen in ihrem Bereich sexuell verfügen. Ziegenhirten bestätigen, daß, wenn zwei Böcke um ein Weibchen kämpfen, der Sieger zuerst das Weibchen deckt und dann dem Verlierer dasselbe zugesteht. Einen Mann einen Bock (cabron) zu nennen, ist darum die schlimmste Beleidigung, die überhaupt möglich ist, denn hiermit wird angedeutet, daß er die Untreue seiner Frau hinnimmt.
   Anders als der Ziegenbock duldet dagegen der Widder keine Rivalen. Während zwei Ziegenböcke nötig sind, um fünfzig Ziegen zu decken, genügt schon ein Widder für dieselbe Anzahl Schafe. Seit dem klassischen Altertum ist der Widder bekannt für sexuelle Stärke und Ungestüm. In verschiedenen europäischen Sprachen deutet das Verb »rammen« noch immer die auffälligsten Merkmale dieses Tieres an. In der mediterranen Gesellschaft bilden Widder und Böcke eine binäre Opposition. Als Symbol der Ehre und Macht stellt der Widder das Gegenstück zum Ziegenbock dar, der ein Symbol der Scham ist: Dieser Gegensatz ist homolog zu den komplementären Oppositionen zwischen Schafen und Ziegen, rechts und links, gut und schlecht (vgl. Mt 25; Schaf).
   Der betrogene Ehemann ist ehrlos und zwar in mehr als einer Hinsicht. Die Untreue seiner Frau gibt Anlaß zum Zweifel nicht nur an seinen sexuellen Kapazitäten, sondern auch an seiner Fähigkeit, sie vor den Annäherungsversuchen anderer Männer zu beschützen, das heißt, der Fähigkeit, seine Frau zu kontrollieren und sein Alleinrecht auf sie geltend zu machen, ihre Keuschheit zu gewährleisten und damit auch die Immunität seiner Domäne. Die Ansprüche auf seine Frau erfolgreich zu behaupten bedeutet, andere Männer zu dominieren – dies sowohl aus der Sicht des Ehemannes, der seine Frau eifersüchtig bewacht, als auch aus der des Ehebrechers, der sich dem Ehemann an Macht überlegen zeigt. Daraus folgt die »Domestizierung« von Frauen, die so oft als eines der auffallendsten Merkmale aller mediterranen Gebiete betrachtet worden ist. Da sie sich zu anthropomorphem Symbolismus eignen, wurden die Verhaltensunterschiede zwischen Widdern und Böcken aufgegriffen, um Unterschiede zum Ausdruck zu bringen zwischen starken, potenten, mutigen Männern und Schwächlingen, die den Erfordernissen des Hirtenlebens nicht entsprechen. Es geht also nicht um die Symbolik des Hornes als solche. Diese reicht nicht aus, um auf die Analogie zwischen dem Bock und dem betrogenen Ehemann hinzuweisen, weil die Bedeutung des Symbols nur im Vergleich zum Symbol des Gegenstücks, des Widders, deutlich wird. In diesem Sinne versucht A. Blok darzulegen, daß die symbolische Bedeutung der Hörner des betrogenen Ehemanns oder des Gehörnten als ein integraler Bestandteil eines ursprünglich von Hirtenvölkern stammenden Ehrencodex, der Männlichkeit und körperliche Stärke betont, verstanden werden muß. Er beruht auf dem Gegensatz von Widdern und Böcken.
   Sich die Hörner noch nicht abgelaufen (auch abgestoßen) haben: noch im Jugendübermut stecken, noch keine Erfahrungen (besonders in der Liebe) gesammelt haben. Die Redensart stammt aus dem studentischen Brauch und bezieht sich auf die während des 16. und 17. Jahrhunderts auf allen deutschen Universitäten an den neu eintretenden Studenten vollzogene, oft recht rohe Aufnahmefeier. Bei dieser ›Deposition‹ spielten Hörner eine Rolle: Der Neuling, der Bacchant oder Beanus (Bec jaune), wurde als ein Bock, eine ›bestia cornuta‹, mit Hörnern, Zähnen und Bart verkleidet, und dann wurden ihm unter besonderen Zeremonien die Hörner abgesägt, die Zähne ausgezogen und der Bart abgeschnitten. Hier bedeutete also der Hörnerschmuck des angehenden Studenten, den Eselsohren der Narrenkappen vergleichbar, die tierische Vorstufe seines Daseins, der er durch jenen symbolischen Weiheakt entrückt werden sollte.
»Wenn sie die Hörner abgeworfen haben, werden sie schon von sich selbsten geschmeidig« (Joh. G. Schoch: ›Comedia vom Studentenleben‹,1657). Christ. Weise schreibt 1673 in dem Roman ›Drei Erznarren‹ (Neudruck S. 79): »Es würde sich auch mit diesen jungen Liebhabern schicken, wenn sie die Hörner etwas würden abgelauffen haben«. Zum Teil war dieser Brauch der studentischen ›Deposition‹ noch bis spät ins 18. Jahrhundert in Geltung. Das Gesicht der Kandidaten wurde zum Teil geschwärzt, auf dem Hut trugen sie Hörner, die Ohren wurden künstlich verlängert. Bei der Initiation mußten sie sich dann die Hörner abstoßen, indem sie mit dem Kopf gegen eine Türe oder Säule rannten. Aus dem Jahre 1713 stammt eine Schilderung des Deponierens eines Studenten mit bildlichen Darstellungen. Zu einem Detail daraus gehört folgende strophe:

   Mit dem Bacchantengeist
   Solls jetz und seyn schabab,
   Deßwegen schläget man
   Die stolzen Hörner ab.

In anderen Redensarten ist das Horn einfach ein Zeichen der (tierischen) Kraft, z.B. Einem die Hörner zeigen: ihm kräftig entgegentreten (vgl. ›Die Zähne zeigen‹), wie Stier oder Hirsch, wenn sie gereizt werden, den Kopf senken, als ob sie dem Gegner zunächst ihre Waffe zeigen wollten. Oft bei Luther. Ebenso lateinisch ›cornua obvertere alicui‹ = einem die Hörner zuwenden (Plautus).
   Vgl. französisch ›montrer les cornes à quelqu'un‹, nur im Sinne von verspotten, wobei man beide Hände in Hörnerform an die Schläfen setzt.
   Sich mit Hörnern und Klauen zur Wehr setzen: sich hartnäckig bis zum Äußersten verteidigen.
   Einem die Hörner schaben: seine Waffen unbrauchbar machen. So bei Luther (›Tischreden‹ 4, 277b): »Aber es sollen ihm die hörner geschabt werden, da er nicht wirt aufhören«.
   Er steckt die Hörner auf: er fängt an zu drohen.
   Die englische Wendung ›to be on the horns of a dilemma‹ hingegen deutet darauf hin, daß jemand sehr wohl auf die Hörner eines Tieres, z.B. eines wilden, ›stößigen‹ Bockes geraten kann.
   Den Stier bei den Hörnern fassen (oder packen): eine Sache mutig bei ihrer gefährlichsten, schwierigsten Seite anpacken; seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bezeugt. Etwas auf seine Hörner nehmen die Folgen einer Sache auf sich nehmen (heute dafür meist: ›Etwas auf seine Kappe nehmen‹, Kappe); schon im 17. Jahrhundert in übertragenem Sinne belegt; eigentlich vom Zugvieh.
   Zu viel auf seine Hörner nehmen sich mit Arbeit überhäufen.
   Horn steht auch als pars pro toto für ›Rind‹, wie ›Huf‹ für ›Pferd‹ steht. so heißt es bei Uhland: »In eure Stadt soll kommen kein Huf und auch kein Horn«. Schwäbisch sagt man von einem Vielfraß: ›er frißt einen Ochsen bis an die Hörner‹, und ›horndumm‹ ist eine Steigerung von ›dumm‹.
   Das Horn als Blasinstrument ist gemeint in der Redensart In jemandes Horn blasen: genau reden wie er, ihm beistimmen; richtiger ist eigentlich die Form Ins gleiche Horn blasen (in der Frühentwicklung unserer Blasinstrumente hatte jedes Horn nur eine Tonart), gemeint ist also kein ›Ventilhorn‹, sondern ein Horn wie das des Nachtwächters, das nur einen einzigen Ton von sich gibt. Das zeigt sich besonders gut an der siebenbürgisch-sächsischen Redensart ›Se blôsen än î Loch‹, sie halten zusammen, haben dieselbe Meinung. Schon Luther gebraucht die Wendung: »Nicht mit ihnen heulen und in ein Horn blasen«, und 1649 steht in ›Augenmerk und Rebellionsspiegel‹ (13): »Allen particulir Haß und Nutz sollen die Potentaten itzo billich auff eine seit setzen, Friede machen, und in ein Horn blasen (wie man zu sagen pflegt) zum Verderb dieser Sectierer und Unchristen«.
   Im Norddeutschen sagt man: ›Ins gleiche Horn tuten‹. Dies läßt noch eine andere Deutung zu: Schon in der Bronzezeit gab es im Norden Blasinstrumente aus Bronze, die – gut erhalten – wieder aufgefunden wurden (Luren). Die Mehrzahl aller Funde war paarig, und das Paar war jeweils auf den gleichen Grundton gestimmt. so konnten die Bläser ›ins gleiche Horn tuten‹.
   Auf (Treib-)Jagden über größere Reviere werden auch heute noch (Jagd-)Signale weitergegeben, indem die Bläser ›ins gleiche Horn tuten‹.

• H. DUNGER: ›Hörner aufsetzen‹ und ›Hahnrei‹, in: Germania, Vierteljahrsschrift für Deutsche Altertumskunde 29 (1884), S. 59-70; FLÖGEL- BAUER: Geschichte des Grotesk-Komischen, Band II, S. 186ff.; JOH. BOLTE: Der Hahnrei, Bilderbogen des 16. und 17. Jahrhunderts, in: Zeitschrift des Vereins für Volkskunde 19 (1909),S. 63-82; Handbuch des Aberglaubens III, Spalte 332; L. RÖHRICH: Gebärdensprache und Sprachgebärde, S. 129ff.; P. FALK: Le couvre- chef comme symbole du mari trompé, in: Studia Neophilologica, 33, Nr. 1 (1961), S 39-68; M. LURKER: Artikel ›Horn‹, in: ders.: Wörterbuch biblischer Bilder und Symbole (München 1973), S. 158-160; A. BLOK: Widder und Böcke – ein Schlüssel zum mediterranen Ehrkodex, in: H. Nixdorff und Th. Hauschild (Hrsg.): Europäische Ethnologie (Berlin 1982), S. 165-183; S. DE RACHEWILTZ: Artikel ›Horn‹, in: Enzyklopädie des Märchens VI, Spalte 1249-1256.}

Einem Hörner aufsetzen. Rötelzeichnung von Georg Hoefnaghel, 1569.
Einem Hörner aufsetzen. ›Hörndl-Verkäufer‹, ein Spottbild auf betrogene Ehemänner. Kolorierte Radierung nach einem französischen Kupferstich (18. Jahrhundert). Aus: Ludwig Knoll: Kulturgeschichte der Erotik, Bd. IV. Rastatt o.J., S. 986.

Einem Hörner aufsetzen. Zeichnung von Tomi Ungerer, aus: ders.: Adam & Eva, Zürich 1974, S. 103.

Einem Hörner aufsetzen. Mittelalterliche Miniatur, aus: Ms.lat. 3898f. 397, Paris, Bibliothèque nationale.

Einem Hörner aufsetzen. Französische Karikatur, 1830: ›Sieht er so nicht niedlich aus?‹ Aus: Eduard Fuchs: Die Frau in der Karikatur. Sozialgeschichte der Frau, 3. Auflage Frankfurt 1973, S. 103, Abbildung 89.

Gehörnte Hand. Far le Corna, Wandmalerei aus Pompeji, nach: Grete Grossmann: Über die Handamulette der von Portheim-Stiftung in Heidelberg, in: Oberdeutsche Zeitschrift für Volkskunde 5, 1931.

Auf die Hörner nehmen. Radierung von Goya (1804?): Blinder auf den Hörnern eines Stieres.
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