Redensarten Lexikon
Heu
dient sprichwörtlich zur Bezeichnung einer großen Menge: Er hat Geld wie Heu (Lessing, ›Minna von Barnhelm‹ III, 5): Sein Heu herein (auch im Trockene) haben: sein Geschäft gemacht, viel Geld verdient haben. In einigen anderen Redensarten kommt Heu in Beziehung zu unsinnigem Tun und in Bildern für eine ›verkehrte Welt‹ vor, z.B. ›as't Hoi blöit‹ (wenn das Heu blüht), d.h. niemals, am St. Nimmerleinstag; Das Heu zwischen die Hörner legen: etwas Unsinniges tun; ebenso Das Heu läuft dem Pferd nach. Da wird kein Heu dürr: man gibt sich vergebliche Mühe; Das Heu auf dem Ofen trocknen.    Er weiß das Heu auf seine Gabel zu bringen: er nutzt seine Vorteile aus. Er ist besser als lang Heu zu laden: er läßt sich leicht überreden, für einen Zweck gebrauchen. Heu und Stroh im Kopf haben: sehr dumm sein.
   Er hat Heu an den Hörnern: nimm dich vor ihm in acht! Ähnlich in Fischarts ›Gargantua‹ (153a): »du hast uns recht das heu zwischen das horn gelegt«. Eigentlich von einem bösen Ochsen gesagt, dem der Treiber, um die Vorübergehenden zu warnen, ein Bündel Heu an den Hörnern befestigt hat. Ebenso schon lateinisch ›foenum habet in cornu‹.
   Wenn jemand gähnt, sagt man ironisch übertreibend: ›Hu, da kann doch ein Heuwagen 'reinfahren!‹
   Heu (verdorrtes Gras) gilt als Symbol des Nichts, des Leeren, Unfruchtbaren, der Vanitas. Auf dem ›Heuwagen-Diptychon‹ von Hieronymus Bosch versucht jeder, einen Teil des Heus an sich zu raffen, wobei das so offenbar Erstrebenswerte, das flüchtige Glück, der weltliche Genuß seine Nichtigkeit erweist: ›Die Welt ist ein Heuwagen‹. Vgl. die südtirolische Wendung ›Die Welt isch a Haistock: wer mear roaderfrißt, hat mear‹.
   Der Bezug zu dem biblischen Vergleich in Ps 90,6 und Ps 103,15: »Ein Mensch ist in seinem Leben wie Gras ...« ist in der bildlichen Darstellung deutlich. Ähnlich kann der Vers: »Ze hewe wart sin grüenez gras« bei Hartmann v. Aue im ›Armen Heinrich‹ als Vergänglichkeitsmetapher in Zusammenhang mit den genannten Stellen in den Psalmen gedeutet oder auch als Bild für den Aussatz verstanden werden.
   Ins Heufahren: zu erotischen Abenteuern unterwegs sein, ist eine beliebte Metapher zur Umschreibung des Ehebruchs in der Schwankballade (vgl. E.B. 150).
   Das Bett der Liebenden auf dem Heuwagen hat bereits Hieronymus Bosch dargestellt. Bei Gottfried Keller hat in ›Romeo und Julia auf dem Dorfe‹ das Heuschiff als Bett der Liebenden, von dem sie ins Wasser gleiten, eine ähnliche Funktion. Ein Gedicht von Christoph Meckel erscheint als lyrische Gottfried-Keller-Reminiszenz – wie W. Mieder gezeigt hat –, in dem es heißt: »Oben im Heu die Liebenden schlafen«.

• H. ROSENFELD:›Ze hewe wart sîn gruenez gras‹. Zu Hartmanns ›Armen Heinrich‹ E 70-75 und dem Sinnbereich dieser Metapher, in: Zeitschrift für deutsches Altertum 101 (1972), S. 133-142; V. MERTENS: Noch einmal: Das Heu im ›Armen Heinrich‹ (E 73/B 143), in: Zeitschrift für deutsches Altertum 104 (1975), S. 293-306; K. ROTH: Ehebruchschwänke in Liedform (Motive. Freiburger folkloristische Forschungen 9) (München 1977), Typ D 24 und 25; W. DANCKERT: Symbol, Metapher, Allegorie im Lied der Völker, Teil III: Pflanzen (Bonn-Bad Godesberg 1978), S. 878-901; W. MIEDER: »Oben im Heu die Liebenden schlafen«. Christoph Meckels lyrische Gottfried-Keller-Reminiszenz, in: Sprachspiegel 4 (1985), S. 108-112.}

Das Heu läuft dem Pferd nach. Rundbild von Pieter Bruegel d.Ä. aus der Serie: ›Zwoelf vlaemische Sprichwörter‹.
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