Redensarten Lexikon
Herz
Zahlreiche Redensarten beruhen auf der alten Auffassung des Herzens als dem Sitz der Empfindung, auch des Mutes: Einem ans Herz gewachsen sein; ihn sehr lieb haben; vgl. französisch ›tenir a cœur à quelqu'un‹; ähnlich: Jemandem im (am) Herzen liegen; vgl. das Volkslied:
Du, du liegst mir im Herzen,
Du, du liegst mir im Sinn ...
Auch: Jemanden im Herzen tragen; vgl. französisch ›porter quelqu'un dans son cœur‹. Dagegen: Ein Kind unter dem Herzen tragen: schwanger sein, ⇨ Kind.
Das Herz entzünden: Liebe und Leidenschaft entfachen.
Das Herz ist entflammt: es entbrennt in Liebe für jemanden, ⇨ Liebe.
Einem sein Herz schenken: ihm seine Zuneigung und Liebe geben; vgl. französisch ›donner son cœur à quelqu'un‹.
Sein Herz für jemanden (etwas) entdecken: sich der Liebe, des Interesses bewußt werden; ähnlich: Sein ganzes Herz an jemanden (etwas) hängen: nur noch dafür dasein, seine ganze Begeisterungsfähigkeit jemandem (einer Aufgabe, Sache) zuwenden.
Jemanden an sein Herz drücken: ihn zärtlich, voller Freude umarmen. Viel Herz haben, auch: Ein großes Herz haben: für die Sorgen anderer offen, hilfsbereit sein, seinen Mitmenschen (Notleidenden) Unterstützung und Zuwendung geben; vgl. auch: Ein Herz für Kinder haben und den modernen Slogan ›Ein Herz für Tiere‹.
Die Redensart Ein weites Herz besitzen und die scherzhaft gemeinte Wendung Einmal an Herzerweiterung sterben zielen auf den Liebling der Frauen, der in der Lage ist, seine Liebe gleich mehreren zu schenken. Das Herz verstricken: unlösbar gebunden, in Liebe, Leidenschaft, auch: Schuld oder Haß gefangen werden. Sich etwas zu Herzen nehmen: etwas sehr ernst nehmen; vgl. französisch ›prendre quelque chose à cœur‹. Dagegen hört man oft den Rat, jemand solle Sich nicht alles so (zu sehr) zu Herzen nehmen: sich nicht zu viele Sorgen machen, ein Mißgeschick leichter, einen Tadel nicht allzu ernst nehmen und nicht gleich alles schwarz sehen.
Etwas nicht übers Herz bringen: sich nicht dazu durchringen können, zuviel Mitleid haben; Es drückt ihm fast das Herz ab; Nicht an Herzdrücken sterben: offen heraussagen, was man denkt, was einen wurmt; ähnlich Seinem Herzen Luft machen: seine Enttäuschung (Wut) äußern, sich erleichtern.
Seinem Herzen einen Stoß geben: die ängstliche oder vorsichtige Natur in sich durch einen plötzlichen Entschluß überwinden; Das Herz in die Hand (oder in beide Hände) nehmen: sich zusammennehmen (ebenso französisch ›prendre son cœur à deux mains‹; auch: ›prendre son courage à deux mains‹); Sich ein Herz fassen: Mut zeigen; auch: Das Herz zu etwas haben: mutig sein, etwas wagen.
Jemand (niemand) ins Herz sehen können: seine wahren Gefühle (nicht) erkennen; vgl. hierzu die Strophe aus dem Lied ›Kein Feuer, keine Kohle‹, in der es heißt:
Setze du mir einen Spiegel
ins Herze hinein,
damit du kannst sehen,
wie so treu ich es mein'.
Dagegen Das Herz in der Hand tragen: ›Offenherzig‹ sein; dafür gewöhnlich Das Herz auf der Zunge tragen: alles verraten, was in einem vorgeht. So heißt es schon lateinisch in der Bibel (Koh 21,29): »in ore fatuorum cor illorum, et in corde sapientium os illorum«. In der Übersetzung bei Luther: »Die Narren haben ihr Herz im Maul, aber die Weisen haben ihren Mund im Herzen«.
Ganz ähnlich meint schon um 1300 Hugo von Trimberg im Lehrgedicht ›Renner‹:
Tôren herze lît im munde,
der wîsen munt im herzen grunde.
Goethe dichtet:
Die Lust zu reden kommt zu rechter Stunde,
Und wahrhaft fließt das Wort aus Herz und Munde.
Mit doppeltem Tadel sagt 1639 Lehmann S. 719 (›Schwätzer‹ 8): »Mancher hat sein Hertz im Maul, mancher hat sein Maul im Hertzen«. Vgl. französisch ›avoir le cœur sur les lèvres‹.
Das Herz auf dem rechten Fleck haben: ein tüchtiger, braver, uneigennütziger und hilfsbereiter Mensch sein; vgl. französisch ›avoir le cœur bien placé‹. Dem Feigling Fällt (rutscht) das Herz in die Hosen (oder in die Stiefel); ähnlich schon lateinisch: ›animus in pedes decidit‹. Als die Studenten auf der Wartburg eine Ulanenfigur nebst Korporalstock, Haarzopf und Schnürleib, den Zeichen teils der Unfreiheit, teils welscher Sitte ins Feuer warfen, sangen sie dazu die Verse:
Es hat der Held- und Kraftulan
Sich einen Schnürleib angetan.
Damit das Herz dem guten Mann
Nicht in die Hosen fallen kann.
Die Hose als Richtungsangabe, wohin der Mut sinkt, hängt mit der umgangssprachlichen Gleichsetzung von Mutlosigkeit (Angst, Feigheit) mit Durchfall oder beschmutzter Hose zusammen; vgl. französisch ›Il en fait dans son froc‹ (Er macht dabei in die Hose). Ihm fällt das Herz in die Schuhe: er wird mutlos; die Redensart ist eine im 19. Jahrhundert (1856 bei Wilh. Heinrich Riehl) aufgekommene steigernde Parallelbildung zu dem vorigen Ausdruck. Der Mut ist noch tiefer gesunken als im vorhergehenden Fall.
Sein Herz ausschütten: sich aussprechen, alles heraussagen, was man auf dem Herzen hat; vgl. französisch ›ouvrir son cœur à quelqu'un‹. Hier ist das Herz als ein Gefäß gedacht, wie man ja auch von einem ›überquellenden Herzen‹ redet und wie es Mt 12,34 heißt: »Wes das Herz voll ist, des gehet der Mund über«. Ähnlich schon 1 Sam 1,15: »Nein, mein Herr, ich bin ein betrübtes Weib. Wein und starkes Getränk habe ich nicht getrunken, sondern habe mein Herz vor dem Herrn ausgeschüttet«; und in Ps 42,5: »Wenn ich denn des innewerde, so schütte ich mein Herz aus bei mir selbst ...«
Aus seinem Herzen keine Mördergrube machen: offenherzig sein; vgl. Mt 21,13: »Mein Haus soll ein Bethaus heißen; ihr aber habt eine Mördergrube daraus gemacht« (ähnlich schon Jer 7,11: »Haltet ihr dies Haus, das nach meinem Namen genannt ist, für eine Mördergrube?«; vgl. Goethes ›Götz von Berlichingen‹ I, Bischofszene.
Auch Am Herzen, auf dem Herzen (französisch ›sur le cœur‹) liegen und lasten die Gedanken; schon der griechische Dichter Äschylus (525-456 v. Chr.) hat die Sorgen »Nachbarn des Herzens« genannt, und Wolfram von Eschenbach beginnt seinen ›Parzival‹ mit den Worten:
Ist zwîvel herzen nâchgebûr,
daz muoz der sêle werden sûr.
Viel auf dem Herzen haben: gleich mehrere Anliegen oder Kümmernisse haben. Jemandem eine Sache ans Herz legen: ihn bitten, sich besonders darum zu kümmern.
Jemandem das Herz schwermachen: ihm großen Kummer zufügen. Vgl. Gretchens Lied am Spinnrade mit der Sehnsucht nach dem Geliebten im Herzen:
Meine Ruh ist hin,
Mein Herz ist schwer;
Ich finde sie nimmer
Und nimmermehr.
(›Faust‹ I, Gretchens Stube).
Jemandem das Herz brechen: ihn todunglücklich machen; dagegen: Nicht an gebrochenem Herzen sterben: etwas leicht nehmen, nicht lange einer vergangenen Liebe nachtrauern. Schon viele Herzen gebrochen haben: viele Frauen geliebt, betrogen, verlassen und unglücklich gemacht haben. Die Redensart Das Herz im Leibe will zerspringen begegnet mehrfach im Grimmschen Märchen (Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm 6, Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm 56, 89 und 166).
Jemandem blutet das Herz: er ist schmerzlich betroffen, auch: er gibt etwas nur ungern her, was ihm besonders teuer war.
Sich etwas (jemanden) aus dem Herzen reißen: die Erinnerung (Liebe) gewaltsam verdrängen.
Von ganzem Herzen und von ganzer Seele steht zum ersten Male Dtn 4,29. Bei Mt 23,37 finden wir den Ausdruck dann in der noch volleren und vielleicht häufiger zitierten Form: »Von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüte«. Vgl. französisch ›De tout son cœur et de toute son âme‹.
Wenig, aber von Herzen sagt man nach Tob 4,9: »Hast du viel, so gib reichlich; hast du wenig, so gib doch das Wenige mit treuem Herzen«; ähnlich: ›Wenig, aber mit Liebe‹.
Einen ins Herz schließen. Der Vergleich des Herzens mit einem Schrein und das dazugehörige Bild vom Herzensschlüssel spielt in Volkslied, Märchen und Redensart eine große Rolle. Eines der ältesten deutschen Liebeslieder (aus einer Tegernseer Handschrift) lautet:
Dû bist mîn, ich bin dîn:
des solt dû gewis sîn,
Du bist beslozzen in mînem herzen;
verlorn ist daz sluzzelin:
Du muost immer drinne sîn.
Nach 2 Sam 12,5 sagen wir Jemandem das Herz stehlen und nennen den, der es tut, Herzensdieb. Vgl. französisch ›voler le cœur de quelqu'un‹.
Jemandem geht das Herz auf, auch: Jemandem lacht das Herz im Leibe: er ist voller Freude, ist überglücklich.
Auch die Frage des Glücklichen: Herz, was begehrst du nun? wird formelhaft im Märchen verwendet, z.B. in Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm 46, 83, 85 und 110.
Jemandem aus dem Herzen gesprochen sein: ganz in seinem Sinne sein. Die Herzen (aller) schlagen jemandem entgegen (fliegen ihm zu): er versteht es, Begeisterung und Sympathie zu erregen.
Aller Herzen schlagen höher: sie sind voll freudiger Erwartung.
Ein Herz und eine Seele sein: von gleicher Gesinnung und Meinung sein, beruht auf Apg 4,32.
›Sie hat ihr Herz entdeckt‹ ist der Titel eines Lustspiels (1865) von Wolfgang Müller von Königswinter (1816-73).
Einen auf Herz und Nieren prüfen: von Grund aus prüfen; die Redensart ist biblischen Ursprungs und beruht auf Ps 7,10 (vgl. auch Jer 11,20 u.ö. sowie Offb 2,23); Das Herz wiegen: die Gesinnung prüfen
(vgl. Schillers Soldatenlied aus ›Wallensteins Lager‹, wo es heißt: »Da wird das Herz noch gewogen«).
Häufig ist auch Herz in redensartlichen Vergleichen: ›Ein Herz wie ein Stein‹, so schwer, ›Wie eine Drossel‹, so leicht, so beschwingt, ›Wie ein Schnebersbrot‹, ›Wie eine kalte Wassersuppe‹, ›Wie ein Taubenhaus‹, ›Wie ein Lämmerschwanz‹.
Ein Herz von Stein haben: sich nicht rühren lassen, empfindungslos für Schmerz oder Freude sein, keinerlei Mitleid zeigen, vgl. ›hartherzig sein‹.
Literarisch hat dies W. Hauff in seinem Märchen ›Das kalte Herz‹ (1828) besonders einprägsam konkretisiert.
Jemandem ist ein (schwerer) Stein vom Herzen gefallen, ⇨ Stein: er ist eine drückende Sorge los, vgl. auch Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm 31 und 97.
Es geht ihm handhoch (eine Handbreit) über dem Herzen weg: der Mund spricht das Gegenteil von dem, was das Herz fühlt.
Niederdeutsch ›Rüm Hart, klor Kimmung!‹, weites Herz, klare Sicht!; stammt aus der Seemannsprache.
Etwas im Herzen bewegen: etwas immer wieder bedenken und in Erinnerung bewahren, bezieht sich auf Luthers Bibelübersetzung (Mk 2,19): »Maria aber behielt alle diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen«. Die ›moderne‹ und korrektere Übersetzung »... bedachte sie in ihrem Herzen« ist viel schwächer.
Die Wendungen ›Das Herz zwingen‹: jemanden bezwingen, und ›Herz zu Herzen schaffen‹: jemandem (in Liebe, Freundschaft, auch: Begeisterung) vermitteln, übereinstimmende Gefühle erwecken, literarisch bei Goethe (Faust I, Szene mit Wagner):
Wenn ihr's nicht fühlt, ihr werdet's nicht erjagen,
Wenn es nicht aus der Seele dringt
Und mit urkräftigem Behagen
Die Herzen aller Hörer zwingt ...
Und ebenda:
Doch werdet ihr nie Herz zu Herzen schaffen,
Wenn es euch nicht von Herzen geht.
• A. HERMANN: Das steinharte Herz. Zur Geschichte einer Metapher, in: Jahrbuch für Antike und Christentum 4 (1961), S. 77-107; H. NIEDERMEIER: Die Herzsymbolik in der Volksfrömmigkeit des Mittelalters in: Bayerisches Jahrbuch für Volkskunde (1968).S. 58 -64; E. BOEHRINGER (Hrsg): Das Herz – im Umkreis des Glaubens – Im Umkreis der Kunst – im Umkreis des Denkens, 3 Bände (Biberach o.J.); G. BAUER: Claustrum Animae. Untersuchungen zur Geschichte der Metapher vom Herzen als Kloster, Band I: Entstehungsgeschichte (o.O. 1973); G. BOTT: Von ganzem Herzen. Kleine Kulturgeschichte des Herzens (Nürnberg 1984); K.
DÜWEL: Artikel ›Herz‹, in: Enzyklopädie des Märchens VI., Spalte 923-929; Zur Symbolik des Herzens und des Raumes. Akten des. 6. und 7. Symposions der Gesellschaft für Symbolforschung. Bern 1988, Zürich 1989, hg. von A. Zweig im Namen der Gesellschaft für Symbolforschung (=Schriften zur Symbolforschung, Band 6) (Bern u.a. 1991).
Das Herz abdrücken. ›Die Demütigung des Herzens‹, Emblem aus: Benedict van Haeften: Schola cordis, Antwerpen 1629, in: Herz, Bd. 2, S. 72.
Jemanden im Herzen tragen. Hl. Gertrud, die das Christuskind im Herzen trägt, Kupferstich von Paul Seel. um 1700, in: Herz, Bd. 1, Tafel VIII.
Ob sie (wohl) ein Herz hat?. Amerikanische Karikatur von E.D. Gibson, ›Life‹ 1900. Aus: Eduard Fuchs: Die Frau in der Karikatur, München 1906, S. 44.
Das Herz entzünden. Emblem aus: Benedict van Haeften: Schola cordis, Antwerpen 1629: Die Menschenseele opfert ihr Herz, in: Herz, Bd. 2, S. 82.
Einem sein Herz schenken. Backmodel, 1. Hälfte 18. Jahrhundert, Privatbesitz, in: Herz, Bd. 2, S. 158.
Das Herz wiegen. Emblem aus: Benedict van Haeften: Schola cordis, Antwerpen 1929, in: Herz, Bd. 2, S. 72.
Das Herz reinmachen. Kupferstich von Anton Wierix: ›Jesus cor expurgans‹. Aus: Mario Praz: Studies in Seventeenth-Century Imagery, 2. Ed. Roma 1964, S. 153, Abbildung 61.
Mit den Herzen nur ein Spiel treiben. Alte Bildpostkarte, Reprint 1977.
Du, du liegst mir im Herzen,
Du, du liegst mir im Sinn ...
Auch: Jemanden im Herzen tragen; vgl. französisch ›porter quelqu'un dans son cœur‹. Dagegen: Ein Kind unter dem Herzen tragen: schwanger sein, ⇨ Kind.
Das Herz entzünden: Liebe und Leidenschaft entfachen.
Das Herz ist entflammt: es entbrennt in Liebe für jemanden, ⇨ Liebe.
Einem sein Herz schenken: ihm seine Zuneigung und Liebe geben; vgl. französisch ›donner son cœur à quelqu'un‹.
Sein Herz für jemanden (etwas) entdecken: sich der Liebe, des Interesses bewußt werden; ähnlich: Sein ganzes Herz an jemanden (etwas) hängen: nur noch dafür dasein, seine ganze Begeisterungsfähigkeit jemandem (einer Aufgabe, Sache) zuwenden.
Jemanden an sein Herz drücken: ihn zärtlich, voller Freude umarmen. Viel Herz haben, auch: Ein großes Herz haben: für die Sorgen anderer offen, hilfsbereit sein, seinen Mitmenschen (Notleidenden) Unterstützung und Zuwendung geben; vgl. auch: Ein Herz für Kinder haben und den modernen Slogan ›Ein Herz für Tiere‹.
Die Redensart Ein weites Herz besitzen und die scherzhaft gemeinte Wendung Einmal an Herzerweiterung sterben zielen auf den Liebling der Frauen, der in der Lage ist, seine Liebe gleich mehreren zu schenken. Das Herz verstricken: unlösbar gebunden, in Liebe, Leidenschaft, auch: Schuld oder Haß gefangen werden. Sich etwas zu Herzen nehmen: etwas sehr ernst nehmen; vgl. französisch ›prendre quelque chose à cœur‹. Dagegen hört man oft den Rat, jemand solle Sich nicht alles so (zu sehr) zu Herzen nehmen: sich nicht zu viele Sorgen machen, ein Mißgeschick leichter, einen Tadel nicht allzu ernst nehmen und nicht gleich alles schwarz sehen.
Etwas nicht übers Herz bringen: sich nicht dazu durchringen können, zuviel Mitleid haben; Es drückt ihm fast das Herz ab; Nicht an Herzdrücken sterben: offen heraussagen, was man denkt, was einen wurmt; ähnlich Seinem Herzen Luft machen: seine Enttäuschung (Wut) äußern, sich erleichtern.
Seinem Herzen einen Stoß geben: die ängstliche oder vorsichtige Natur in sich durch einen plötzlichen Entschluß überwinden; Das Herz in die Hand (oder in beide Hände) nehmen: sich zusammennehmen (ebenso französisch ›prendre son cœur à deux mains‹; auch: ›prendre son courage à deux mains‹); Sich ein Herz fassen: Mut zeigen; auch: Das Herz zu etwas haben: mutig sein, etwas wagen.
Jemand (niemand) ins Herz sehen können: seine wahren Gefühle (nicht) erkennen; vgl. hierzu die Strophe aus dem Lied ›Kein Feuer, keine Kohle‹, in der es heißt:
Setze du mir einen Spiegel
ins Herze hinein,
damit du kannst sehen,
wie so treu ich es mein'.
Dagegen Das Herz in der Hand tragen: ›Offenherzig‹ sein; dafür gewöhnlich Das Herz auf der Zunge tragen: alles verraten, was in einem vorgeht. So heißt es schon lateinisch in der Bibel (Koh 21,29): »in ore fatuorum cor illorum, et in corde sapientium os illorum«. In der Übersetzung bei Luther: »Die Narren haben ihr Herz im Maul, aber die Weisen haben ihren Mund im Herzen«.
Ganz ähnlich meint schon um 1300 Hugo von Trimberg im Lehrgedicht ›Renner‹:
Tôren herze lît im munde,
der wîsen munt im herzen grunde.
Goethe dichtet:
Die Lust zu reden kommt zu rechter Stunde,
Und wahrhaft fließt das Wort aus Herz und Munde.
Mit doppeltem Tadel sagt 1639 Lehmann S. 719 (›Schwätzer‹ 8): »Mancher hat sein Hertz im Maul, mancher hat sein Maul im Hertzen«. Vgl. französisch ›avoir le cœur sur les lèvres‹.
Das Herz auf dem rechten Fleck haben: ein tüchtiger, braver, uneigennütziger und hilfsbereiter Mensch sein; vgl. französisch ›avoir le cœur bien placé‹. Dem Feigling Fällt (rutscht) das Herz in die Hosen (oder in die Stiefel); ähnlich schon lateinisch: ›animus in pedes decidit‹. Als die Studenten auf der Wartburg eine Ulanenfigur nebst Korporalstock, Haarzopf und Schnürleib, den Zeichen teils der Unfreiheit, teils welscher Sitte ins Feuer warfen, sangen sie dazu die Verse:
Es hat der Held- und Kraftulan
Sich einen Schnürleib angetan.
Damit das Herz dem guten Mann
Nicht in die Hosen fallen kann.
Die Hose als Richtungsangabe, wohin der Mut sinkt, hängt mit der umgangssprachlichen Gleichsetzung von Mutlosigkeit (Angst, Feigheit) mit Durchfall oder beschmutzter Hose zusammen; vgl. französisch ›Il en fait dans son froc‹ (Er macht dabei in die Hose). Ihm fällt das Herz in die Schuhe: er wird mutlos; die Redensart ist eine im 19. Jahrhundert (1856 bei Wilh. Heinrich Riehl) aufgekommene steigernde Parallelbildung zu dem vorigen Ausdruck. Der Mut ist noch tiefer gesunken als im vorhergehenden Fall.
Sein Herz ausschütten: sich aussprechen, alles heraussagen, was man auf dem Herzen hat; vgl. französisch ›ouvrir son cœur à quelqu'un‹. Hier ist das Herz als ein Gefäß gedacht, wie man ja auch von einem ›überquellenden Herzen‹ redet und wie es Mt 12,34 heißt: »Wes das Herz voll ist, des gehet der Mund über«. Ähnlich schon 1 Sam 1,15: »Nein, mein Herr, ich bin ein betrübtes Weib. Wein und starkes Getränk habe ich nicht getrunken, sondern habe mein Herz vor dem Herrn ausgeschüttet«; und in Ps 42,5: »Wenn ich denn des innewerde, so schütte ich mein Herz aus bei mir selbst ...«
Aus seinem Herzen keine Mördergrube machen: offenherzig sein; vgl. Mt 21,13: »Mein Haus soll ein Bethaus heißen; ihr aber habt eine Mördergrube daraus gemacht« (ähnlich schon Jer 7,11: »Haltet ihr dies Haus, das nach meinem Namen genannt ist, für eine Mördergrube?«; vgl. Goethes ›Götz von Berlichingen‹ I, Bischofszene.
Auch Am Herzen, auf dem Herzen (französisch ›sur le cœur‹) liegen und lasten die Gedanken; schon der griechische Dichter Äschylus (525-456 v. Chr.) hat die Sorgen »Nachbarn des Herzens« genannt, und Wolfram von Eschenbach beginnt seinen ›Parzival‹ mit den Worten:
Ist zwîvel herzen nâchgebûr,
daz muoz der sêle werden sûr.
Viel auf dem Herzen haben: gleich mehrere Anliegen oder Kümmernisse haben. Jemandem eine Sache ans Herz legen: ihn bitten, sich besonders darum zu kümmern.
Jemandem das Herz schwermachen: ihm großen Kummer zufügen. Vgl. Gretchens Lied am Spinnrade mit der Sehnsucht nach dem Geliebten im Herzen:
Meine Ruh ist hin,
Mein Herz ist schwer;
Ich finde sie nimmer
Und nimmermehr.
(›Faust‹ I, Gretchens Stube).
Jemandem das Herz brechen: ihn todunglücklich machen; dagegen: Nicht an gebrochenem Herzen sterben: etwas leicht nehmen, nicht lange einer vergangenen Liebe nachtrauern. Schon viele Herzen gebrochen haben: viele Frauen geliebt, betrogen, verlassen und unglücklich gemacht haben. Die Redensart Das Herz im Leibe will zerspringen begegnet mehrfach im Grimmschen Märchen (Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm 6, Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm 56, 89 und 166).
Jemandem blutet das Herz: er ist schmerzlich betroffen, auch: er gibt etwas nur ungern her, was ihm besonders teuer war.
Sich etwas (jemanden) aus dem Herzen reißen: die Erinnerung (Liebe) gewaltsam verdrängen.
Von ganzem Herzen und von ganzer Seele steht zum ersten Male Dtn 4,29. Bei Mt 23,37 finden wir den Ausdruck dann in der noch volleren und vielleicht häufiger zitierten Form: »Von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüte«. Vgl. französisch ›De tout son cœur et de toute son âme‹.
Wenig, aber von Herzen sagt man nach Tob 4,9: »Hast du viel, so gib reichlich; hast du wenig, so gib doch das Wenige mit treuem Herzen«; ähnlich: ›Wenig, aber mit Liebe‹.
Einen ins Herz schließen. Der Vergleich des Herzens mit einem Schrein und das dazugehörige Bild vom Herzensschlüssel spielt in Volkslied, Märchen und Redensart eine große Rolle. Eines der ältesten deutschen Liebeslieder (aus einer Tegernseer Handschrift) lautet:
Dû bist mîn, ich bin dîn:
des solt dû gewis sîn,
Du bist beslozzen in mînem herzen;
verlorn ist daz sluzzelin:
Du muost immer drinne sîn.
Nach 2 Sam 12,5 sagen wir Jemandem das Herz stehlen und nennen den, der es tut, Herzensdieb. Vgl. französisch ›voler le cœur de quelqu'un‹.
Jemandem geht das Herz auf, auch: Jemandem lacht das Herz im Leibe: er ist voller Freude, ist überglücklich.
Auch die Frage des Glücklichen: Herz, was begehrst du nun? wird formelhaft im Märchen verwendet, z.B. in Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm 46, 83, 85 und 110.
Jemandem aus dem Herzen gesprochen sein: ganz in seinem Sinne sein. Die Herzen (aller) schlagen jemandem entgegen (fliegen ihm zu): er versteht es, Begeisterung und Sympathie zu erregen.
Aller Herzen schlagen höher: sie sind voll freudiger Erwartung.
Ein Herz und eine Seele sein: von gleicher Gesinnung und Meinung sein, beruht auf Apg 4,32.
›Sie hat ihr Herz entdeckt‹ ist der Titel eines Lustspiels (1865) von Wolfgang Müller von Königswinter (1816-73).
Einen auf Herz und Nieren prüfen: von Grund aus prüfen; die Redensart ist biblischen Ursprungs und beruht auf Ps 7,10 (vgl. auch Jer 11,20 u.ö. sowie Offb 2,23); Das Herz wiegen: die Gesinnung prüfen
(vgl. Schillers Soldatenlied aus ›Wallensteins Lager‹, wo es heißt: »Da wird das Herz noch gewogen«).
Häufig ist auch Herz in redensartlichen Vergleichen: ›Ein Herz wie ein Stein‹, so schwer, ›Wie eine Drossel‹, so leicht, so beschwingt, ›Wie ein Schnebersbrot‹, ›Wie eine kalte Wassersuppe‹, ›Wie ein Taubenhaus‹, ›Wie ein Lämmerschwanz‹.
Ein Herz von Stein haben: sich nicht rühren lassen, empfindungslos für Schmerz oder Freude sein, keinerlei Mitleid zeigen, vgl. ›hartherzig sein‹.
Literarisch hat dies W. Hauff in seinem Märchen ›Das kalte Herz‹ (1828) besonders einprägsam konkretisiert.
Jemandem ist ein (schwerer) Stein vom Herzen gefallen, ⇨ Stein: er ist eine drückende Sorge los, vgl. auch Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm 31 und 97.
Es geht ihm handhoch (eine Handbreit) über dem Herzen weg: der Mund spricht das Gegenteil von dem, was das Herz fühlt.
Niederdeutsch ›Rüm Hart, klor Kimmung!‹, weites Herz, klare Sicht!; stammt aus der Seemannsprache.
Etwas im Herzen bewegen: etwas immer wieder bedenken und in Erinnerung bewahren, bezieht sich auf Luthers Bibelübersetzung (Mk 2,19): »Maria aber behielt alle diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen«. Die ›moderne‹ und korrektere Übersetzung »... bedachte sie in ihrem Herzen« ist viel schwächer.
Die Wendungen ›Das Herz zwingen‹: jemanden bezwingen, und ›Herz zu Herzen schaffen‹: jemandem (in Liebe, Freundschaft, auch: Begeisterung) vermitteln, übereinstimmende Gefühle erwecken, literarisch bei Goethe (Faust I, Szene mit Wagner):
Wenn ihr's nicht fühlt, ihr werdet's nicht erjagen,
Wenn es nicht aus der Seele dringt
Und mit urkräftigem Behagen
Die Herzen aller Hörer zwingt ...
Und ebenda:
Doch werdet ihr nie Herz zu Herzen schaffen,
Wenn es euch nicht von Herzen geht.
• A. HERMANN: Das steinharte Herz. Zur Geschichte einer Metapher, in: Jahrbuch für Antike und Christentum 4 (1961), S. 77-107; H. NIEDERMEIER: Die Herzsymbolik in der Volksfrömmigkeit des Mittelalters in: Bayerisches Jahrbuch für Volkskunde (1968).S. 58 -64; E. BOEHRINGER (Hrsg): Das Herz – im Umkreis des Glaubens – Im Umkreis der Kunst – im Umkreis des Denkens, 3 Bände (Biberach o.J.); G. BAUER: Claustrum Animae. Untersuchungen zur Geschichte der Metapher vom Herzen als Kloster, Band I: Entstehungsgeschichte (o.O. 1973); G. BOTT: Von ganzem Herzen. Kleine Kulturgeschichte des Herzens (Nürnberg 1984); K.
DÜWEL: Artikel ›Herz‹, in: Enzyklopädie des Märchens VI., Spalte 923-929; Zur Symbolik des Herzens und des Raumes. Akten des. 6. und 7. Symposions der Gesellschaft für Symbolforschung. Bern 1988, Zürich 1989, hg. von A. Zweig im Namen der Gesellschaft für Symbolforschung (=Schriften zur Symbolforschung, Band 6) (Bern u.a. 1991).
Das Herz abdrücken. ›Die Demütigung des Herzens‹, Emblem aus: Benedict van Haeften: Schola cordis, Antwerpen 1629, in: Herz, Bd. 2, S. 72.
Jemanden im Herzen tragen. Hl. Gertrud, die das Christuskind im Herzen trägt, Kupferstich von Paul Seel. um 1700, in: Herz, Bd. 1, Tafel VIII.
Ob sie (wohl) ein Herz hat?. Amerikanische Karikatur von E.D. Gibson, ›Life‹ 1900. Aus: Eduard Fuchs: Die Frau in der Karikatur, München 1906, S. 44.
Das Herz entzünden. Emblem aus: Benedict van Haeften: Schola cordis, Antwerpen 1629: Die Menschenseele opfert ihr Herz, in: Herz, Bd. 2, S. 82.
Einem sein Herz schenken. Backmodel, 1. Hälfte 18. Jahrhundert, Privatbesitz, in: Herz, Bd. 2, S. 158.
Das Herz wiegen. Emblem aus: Benedict van Haeften: Schola cordis, Antwerpen 1929, in: Herz, Bd. 2, S. 72.
Das Herz reinmachen. Kupferstich von Anton Wierix: ›Jesus cor expurgans‹. Aus: Mario Praz: Studies in Seventeenth-Century Imagery, 2. Ed. Roma 1964, S. 153, Abbildung 61.
Mit den Herzen nur ein Spiel treiben. Alte Bildpostkarte, Reprint 1977.