Redensarten Lexikon
Häuschen
Haus steht redensartlich oft für einen Menschen, wie in den Ausdrücken Altes Haus: alter Freund; Fiedeles Haus: lustiger Mensch; Gelehrtes Haus: kluger Mensch; Tolles Haus: überspannter Mensch.    Auf jemandem Häuser bauen: ihm vollkommen vertrauen (oft in der irrealen Form gebraucht: ›Auf den hätte ich Häuser gebaut‹), ist eine seit dem 17. Jahrhundert belegte Redensart. Wahrscheinlich geht sie zurück auf Mt 16,18: »Du bist Petrus, und auf diesem Felsen will ich bauen meine Gemeinde«. Wer sich in seinem Vertrauen getäuscht sah, der hatte ›Auf Sand gebaut‹ (s. Mt 7,26). Nach Jes 38,1 »Bestelle dein Haus, denn du mußt sterben« sagen wir für ›sein Testament machen‹: Sein Haus bestellen. Volkstümlich geworden ist diese Redensart wahrscheinlich erst durch das Kirchenlied ›Wer weiß, wie nahe mir mein Ende‹ (1688), in dem es heißt: »Laß mich beizeit' mein Haus bestellen«.
   Haus steht für seine Bewohner, für die Familie, das Geschlecht, vor allem bei adligen, fürstlichen Familien, wie etwa ›Das Haus Habsburg‹. Daneben spricht man vom ›Haus Rothschild‹, ›Haus Krupp‹ usw., und bei Luther heißt es »so wirstu und dein haus selig«. »Junge Leute von gutem Hause und sorgfältiger Erziehung« sagt Goethe. Hier bedeutet Haus soviel wie Herkunft, Abstammung, ebenso wie Ex 2,1: »ein Mann vom Hause Levi«.

   So schreiten keine ird'schen Weiber,
   Die zeugete kein sterblich Haus

heißt es bei Schiller (›Kraniche des Ibikus‹). Auch das französische Wort ›maison‹ bezeichnet das Geschlecht und das Gefolge der fürstlichen Familien.
   Im Parlament spricht man vom Ober- und Unterhaus, vom Hohen Haus. Ein Volles Haus hat das Theater, wenn es ausverkauft ist.
   Die Kirche nennt man Gottes Haus oder Haus des Herrn; vgl. französisch ›La maison du Seigneur‹.
   Als Irdisches Haus bezeichnet man den Leib des Menschen, wahrscheinlich zurückgehend auf 2 Kor 5,1: »Wir wissen aber, so unser irdisch Haus dieser Hütte zerbrochen wird ...«
   Auch den Sarg nennt man Haus oder Letztes Haus des Menschen. Man verwahrte früher die Asche verbrannter Leichenteile in Hausurnen, und das Grab wurde wie ein Haus gebaut und ausgestattet. »Ruhig schläft sich's in dem engen Haus« sagt Schiller in seiner ›Elegie auf den Tod eines Jünglings‹ (V. 50). Vgl. französisch ›sa dernière demeure‹ (seine letzte Wohnstätte).
   Aus der Studentensprache wurden die Redensarten wie Altes Haus, Braves Haus usw. allgemein übernommen. Bei A. Kopisch (›Als Noah aus dem Kasten war‹) heißt es:

   Derweil du so ein frommes Haus,
   So bitt dir eine Gnade aus.

Der Ausdruck ›Haushalten‹, klug und sparsam wirtschaften, wird in der bildlichen Darstellung ganz wörtlich genommen. Zu Hause sein: heimisch sein; so spricht man übertragen davon, man sei in einer Wissenschaft zu Hause, wenn man ausdrücken will: ich weiß gut Bescheid, verstehe mich von Grund auf darauf. Eine Erweiterung dieser Redensart ist: ›Er ist dort zu Hause wie die Laus im Grind‹.
   Mit etwas zu Hause bleiben: zurückhalten, z.B. mit einer Meinung, mit Weisheiten oder Ratschlägen, die falsch am Platze sind. Meist angewandt wie bei Lenz: »Mit euren Einsichten solltet ihr doch zu Hause bleiben«.
   Die Redensarten Er ist nicht recht zu Hause oder Er ist aus dem Häuschen gehen wahrscheinlich auf den menschlichen Körper als Haus des Verstandes und der Seele zurück.

   Warum bist du gleich außerm Haus,
   Warum gleich aus dem Häuschen,
   Wenn einer dir mit Brillen spricht?

heißt es bei Goethe (›Feindseliger Blick‹, um 1825).
   Müller-Fraureuth (Band 1, S. 486f.) erklärt die Redensart daher, daß es früher in den Städten kleine Narrenhäuschen, Tollhäuschen gab, die kurz ›Häuschen‹ genannt wurden, wie auch französisch ›Petites Maisons‹ der Name eines ehemaligen Irrenhauses in Paris ist und ›échappé des Petites-Maisons‹ ein entsprungener Tollhäusler. Als ältester deutscher Beleg ist 1776 bezeugt: »Der Narr ist aus dem Häusel kommen, welches von einem ausgelassenen Menschen pfleget gesaget zu werden«.
   Es kommt (geht, führt) zu bösen Häusern: es gibt ein Unglück, geht schlecht aus, eine Redensart, die sich wohl auf die früheren Strafanstalten, wie die Spinnhäuser, bezog. Sehr häufig von J.P. Hebel gebraucht.
   Fürstliche Diener von Haus aus waren früher jene Diener, die nicht am Hofe, sondern daheim in ihren Schlössern lebten. Im modernen Sprachsinn verstehen wir darunter etwas Eigenes, Angeborenes, Überkommenes: »Du scheinest mir ein künftiger Sponsirer, / so recht von Haus aus ein Verführer« (Goethe).
   Einfälle haben wie ein altes Haus ist ein seit Theodor Gottlieb v. Hippel (1741-96) belegtes Wortspiel.
   Haus und Hof ist eine alliterierende Formel für den gesamten Besitz, die in der Aarauer Urkunde von 1301 zuerst literarisch nachweisbar ist: »ze huse und ze hove«.
   Zahlreiche Synonyma für ›sich betrinken‹ oder ›seinen Besitz vertrinken‹ sind mit ›Haus und Hof‹ verbunden, so z.B. Haus und Hof ist ihm im Wein ertrunken oder Er hat Haus und Hof durch die Gurgel gejagt. Ähnlich benutzt werden die Formeln ›Haus und Heim‹ und ›Herdstatt und Habe‹.
   Zu Haus und Hof kommt, was einem zugute kommt.
   Mit der Tür ins Haus fallen Tür.
   Hausbacken war das im Hause gebackene Brot, das im Gegensatz zu dem vom Bäcker gebackenen grober und dunkler war. Der Ausdruck wird seit Goethe und Niebuhr übertragen für ›alltäglich, nüchtern, schwunglos‹ gebraucht. Vgl. die französische Adverbialbildung ›maison‹ im Sinne von: ›Nach Art des Hauses‹ (z.B.: ›Tarte maison‹: Torte nach Art des Hauses).
   Ein ›hausbackenes‹ Mädchen ist nicht besonders hübsch, aber lieb, geschickt, fleißig, treu, ein ›Hausmütterchen‹.
   ›Vor dem Haus im Kübel stehen‹ war eine altelsässiche Redensart für verachtet sein, eigentlich so wie der Unrat, den man in einen Kübel vor dem Haus warf. Murner gebraucht diese Wendung literarisch in einer ›Schelmenzunft‹ und wünscht allen Verleumdern zur Strafe:
   Vor dem huß im Kübel ston
   Und dorvon weichen nit eyn drit,
   Bis daß man sy mit dreck beschmit.

Auch mundartliche Wendungen sind bezeugt, die nicht in der Hochsprache geläufig sind. Der Niederdeutsche sagt z.B. ›He ward di dat to Hus bringen‹, er wird sich rächen, wird es dir heimzahlen, und der Sachse meint mit der Feststellung: ›Der kann Heiser feel tragen‹, er ist ein großer, kräftiger Mensch. ›Das Haus verliert nichts‹ wird häufig zur Beruhigung gesagt, wenn jemand etwas verloren hat bzw. etwas nicht finden kann. ›Auf dem Häuschen sein‹, auf der Toilette sein. Die Toilette befand sich früher häufig in einem vom Hauptgebäude getrennten Häuschen.
   ›Der Haussegen hängt schief‹: in der Familie, Ehe gibt es Streit, ›Ehekrach‹.

• R. BECKER: ›Aus dem Häuschen sein‹, in: Zeitschrift für den deutschen Unterricht 6 (1892), S. 698-702; C. RANCK: Kulturgeschichte des deutschen Bauernhauses (Leipzig – Berlin 3. Auflage 1921); A. TAYLOR: ›No House is Big Enough for Two Women‹, in: Western Folklore XVI (1957), S. 121-124; R. WEISS: Häuser und Landschaften der Schweiz (Erlenbach – Zürich und Stuttgart 1959); B. SCHIER: Hauslandschaften und Kulturbewegungen im östlichen Mitteleuropa (Göttingen 2, 1966); K-S. KRAMER: Das Haus als geistiges Kraftfeld im Gefüge der alten Volkskultur, in: Rheinisch-Westfälische Zeitschrift für Volkskunde. 11 (1964) S. 30-43; K. BEDAL: Historische Hausforschung (Münster 1978); E. MOSERRATH: Artikel ›Haus‹, in: Enzyklopädie des Märchens VI, Spalte 581-588.

Der Mann hält Haus, die Frau geht aus. Detail aus einem Bilderbogen aus Ost-Flandern, um 1700.

Ans Haus gebunden sein. Karikatur von M. Marcks, aus: DIE ZEIT, Nr. 43, vom 19. Oktober 1984.
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