Redensarten Lexikon
Haufen
Über den Haufen werfen (auch schießen, stoßen, fallen) geht zurück auf die Bedeutung von Haufen als etwas regellos übereinander Liegendem, so daß die Redensart meint: übereinanderwerfen, daß alles wie ein unförmiger Haufen aussieht. Am 4. 11. 1499 lautete eine Mahnung des Mainzer Domkapitels an die Bewohner der Kurien: daß die »Herrenhoiffe und Vikariehusen nit über den hufen fallen« (A.L. Veit, Mainzer Domherren, Mainz 1924, S. 98) »... darumb müssen sie fallen über einen Haufen«, heißt es Jer 6,15. Obersächsisch ist 1727 belegt: »Alles fället über einen Haufen«. Zunächst auf Personen angewendet, gebrauchte man die Wendung dann auch für Abstraktes, wie etwa Schiller (›Fiesko‹ 1,3): »Wenn die itzige Verfassung nicht übern Haufen fällt«. Kant spricht von »sein system über den Haufen fallen sehen«, und bei Goethe heißt es: »Wenn er endlich nach verschiedenen Jahren seinen schaden einsah, so fiel das Werk mit einmal über den Haufen«. Die Redensart bedeutet ›zunichte machen, vereiteln‹; heute geläufig in der Form Pläne über den Haufen werfen.    Ein Häufchen Unglück nennt man einen verängstigt dahockenden Menschen, nordostdeutsch ›e Hupke Onglöck‹, ein elender, betrübter Mensch.
   In der älteren Soldatensprache bedeutete Haufen soviel wie ›Kämpferschar‹. Der verlorene Haufen war der Trupp der Landsknechte, der den Kampf eröffnete und von denen der Großteil im Angriff fiel. Ihm folgte der helle oder gewaltige Haufen, der Haupttrupp; heller Haufen ist der ›hele (ganze) hope‹ des Norddeutschen. Die noch heute benutzte Wendung ›In hellen Haufen‹, in großen Scharen, ist für uns losgelöst vom Begriff der taktischen Einheit. In Uhlands ›Schenk von Limburg‹ heißt es:

   Nun hielt auf Hohenstaufen
   Der deutsche Kaiser Haus,
   Der zog mit hellen Haufen
   Einstmals zu jagen aus.

Vgl. die Bedeutung des französischen Wortes ›tas‹ (Haufen) in dem Ausdruck: ›un tas de gens‹ (allerlei, viele Leute), ›des tas et des tas‹ (große Mengen), ›dans le tas‹ (in oder bei dieser Menge).
   Wieder beim Haufen (auch: bei der Bande) sein: bei der Truppe sein, wird besonders von Verwundeten gesagt, die nach ihrer Genesung wieder zur Truppe zurückkehren; vgl. französisch ›avoir rejoint le gros de la troupe‹.
   Ebenfalls aus der Soldatensprache übernommen ist der Ausdruck zum alten Haufen fahren: sterben. Mit ›Haufe‹ verband sich der Nebensinn ›Streitbarkeit, Kraft‹. Hieraus erklärt sich wohl die in Halle übliche Redensart Da bin ich nicht der Haufe dazu: das kann ich nicht. Haufen als unbestimmte Maßeinheit, gleichzusetzen etwa mit ›eine Menge‹, erscheint in zahlreichen Redensarten. »Wir werden glücks den haufen han« heißt es in einem Berner Fastnachtsspiel von 1522, und Grimmelshausen läßt seinen Simplicissimus »noch einen haufen dings darzu« lügen. Man spricht von einem ›Haufen Geld, Schulden oder Arbeit‹. »Verzage nicht, du Häuflein klein« beginnt ein Kirchenlied des Jakob Fabricius (1593-1654), und bei der Einweihung der Schloßkirche zu Torgau bezeichnete Luther die Gläubigen als den »christlichen Hauff«.
   Eine entsprechende Zeile in einem Kirchenlied lautet daher auch: »Kommet zu Hauf« (1. Strophe des Liedes ›Lobe den Herren‹ von Joachim Neander [1650-80]).
   In scherzhafter Abwandlung heißt es im Volksmund häufig: ›Immer alles auf den großen Haufen‹. Damit wird angedeutet, daß dort, wo schon etwas ist, stets Neues hinzukommt, vor allem bei den Wohlhabenden. Wenn sie etwas dazubekommen entweder durch Geschäftsglück oder durch Heirat und ähnliches – wird das oft kommentiert mit der derb-spöttischen Redensart: ›Der Teufel scheißt immer auf den größten Haufen‹ (vgl. ›Wer hat, dem wird gegeben‹), Teufel.
• M.A. VAN DEN BROEK: Sprichwort und Redensart in den Werken des Leipziger Volkspredigers Marcus von Weida, in: Beiträge zur Erforschung der deutschen Sprache S. 7 (1987), S. 168-181 (AVU 46,9: Auslegung des Vater Unßers' 1502); R. SPRENGER: ›Mit hellen Haufen‹, in: Zeitschrift des allgemeinen deutschen Sprachvereins 6 (1891), S. 70-71.
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