Redensarten Lexikon
Hafer
Obwohl die eigentliche niederdeutsche Form des Wortes Hafer sich schon seit dem 15. Jahrhundert in mitteldeutschen Quellen findet, hat sie sich nur langsam Eingang in die Schriftsprache verschafft und sich gegen die oberdeutsche Form ›Haber‹ durchsetzen müssen. Noch im 18. Jahrhundert verwendet eine Anzahl Schriftsteller gerade aus dem mitteldeutschen Raum die Form ›Haber‹, wie z.B. Lessing, Goethe, Fichte, Gellert. Vgl. auch das Kinderlied:
Drei (fünf, zehn) Gäns' im Haberstroh,
sie saßen, sie fraßen und waren alle froh ...
Hier ist gut Hafer säen sagt man, wenn in einer Gesellschaft plötzliche Stille eintritt; die Redensart geht darauf zurück, daß beim Säen des leichten Hafersamens Windstille herrschen muß. Diese Wendung ist in leicht abgewandelter Form schon im 17. Jahrhundert belegt: »Es war so still, daß man hätte können Haber säen« (Grillandus: ›Politische Hasenköpf‹, 1683); Johann Fischart erwähnt in seinem ›Gargantua‹ (1575) ein Gesellschaftsspiel: »den haber säen«. Die Redensart ist vor allem im Niederdeutschen bekannt: ›hier is good haver seijen‹ sowie auch dänisch ›det er en god haver saed‹ und niederländisch ›it is hier goed om haver te zaain‹.
Seinen Hafer versäen, ehe man auf den Acker kommt: seine Kräfte vertun, ehe man zum eigentlichen Ziel gelangt; rheinisch ›manichen versät sein Hafer, ihr er zum Acker kemmt‹. Auch diese Redensart ist schon im 17. Jahrhundert bekannt: »Es verseet mancher seinen Habern ehe er zum rechten Acker kommt« (Petri II, 302, 1605).
Seinen Hafer auf dem eigenen Acker nicht ganz versäen können: überschüssige Kräfte haben.
Seinen wilden Hafer noch lange nicht gesät haben: seine Wildheit noch nicht ausgetobt, sich die Hörner noch nicht abgelaufen haben (vor allem in sexueller Hinsicht); die Redensart ist seit der Mitte des 18. Jahrhunderts in Deutschland bezeugt als Übersetzung des gleichbedeutenden englischen ›to sow one's wild oats‹, das seit dem 16. Jahrhundert belegt ist und in dem ›wilder Hafer‹ im Gegensatz zu ›gutem Korn‹ steht.
Der Hafer ist vor dem Korn reif geworden: die jüngere Tochter heiratet vor der älteren; deutlicher wird die Mißbilligung dieser Tatsache in der Wendung ›Man schneidet den Hafer nicht vor dem Korn, gibt die Rahel nicht weg vor der Lea‹.
Er hat den Hafer gut verkauft, die Mütze sitzt ihm schief: er hat Erfolg gehabt, er sieht zufrieden und vergnügt aus. In der Schweiz sind noch drei weitere Formeln bekannt: ›händ er de Habr verchauft?‹ fragt man müßig Herumstehende; ›mer händ de Habr verchauft‹ antwortet man auf neugierige Fragen, wenn man nicht wissen lassen will, wovon gerade die Rede war; ›was gilt de Habr‹ oder ›wie tür hast din Habr verchauft?‹; diese Frage wird gestellt, wenn man eine Person beschämen will, die mit in die Hüften gestützten Händen dasteht oder die Ellbogen auf den Tisch stützt.
In Schleswig-Holstein sagt man ›Hand ous 'm Sack, der Hawr is verkouft (is min)‹, laß deine Finger davon, das ist meine Angelegenheit, gehört mir; ursprünglich eine Formel nach abgeschlossenem Kauf. Im Münsterland und im Osnabrücker Raum gibt es die Redensart ›Hand vom Sack, is Haber drin!‹: das ist meine Sache und geht dich nichts an.
Er weiß, was der Hafer gilt: er ist kein Kind mehr, er hat Erfahrung, läßt sich nicht übers Ohr hauen.
Den Hafer von der Gans kaufen: etwas sehr teuer, unvorteilhaft kaufen: die Gans frißt den Hafer lieber selbst und gibt ihn ungern her. Für diese Redensart gibt es schon einen Beleg aus dem 16. Jahrhundert: »denne begeit he ein dürer kopenschop, als wen men de katten eine worst schöl affhandeln edder de hawern von de gösen borgen« (Nic. Gryse: ›Spegel des Pavestdomes‹, 1593). Die Wendung ist auch im Schleswig-Holsteinischen bekannt ›he köfft ok den Hawer von de Gäs‹ sowie in Dänemark
det er ondt at kiobe havre fra gaasen,
kull af smeden,
korn af bageren,
kiod af katten,
polse af hunden.
Er schreit seinen Hafer gut aus: er weiß Nutzen zu ziehen aus seinen Gaben; auch provenzalisch ›Il ne perdra l'avoine faute de brailler‹. Obersächsisch ›s'is ne Hober lus worn‹, sie hat den Hafer verkauft, hat auf dem Tanzboden wenigstens einen Tanz gehabt.
In anderen Redensarten wird das Bild des Fütterns mit Hafer gebraucht; Langen Hafer geben oder Jemandem den Haber schwingen: Prügel geben; ursprünglich bedeutete ›haber schwingen‹ Futter geben; so bei Seifr. Helbling (1, 391): »swing im (dem Pferd) vuoter, mach ez rein ...« Diese Redensart ist weit verbreitet und findet sich auch schon in Kirchhoffs ›Wendunmuth‹ (1563 bis 1603): »Wie dem ersten so ward auch dem andern der haber geschwungen und die flöhe abgekehrt«. ›Habere‹ hat im Schweizerischen verschiedene Bedeutungen, unter anderem auch ›stürmisch etwas tun, recht dreinschlagen‹, ›abhabere‹, ausschelten, züchtigen.
Den Haber beim Seiler kaufen, Seinen Gaul mit Steckenhaber füttern: ihm Prügel statt Futter geben; ebenfalls ›prügeln‹ bedeutet die Redensart Den Hundshabern ausdreschen; so schon bei Hans Sachs
(II, IV, 18): »Dass nicht dein Mann komb in das Haus und dresch mir den Hundshabern aus«.
Auf die Haberhälm kommen: ins Verderben, in bedrängte Lage geraten; ›Haberhälm‹ ist bairisch und bedeutet soviel wie ›Haferstoppeln‹, die Stoppeln aber sind ein Bild des Nichtigen; zugleich aber könnte eine Erinnerung an das Haberfeldtreiben anklingen, ⇨ Haberfeldtreiben, Habergeiß, Habermann.
Einen auf die Haberweide schlagen (vor allem südwestdeutsch): ihn seinem Verderben überlassen; das Vieh wurde vor der Winterstallung noch einmal auf die Stoppeln des Haferfeldes getrieben, wo es die letzten Reste abweiden sollte; daher ›Jemanden kümmerlich versorgen‹, später ›ihn zurücksetzen, vernachlässigen‹. Übertragen kommt es schon bei H. Sachs vor (1, 508):
den wart wir lang auf guten bscheid,
so schlugt ir uns auf dhaberweid,
wurft uns den strosack für die thür,
nambt euch ein weil ein andern für.
Es jemandem in seinen Hafer mischen: ihm die Schuld an etwas geben, eigentlich: ihm etwas zu essen geben, was nicht gut schmeckt; vgl. ›Jemandem etwas in die Schuhe schieben‹. Vgl. niederländisch ›het iemand in zijn hawer mengelen‹, abgewandelt auch im Englischen ›to lay a thing in a person's dish‹.
Den Hafer(sack) höher (hoch) hängen; diese Redensart kann sich einmal auf das Pferd beziehen und bedeutet dann: das Tier bekommt nicht genug Futter, es ist mager; so z.B. rheinisch ›dem Gaul hon se de Hawer hoch gehängkt‹; zum andern aber steht sie in Bezug zum Menschen und meint dann die Maßnahme gegen einen Übermütigen; vgl. ›Den Brotkorb höher hängen‹, ⇨ Brotkorb.
Die Tatsache, daß Pferde von zu reichlicher Haferfütterung übermütig werden, ist auch die Grundlage für die Redensart Ihn sticht der Hafer. Diese Redensart war schon früh bekannt, wurde aber zuerst nur auf Pferde angewandt: »Der Haber pfleget diejenigen Pferde gemeiniglich zu stechen, welche im Stalle stehen und nichts zu tun haben« (Castimonius: ›Politische Hofmädgen‹, 30); jedoch wird schon bei Grimmelshausen das Bild auf menschlichen Übermut übertragen: »Ebenso hatte auch allhier der Habern ... den Simplex zimlich gestochen« (›Simplicissimus‹ I, 3; 9. Kapitel). Im Gegensatz zum Roggen- und besonders zum Gerstenstroh mit den langen Grannen sticht Haferstroh nicht. Es wurde daher früher gern zur Füllung der ›Strohsäcke‹, die als Matratzen dienten, gebraucht. Die Redensart ist im gesamten deutschsprachigen Gebiet verbreitet; so heißt es rheinisch ›dat Haferkoenche steckt en‹, schleswig-holsteinisch ›em stickt de Hawer‹, in Siebenbürgen ›de Hôwer kêkt en‹; schweizerisch ›de Hab'r stickt einen‹. Im Amerikanischen ist das gleiche Bild beibehalten worden ›he feels his oats‹, englisch ist es leicht abgewandelt ›his provender (Viehfutter) pricks him‹, im Niederländischen ist die Redensart aus dem menschlichen Bereich genommen ›de broodkruimels steken hem‹, jedoch existiert daneben auch die Wendung ›de haverkorrels steken hem‹.
Auch die folgende Redensart ist aus dem tierischen Bereich in den des Menschen gelangt: Seinen Hafer verdient haben: seinen Lohn verdient haben, vgl. französisch ›gagner son avoine‹.
Hafer in der Bedeutung von ›Schnaps‹ meinen vereinzelte, meist mundartlich begrenzte Redensarten; so z.B. rheinisch ›Hafer hole gehn, sich behavern‹, sich betrinken, schwäbisch ›Hafer im Kopf haben‹, angetrunken sein, aber auch: überspannt, hochmütig sein; von dieser Bedeutung des Hafers stammt wohl auch der Ausdruck ›Hafernarr‹ für einen Schwätzer (Marburg).
Aus dem Hafer in die Gerste geraten: von einer mißlichen Situation in eine andere, eventuell schlimmere kommen. Hafer ist Rispengras und kitzelt im Gesicht, Gerstenähren haben – die längsten – Grannen und stechen. In jemandes Hafer gehen: sich in fremde Angelegenheiten (vor allem Liebschaften) mischen, rheinisch ›einen in de Hawer hüden‹.
Eine Reihe von Redensarten beschreibt das – meist nicht gerade vorteilhafte – Aussehen eines Menschen; so rheinisch ›den hat de Hafer dönn gesiht‹, er hat spärlichen Bartwuchs, bairisch ›ins Haberfeld schauen‹, schielen (aber ›mit seinen Gedanken im Haberfeld sein‹, zerstreut sein); schwäbisch ›Hafer im Leib haben‹, stark sein, ganz ähnlich auch rheinisch ›Hafer in de Knoche (Kneje)‹, schweizerisch ›Hafer in de Chneune ha‹, feststehen. Noch nicht viel Hafer gedroschen haben: nicht sehr kräftig, nicht an schwere Arbeit gewöhnt sein. ›Hej dritt de Hawer ganz‹ sagt man rheinisch von einem kränklichen Menschen, und in Mitteldeutschland heißt es ›de Hâwer pröckelt em on Arsch‹. Mecklenburgisch weist man ein schmutziges Kind zurecht ›di waßt de Hawern in de Uhren‹.
Rheinisch ›de Hawer us de Perdsköttele lese‹, nichts schaffen, seine Zeit vertun; vgl. französisch ›écouter à l'avoine‹ (veraltet).
Der Hafer ist nicht nur das bevorzugte Futter für das Pferd, sondern auch für die Ziege, daher die mecklenburgische Redensart ›dee geiht dor up los as de Buck uppe Hawergarw‹, ungeschickt, wagemutig; rheinisch ›he fällt drop as de Bock op de Hawerkist‹, er fängt die Sache mit einem Eifer an, der nicht bis zum Schluß anhält; ›he gringt wie eine Bock op en Hawerkist‹, er ist ärgerlich, bei der Arbeit gestört zu werden; niederdeutsch ›he sitt upn Geld as de Buck up de Haberkiste‹, holsteinisch ›he settet den Buck up de Haberkiste‹, Er macht den Bock zum Gärtner, ⇨ Bock.
Als ›Hawermaus‹ wird im Rheinland die Hausgrille bezeichnet: ›er singt wie en Hawermaus‹, er singt sehr schlecht; ›me ment, de kräch (kriegte) alle Karfreidag en Hawermaus geback‹ sagt man von einem mageren oder schlecht aussehenden Menschen.
Die Spreu und das Stroh des Hafers sind sehr leicht und von geringem Wert: Durcheinander gehen wie der gemäht Habern: drunter und drüber gehen; Er ist weg wie Haberspreu: er ist spurlos verschwunden; Mit Haberstroh lohnen: schlecht lohnen; Für eine alte Schuld soll man Haberstroh nehmen, weil eine alte Schuld nur selten bezahlt wird; dieses Sprichwort ist schon mittelhochdeutsch bekannt: »man muoz an boesem gelte haberstrô für guot nemen« (Br. Berthold 386, 4); mecklenburgisch ›vör eene ungewisse Schuld moet man Hawer-Kaff (Spreu) nehmen‹, ›ungewiß Schulden un hawerkaff wägen lik väl‹; dort sagt man auch von einem wohlgenährten Menschen ›de is nich met Hawerkaff mästet‹. Um Haferspreu streiten: um Geringfügiges streiten, niederländisch ›zij twisten om haverstroo‹.
Umgangssprachlich spricht man heute von einem Hafermotor (mit Peitschenzündung): Pferd, sowie von einer Haferschleimvilla: Krankenhaus.
• H. MARZELL: Artikel ›Hafer‹, in: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens III, Sp. 1300-1304; W. DANCKERT: Symbol, Metapher, Allegorie im Lied der Völker, Bd. III (Bonn – Bad Godesberg 1978), S. 909-922.
Drei (fünf, zehn) Gäns' im Haberstroh,
sie saßen, sie fraßen und waren alle froh ...
Hier ist gut Hafer säen sagt man, wenn in einer Gesellschaft plötzliche Stille eintritt; die Redensart geht darauf zurück, daß beim Säen des leichten Hafersamens Windstille herrschen muß. Diese Wendung ist in leicht abgewandelter Form schon im 17. Jahrhundert belegt: »Es war so still, daß man hätte können Haber säen« (Grillandus: ›Politische Hasenköpf‹, 1683); Johann Fischart erwähnt in seinem ›Gargantua‹ (1575) ein Gesellschaftsspiel: »den haber säen«. Die Redensart ist vor allem im Niederdeutschen bekannt: ›hier is good haver seijen‹ sowie auch dänisch ›det er en god haver saed‹ und niederländisch ›it is hier goed om haver te zaain‹.
Seinen Hafer versäen, ehe man auf den Acker kommt: seine Kräfte vertun, ehe man zum eigentlichen Ziel gelangt; rheinisch ›manichen versät sein Hafer, ihr er zum Acker kemmt‹. Auch diese Redensart ist schon im 17. Jahrhundert bekannt: »Es verseet mancher seinen Habern ehe er zum rechten Acker kommt« (Petri II, 302, 1605).
Seinen Hafer auf dem eigenen Acker nicht ganz versäen können: überschüssige Kräfte haben.
Seinen wilden Hafer noch lange nicht gesät haben: seine Wildheit noch nicht ausgetobt, sich die Hörner noch nicht abgelaufen haben (vor allem in sexueller Hinsicht); die Redensart ist seit der Mitte des 18. Jahrhunderts in Deutschland bezeugt als Übersetzung des gleichbedeutenden englischen ›to sow one's wild oats‹, das seit dem 16. Jahrhundert belegt ist und in dem ›wilder Hafer‹ im Gegensatz zu ›gutem Korn‹ steht.
Der Hafer ist vor dem Korn reif geworden: die jüngere Tochter heiratet vor der älteren; deutlicher wird die Mißbilligung dieser Tatsache in der Wendung ›Man schneidet den Hafer nicht vor dem Korn, gibt die Rahel nicht weg vor der Lea‹.
Er hat den Hafer gut verkauft, die Mütze sitzt ihm schief: er hat Erfolg gehabt, er sieht zufrieden und vergnügt aus. In der Schweiz sind noch drei weitere Formeln bekannt: ›händ er de Habr verchauft?‹ fragt man müßig Herumstehende; ›mer händ de Habr verchauft‹ antwortet man auf neugierige Fragen, wenn man nicht wissen lassen will, wovon gerade die Rede war; ›was gilt de Habr‹ oder ›wie tür hast din Habr verchauft?‹; diese Frage wird gestellt, wenn man eine Person beschämen will, die mit in die Hüften gestützten Händen dasteht oder die Ellbogen auf den Tisch stützt.
In Schleswig-Holstein sagt man ›Hand ous 'm Sack, der Hawr is verkouft (is min)‹, laß deine Finger davon, das ist meine Angelegenheit, gehört mir; ursprünglich eine Formel nach abgeschlossenem Kauf. Im Münsterland und im Osnabrücker Raum gibt es die Redensart ›Hand vom Sack, is Haber drin!‹: das ist meine Sache und geht dich nichts an.
Er weiß, was der Hafer gilt: er ist kein Kind mehr, er hat Erfahrung, läßt sich nicht übers Ohr hauen.
Den Hafer von der Gans kaufen: etwas sehr teuer, unvorteilhaft kaufen: die Gans frißt den Hafer lieber selbst und gibt ihn ungern her. Für diese Redensart gibt es schon einen Beleg aus dem 16. Jahrhundert: »denne begeit he ein dürer kopenschop, als wen men de katten eine worst schöl affhandeln edder de hawern von de gösen borgen« (Nic. Gryse: ›Spegel des Pavestdomes‹, 1593). Die Wendung ist auch im Schleswig-Holsteinischen bekannt ›he köfft ok den Hawer von de Gäs‹ sowie in Dänemark
det er ondt at kiobe havre fra gaasen,
kull af smeden,
korn af bageren,
kiod af katten,
polse af hunden.
Er schreit seinen Hafer gut aus: er weiß Nutzen zu ziehen aus seinen Gaben; auch provenzalisch ›Il ne perdra l'avoine faute de brailler‹. Obersächsisch ›s'is ne Hober lus worn‹, sie hat den Hafer verkauft, hat auf dem Tanzboden wenigstens einen Tanz gehabt.
In anderen Redensarten wird das Bild des Fütterns mit Hafer gebraucht; Langen Hafer geben oder Jemandem den Haber schwingen: Prügel geben; ursprünglich bedeutete ›haber schwingen‹ Futter geben; so bei Seifr. Helbling (1, 391): »swing im (dem Pferd) vuoter, mach ez rein ...« Diese Redensart ist weit verbreitet und findet sich auch schon in Kirchhoffs ›Wendunmuth‹ (1563 bis 1603): »Wie dem ersten so ward auch dem andern der haber geschwungen und die flöhe abgekehrt«. ›Habere‹ hat im Schweizerischen verschiedene Bedeutungen, unter anderem auch ›stürmisch etwas tun, recht dreinschlagen‹, ›abhabere‹, ausschelten, züchtigen.
Den Haber beim Seiler kaufen, Seinen Gaul mit Steckenhaber füttern: ihm Prügel statt Futter geben; ebenfalls ›prügeln‹ bedeutet die Redensart Den Hundshabern ausdreschen; so schon bei Hans Sachs
(II, IV, 18): »Dass nicht dein Mann komb in das Haus und dresch mir den Hundshabern aus«.
Auf die Haberhälm kommen: ins Verderben, in bedrängte Lage geraten; ›Haberhälm‹ ist bairisch und bedeutet soviel wie ›Haferstoppeln‹, die Stoppeln aber sind ein Bild des Nichtigen; zugleich aber könnte eine Erinnerung an das Haberfeldtreiben anklingen, ⇨ Haberfeldtreiben, Habergeiß, Habermann.
Einen auf die Haberweide schlagen (vor allem südwestdeutsch): ihn seinem Verderben überlassen; das Vieh wurde vor der Winterstallung noch einmal auf die Stoppeln des Haferfeldes getrieben, wo es die letzten Reste abweiden sollte; daher ›Jemanden kümmerlich versorgen‹, später ›ihn zurücksetzen, vernachlässigen‹. Übertragen kommt es schon bei H. Sachs vor (1, 508):
den wart wir lang auf guten bscheid,
so schlugt ir uns auf dhaberweid,
wurft uns den strosack für die thür,
nambt euch ein weil ein andern für.
Es jemandem in seinen Hafer mischen: ihm die Schuld an etwas geben, eigentlich: ihm etwas zu essen geben, was nicht gut schmeckt; vgl. ›Jemandem etwas in die Schuhe schieben‹. Vgl. niederländisch ›het iemand in zijn hawer mengelen‹, abgewandelt auch im Englischen ›to lay a thing in a person's dish‹.
Den Hafer(sack) höher (hoch) hängen; diese Redensart kann sich einmal auf das Pferd beziehen und bedeutet dann: das Tier bekommt nicht genug Futter, es ist mager; so z.B. rheinisch ›dem Gaul hon se de Hawer hoch gehängkt‹; zum andern aber steht sie in Bezug zum Menschen und meint dann die Maßnahme gegen einen Übermütigen; vgl. ›Den Brotkorb höher hängen‹, ⇨ Brotkorb.
Die Tatsache, daß Pferde von zu reichlicher Haferfütterung übermütig werden, ist auch die Grundlage für die Redensart Ihn sticht der Hafer. Diese Redensart war schon früh bekannt, wurde aber zuerst nur auf Pferde angewandt: »Der Haber pfleget diejenigen Pferde gemeiniglich zu stechen, welche im Stalle stehen und nichts zu tun haben« (Castimonius: ›Politische Hofmädgen‹, 30); jedoch wird schon bei Grimmelshausen das Bild auf menschlichen Übermut übertragen: »Ebenso hatte auch allhier der Habern ... den Simplex zimlich gestochen« (›Simplicissimus‹ I, 3; 9. Kapitel). Im Gegensatz zum Roggen- und besonders zum Gerstenstroh mit den langen Grannen sticht Haferstroh nicht. Es wurde daher früher gern zur Füllung der ›Strohsäcke‹, die als Matratzen dienten, gebraucht. Die Redensart ist im gesamten deutschsprachigen Gebiet verbreitet; so heißt es rheinisch ›dat Haferkoenche steckt en‹, schleswig-holsteinisch ›em stickt de Hawer‹, in Siebenbürgen ›de Hôwer kêkt en‹; schweizerisch ›de Hab'r stickt einen‹. Im Amerikanischen ist das gleiche Bild beibehalten worden ›he feels his oats‹, englisch ist es leicht abgewandelt ›his provender (Viehfutter) pricks him‹, im Niederländischen ist die Redensart aus dem menschlichen Bereich genommen ›de broodkruimels steken hem‹, jedoch existiert daneben auch die Wendung ›de haverkorrels steken hem‹.
Auch die folgende Redensart ist aus dem tierischen Bereich in den des Menschen gelangt: Seinen Hafer verdient haben: seinen Lohn verdient haben, vgl. französisch ›gagner son avoine‹.
Hafer in der Bedeutung von ›Schnaps‹ meinen vereinzelte, meist mundartlich begrenzte Redensarten; so z.B. rheinisch ›Hafer hole gehn, sich behavern‹, sich betrinken, schwäbisch ›Hafer im Kopf haben‹, angetrunken sein, aber auch: überspannt, hochmütig sein; von dieser Bedeutung des Hafers stammt wohl auch der Ausdruck ›Hafernarr‹ für einen Schwätzer (Marburg).
Aus dem Hafer in die Gerste geraten: von einer mißlichen Situation in eine andere, eventuell schlimmere kommen. Hafer ist Rispengras und kitzelt im Gesicht, Gerstenähren haben – die längsten – Grannen und stechen. In jemandes Hafer gehen: sich in fremde Angelegenheiten (vor allem Liebschaften) mischen, rheinisch ›einen in de Hawer hüden‹.
Eine Reihe von Redensarten beschreibt das – meist nicht gerade vorteilhafte – Aussehen eines Menschen; so rheinisch ›den hat de Hafer dönn gesiht‹, er hat spärlichen Bartwuchs, bairisch ›ins Haberfeld schauen‹, schielen (aber ›mit seinen Gedanken im Haberfeld sein‹, zerstreut sein); schwäbisch ›Hafer im Leib haben‹, stark sein, ganz ähnlich auch rheinisch ›Hafer in de Knoche (Kneje)‹, schweizerisch ›Hafer in de Chneune ha‹, feststehen. Noch nicht viel Hafer gedroschen haben: nicht sehr kräftig, nicht an schwere Arbeit gewöhnt sein. ›Hej dritt de Hawer ganz‹ sagt man rheinisch von einem kränklichen Menschen, und in Mitteldeutschland heißt es ›de Hâwer pröckelt em on Arsch‹. Mecklenburgisch weist man ein schmutziges Kind zurecht ›di waßt de Hawern in de Uhren‹.
Rheinisch ›de Hawer us de Perdsköttele lese‹, nichts schaffen, seine Zeit vertun; vgl. französisch ›écouter à l'avoine‹ (veraltet).
Der Hafer ist nicht nur das bevorzugte Futter für das Pferd, sondern auch für die Ziege, daher die mecklenburgische Redensart ›dee geiht dor up los as de Buck uppe Hawergarw‹, ungeschickt, wagemutig; rheinisch ›he fällt drop as de Bock op de Hawerkist‹, er fängt die Sache mit einem Eifer an, der nicht bis zum Schluß anhält; ›he gringt wie eine Bock op en Hawerkist‹, er ist ärgerlich, bei der Arbeit gestört zu werden; niederdeutsch ›he sitt upn Geld as de Buck up de Haberkiste‹, holsteinisch ›he settet den Buck up de Haberkiste‹, Er macht den Bock zum Gärtner, ⇨ Bock.
Als ›Hawermaus‹ wird im Rheinland die Hausgrille bezeichnet: ›er singt wie en Hawermaus‹, er singt sehr schlecht; ›me ment, de kräch (kriegte) alle Karfreidag en Hawermaus geback‹ sagt man von einem mageren oder schlecht aussehenden Menschen.
Die Spreu und das Stroh des Hafers sind sehr leicht und von geringem Wert: Durcheinander gehen wie der gemäht Habern: drunter und drüber gehen; Er ist weg wie Haberspreu: er ist spurlos verschwunden; Mit Haberstroh lohnen: schlecht lohnen; Für eine alte Schuld soll man Haberstroh nehmen, weil eine alte Schuld nur selten bezahlt wird; dieses Sprichwort ist schon mittelhochdeutsch bekannt: »man muoz an boesem gelte haberstrô für guot nemen« (Br. Berthold 386, 4); mecklenburgisch ›vör eene ungewisse Schuld moet man Hawer-Kaff (Spreu) nehmen‹, ›ungewiß Schulden un hawerkaff wägen lik väl‹; dort sagt man auch von einem wohlgenährten Menschen ›de is nich met Hawerkaff mästet‹. Um Haferspreu streiten: um Geringfügiges streiten, niederländisch ›zij twisten om haverstroo‹.
Umgangssprachlich spricht man heute von einem Hafermotor (mit Peitschenzündung): Pferd, sowie von einer Haferschleimvilla: Krankenhaus.
• H. MARZELL: Artikel ›Hafer‹, in: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens III, Sp. 1300-1304; W. DANCKERT: Symbol, Metapher, Allegorie im Lied der Völker, Bd. III (Bonn – Bad Godesberg 1978), S. 909-922.