Redensarten Lexikon
Götter
Einige hierhergehörige redensartliche Wendungen beziehen sich auf Bibelstellen: So Gott will (Apg 18, 21; ebenso 1 Kor 4, 19, Hebr 6, 3 und Jak 4, 15. Von Gott geschlagen (Jes 53,4); von Gott gezeichnet (nach Gen 4, 15; vgl. Jes 49, 16); vgl. französisch ›marqué par Dieu‹; von Gott verlassen (Ps 8,6). Mann Gottes! steht Dtn 33,1 und sonst noch sehr oft im A.T. (⇨ gottlos). Groß ist die Zahl der redensartlichen Beteuerungsformeln, in denen Gott genannt (oder auch durch eine Umschreibung vermieden) wird (vgl. ›ins Bockshorn jagen‹), z.B. Gott behüte! Bei Gott! vgl. französisch ›Parbleu‹ (= par Dieu) oder Bei Gott und allen Heiligen! Da schlag Gott den Teufel tot!: Ausruf des Erstaunens. Du bist wohl ganz von Gott verlassen!: Ausdruck des Unwillens, des Erstaunens. Gott hab' ihn selig!: vgl. französisch ›Dieu aie son âme‹ (wörtlich: Gott habe seine Seele); Gott laß ihn ruhen von einem Verstorbenen, besonders zur Verbrämung übler Nachrede.
Als Ausdruck der Bekräftigung heißt es: ›Geh mit Gott, aber geh‹.
Leben wie Gott (wie der liebe Herrgott) in Frankreich: ohne Sorgen, herrlich und in Freuden leben; vgl. französisch ›vivre comme Dieu en France‹ (heute ungebräuchlich). Nach der ›Revue des deux mondes‹ ist hier mit Gott die französische Geistlichkeit des Mittelalters gemeint, der es außerordentlich gut ging. Das ›Spruchwörterbuch‹ von Lipperheide (S. 496) gibt an, der Spruch stamme von Kaiser Maximilian I. (regierte 1493-1519), nennt aber keine Quelle dafür. In Zincgref-Weidners ›Apophthegmata‹ (Leipzig 1693) ist dieser angebliche Ausspruch Maximilians wiedergegeben: »Als er (Maximilian I.) auf eine Zeit gar vertrauliche Gespräch hielte mit etlich seiner Leuten von einem und anderem Land und Königreich, fället er unter andern auch dieses Urteil: ›Wenn es möglich wäre, daß er Gott sein könnte und zween Söhne hätte, so müßte mir der älteste Gott nach mir und der andere König in Frankreich sein‹.« Dieser Satz hat im Munde des Kaisers einige Wahrscheinlichkeit, denn manche ähnlichen Aussprüche sind von ihm überliefert; gerne verglich sich Maximilian mit dem König von Frankreich, den er wegen seiner ›gottähnlichen‹ absoluten Herrschaft beneidete. Freilich trägt die Überlieferung anekdotenhafte Züge. Die Redensart wird sonst gewöhnlich aus der Zeit erklärt, wo Gott in den ersten Jahren der Republik in Frankreich abgesetzt, wo der Kultus der Vernunft an die Stelle des Christentums gesetzt war. Damals habe der liebe Gott in Frankreich nichts mehr zu tun, nichts zu sorgen gehabt, und so sei zwischen 1792 und 1794 für einen, der es sich bequem macht, die Redensart aufgekommen, die darauf abzielt, die Dinge in Frankreich zu persiflieren. Der Vernunftkultus dauerte in Frankreich kaum länger als ein Jahr; dann ließ Robespierre wieder das Dasein eines höchsten Wesens dekretieren (Mai 1794). Damals schrieb Pfeffel die Verse:
Darfst, lieber Gott, nun wieder sein,
So will's der Schach der Franken.
Laß flugs durch ein Paar Engelein
Dich schön dafür bedanken.
Weniger wahrscheinlich ist die Erklärung, daß man von einem, der herrlich und in Freuden lebt, auch sagt. ›Er lebt wie ein Gott‹ oder ›Er hat ein Leben wie ein junger Gott‹. Der Zusatz ›in Frankreich‹ sei nur eine Steigerung dieses Ausdrucks und erkläre sich daher, daß es sich nirgends so gut leben lasse wie in dem schönen Frankreich. Vielleicht liegt aber auch eine Vermischung der beiden älteren Redensarten vor: ›Leben wie ein Gott‹ und ›Leben wie ein Herr in Frankreich‹. Aus dieser Redensart erklärt sich auch sehr wahrscheinlich die in Wien übliche scherzhafte Erwiderung auf die Klage, daß Gott so etwas zulassen könne: ›Gott ist nicht zu Hause, er ist in Frankreich‹. Auch literarische Belege der Redensart gibt es, z.B. in Heinrich Heines ›Reisebildern‹ (II. Teil): »Man lebt in lauter Lust und Pläsir, so recht wie Gott in Frankreich«. Von einem, der es sich besonders gut gehen läßt und der keine Sorgen hat, heißt es in Frankreich selbst: ›Il vit comme un coq en pâte‹ (wörtlich: Er lebt wie ein Hahn in der Pastete), d.h. wahrscheinlich wie einer, der nichts mehr zu tun hat.
Er weiß nicht, wo Gott wohnt: er ist dumm; ähnlich auch in den Mundarten: niederdeutsch ›Hei weit von Gott un de Weld nix‹, er ist ein beschränkter Mensch; ›he weit von Gott un sien Steenstrat nix af‹; ›dei glöwt nich an Religion un Gott un Vater‹ und ähnlich, rheinisch ›Dat es eine Gott (Jott) un ei Gebott (Jebott)‹, eine dicke Freundschaft, enge Gemeinschaft, eine Meinung. Dies ist gleichbedeutend mit der anderen rheinischen Redensart ›ene Gott on ene Pott‹.
Gott einen strohernen Bart flechten: religiöse Dinge unehrerbietig behandeln; als Heuchler seine Gottlosigkeit mit dem Mantel der Frömmigkeit zudecken; vgl. französisch ›faire barbe de paille à Dieu‹. ›Barbe‹ dürfte Entstellung aus ›jarbe‹, ›gerbe‹ sein und die Redensart sich auf die frühere Abgabe des Zehnten an die Geistlichkeit beziehen, bei der oft kornlose Garben in betrügerischer Absicht abgeliefert wurden. Ähnlich etwas Gott vom Altar nehmen (niederländisch ›hij zou het van Gods altaar nemen‹) oder auch etwas Gott von den Füßen nehmen; ⇨ Bart.
Den lieben Gott einen guten Mann sein lassen: unbekümmert um die Zukunft dahinleben. Wer unbekümmert, sorglos und in Freuden lebt, denkt sich Gott nicht als Rachegott, sondern als friedfertigen guten Mann, der dem fröhlichen Weltkind sein Verhalten nachsieht. Die Redensart ist mundartlich und literarisch seit dem 18. Jahrhundert belegt, sie erscheint 1878 bei Gottfried Keller im ›Landvogt von Greifensee‹: »Im übrigen ließ jeder den Herrgott einen guten Mann sein«. Ähnlich in den Mundarten., z.B. rheinisch ›De lit Gott ene gode Mann sen‹, er ist gleichgültig, träge, lebt in den Tag hinein; schleswig-holsteinisch ›He lett Gott eêen gôden Mann sin‹, er läßt alles gehen, wie es geht; schweizerisch ›Er lod der liebe God e guete Ma si‹, er lebt leichtsinnig fort. Diese weitverbreitete Redensart geht sicher bis ins 18. Jahrhundert zurück und wird bei Gottschalk als Übersetzung für das französische ›laisser courir l'eau (par le plus bas)‹ angesehen (heute ungebräuchlich), obwohl die gleiche Redensart wörtlich auch im Deutschen vorkommt: Er läßt Gottes Wasser über Gottes Land gehen, mundartlich ›He lött Gotts Water öwer Gotts Land laupen‹; ›den lit Gottes Wasser iwer Gottes Buadem lofe‹, niederländisch ›Hij laat Gods water over Gods akker loopen‹. Ähnlich dem lieben Gott die Zeit (ab)stehlen: müßig gehen. Vgl. auch Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm 22.
Gott sei's gepfiffen und getrommelt! (oder gelobt, getrommelt und gepfiffen): Gott sei Dank! Eine burschikose Verlängerung und Vergröberung der alten Formel ›Gott sei Dank!‹ (literarisch 1867 bei Moritz v. Schwind). Ähnlich die parodistische Formel: ›Sport sei Dank‹.
Laß dich nicht vom lieben Gott erwischen: geh bei deinem unehrlichen (oder sonst nicht ganz einwandfreien) Vorhaben vorsichtig vor! Die Redensart bezieht sich auf Gottes Allwissenheit (wahrscheinlich noch vor 1900 aufgekommen). Gott zum Gruß ⇨ Gruß. Grüß Gott, wenn du ihn siehst (ihn triffst): scherzhafter Abschiedsgruß (wohl im 19. Jahrhundert aufgekommen), wobei Gott irreführend als Akkusativobjekt aufgefaßt wird, während die ursprüngliche Form des Grußes meint: ›Gott grueze dich!‹, wie es in der mittelhochdeutschen Formulierung des Grußes immer heißt. Häufig erhält die Wendung auch den Zusatz: ›Sag ihm, er wär ein guter Mann‹.
Als Ausdruck der Ergebenheit in den Willen Gottes dient der weithin bekannte Nachsatz: ›So Gott will‹, der in Briefen nicht selten in der Abkürzung ›S.G.w.‹ begegnet. Ähnlich auch die Formel: ›Das walte Gott‹: hoffentlich. Im Gegensatz dazu drückt die Redensart an Gott und den Menschen (ver-)zweifeln einen Verlust an Vertrauen aus. Sie wird meist gebraucht in der Bedeutung: nicht mehr wissen, was richtig ist, keine Hoffnung mehr haben.
»Es ist bestimmt in Gottes Rat« ist der Titel eines Liedes von Ernst Frh. v. Feuchtersleben (1806-49), vertont von Felix Mendelssohn. »Behüt dich Gott! Es wär' zu schön gewesen (Behüt dich Gott! Es hat nicht sollen sein)« ist ein Zitat aus dem ›Trompeter von Säckingen‹ (1854) von Joseph Viktor v. Scheffel (1826-86).
Etwas für Gottes Lohn tun: gegen ein ›Vergelt's Gott‹, d.h. umsonst, ⇨ Gotteslohn. Verschiedene andere Redensarten bedürfen keiner besonderen Erläuterung, wie z.B. auf Gottes Boden gehen: barfuß oder in Schuhen ohne Sohlen gehen. Dem gibt's Gott, er darf bloß das Maul aufhalten: jemand erreicht etwas ohne Mühe. Den lieben Gott in die Schule nehmen wollen sagt man von jemandem, der alles besser weiß und namentlich auch seine Umgebung schulmeistern will. Er ist Gottes Wort vom Lande: scherzhafte Bezeichnung eines Dorfgeistlichen. Von Gott im Zorn erschaffen: widerlich, häßlich (von Personen gesagt); was nicht schön ist, muß von Gott wohl im Zorn erschaffen worden sein (1838 bei Heinrich Heine bezeugt). Er hat Gott im Munde und den Teufel in den Händen sagt man von jemandem, der heuchelt. Gott und den Teufel in ein Glas bannen: gleichzeitig zwei Herren dienen; ebenso Gott und dem Teufel ein Licht anzünden oder Gott eine Hand bieten und dem Teufel die andere, vgl. französisch ›Il donne une chandelle à Dieu et au diable‹ (ungebräuchlich) ⇨ Teufel; er möchte dem lieben Gott die Füße küssen: er ist ein Kriecher.
›Gang mr weg, euser Herrgott isch au a Mannsbild‹ ist eine beliebte Floskel bei schwäbischen Landfrauen, die fest auf der Erde bzw. auf dem Boden der Tatsachen stehen. Allgemein bekannte Formeln sind auch: ›Kind Gottes‹ als Ausdruck des Vorwurfs, ›Unter Gottes freiem Himmel‹ anstelle von ›Mutter Grün‹, ›Geb's Gott‹ bei Voraussagen, die Anlaß zu Zweifeln geben, oder ›Gnade dir Gott‹ als unmißverständliche Warnung. ›Dein Wort in Gottes Ohr‹: Gott sollte darauf aufmerksam werden, meint eine gewichtige Aussage, ⇨ Wort.
In einem bekannten Schwank wirft der Mann seiner Frau eine Bibel an den Kopf, entschuldigt sich dann aber mit der Bemerkung, er habe sie ja nur mit ›Gottes Wort trösten‹ wollen.
Mit Gott und der Welt verwandt sein: eine große Verwandtschaft haben; Gott und die Welt kennen: viele Leute kennen.
Über Gott und die Welt reden: über alles mögliche reden, wobei Gott nicht unbedingt vorkommen muß.
Gott helf!, helf dir Gott! Dieser Zuruf beim Niesen wird heute ganz gedankenlos getan und hat doch einmal einen bestimmten Sinn gehabt. Andere Formeln beim Niesen lauten: schweizerisch, ›Helf dr Gott in Himmel ufe, wenn d'Zit nahe ist‹; ›helf dr Gott is ewig Lebe‹; scherzhaft schwäbisch ›Helf dr Gott von Sünda, vom Geald kommscht von selber!‹; vgl. französisch ›Dieu te bénisse‹. Den auf Gott bezogenen Nies-Wünschen antwortet man nicht nur mit dem alltäglichen ›Danke‹, sondern in gesetzter Form, würdig dem eigentlichen Segenswunsch. Besonders feierlich und altertümlich ist: ›Das tüe Gott, helf is Gott allene‹; ›danke, helf-is Gott alle is ewig Lebe im Himmel‹.
Die Sitte, jemandem, der niest, Glück, Gesundheit und Gottes Segen zu wünschen, ist, wie zahlreiche Darstellungen zeigen, uralt und weit verbreitet. Sie läßt sich bei außereuropäischen Völkern ebenso aufzeigen wie bei uns, in der Antike ebenso wie in der heutigen Zeit. In den redensartlichen Formeln wirken allerlei Vorstellungen nach, warum man dem Niesenden Glück wünscht. Heute handelt es sich nur noch um redensartlich erstarrte Formeln, die aus Höflichkeit gebraucht werden. Unbewußt mag vielleicht dabei, wie bei allen Wünschen, die sehr persönliche Absicht mitschwingen, dem Niesenden wirklich zu Segen und Gesundheit zu verhelfen. Zum Teil werden diese Wünsche mit spaßhaften redensartlichen Zusätzen erweitert, denen meist die bildhafte Vorstellung zugrunde liegt, der Niesende solle die Stube verlassen, das Weite suchen, sich im Himmel aufhalten und hier auf Erden nicht mehr stören, z.B. schweizerisch ›Helf dr Gott in Himmel ufe, so chunsch-mer us der Stube use‹ oder ›Helf dr Gott ins Para diis, so chunsch de Lütte ab dr Spiis‹ oder ›Helf dr Gott in Mehlsack ie, daß chast wiiss i Himmel ie‹. Im euphemistischen Sinne sagt man ›Helf dr Gott is Grab‹, worauf die redensartliche Antwort lautet ›Helf dr Gott o drii, ohne dii chame o sii‹. Solche Erweiterungen sind sicher nicht als Spott aufzufassen, sondern sie wollen vielleicht das Altertümliche, beinahe Feierliche, das in den religiösen Formeln zum Ausdruck kommt, abschwächen. Man mindert ihren Wert herab, denn man möchte doch nicht als fromm oder gar als altväterisch erscheinen. Der ältere Wunsch ist durch den jüngeren ›Gesundheit‹ abgelöst worden. Auch dieser Wunsch wird gelegentlich spaßhaft erweitert: ›Gesundheit isch au guet bim Hueste‹. Das aus dem Lateinischen stammende Wunschwort ›Prosit‹ im Sinne von ›es soll nützen‹ und das entsprechende deutsche ›Zum Wohl‹ sind nicht so häufig, ⇨ Gesundheit.
›Ach Gott!‹ ist ein bekannter Stoßseufzer. Da es verboten ist, den Namen Gottes vergeblich zu führen oder als Fluch zu gebrauchen, gibt es zahlreiche Ersatzformeln, wie z.B. ›Oh Gott‹, ›Gott o Gott‹, ›Ach du meine Güte‹, ›Eigottverpips‹ (englisch entsprechend ›Oh my Goodness‹ oder ›Oh boy‹ u.ä.).
Als Parodie auf blindes und übertriebenes Gottvertrauen gilt der sprichwörtlich gewordene Berliner Vers: ›Wer Jott vertraut und Bretter klaut, der hat 'ne billige Laube‹. Weniger bekannt ist die Wendung ›Gott ist kein Bayer, er läßt seiner nicht spotten‹. In früherer Zeit war sie eine vielzitierte Redensart, die unter anderem schon bei Geiler von Kaysersberg belegt ist: »Desgleichen ist unser Herr Gott auch kein Bayer, er läßt nicht mit sich scherzen« (Betrachtungen zu S. Brant's Narrenschiff – XIX. Narr-Kloster, I, 330). Es gibt eine Reihe von scherzhaften Erklärungen für diese Wendung. Wahrscheinlich ist sie aber in erster Linie gegen die Kleinstaaterei gerichtet, wofür auch einige Sprichwörter sprechen (vgl. Wander II, 33-34).
›Lieber Gott von Bentheim‹: Ausdruck des Erstaunens, Entsetzens oder der Ungeduld, ⇨ Herrgott. Desgleichen die Wendung ›Um Gottes willen!‹ Weit bekannt ist auch die Graffiti-Inschrift:
»Gott ist tot« (Nietzsche)
»Nietzsche ist tot« (Gott),
die ihren Ursprung in einem weitverbreiteten, schon im 15. Jahrhundert bezeugten Schwank hat (Aarne-Thompson 1833 E).
In zahlreichen Redensarten werden die Götter der Antike beschworen, wie z.B. ›Das wissen die Götter‹
oder ›Das ruht (liegt) im Schoße der Götter‹ (Homer: ›Ilias‹ XVII, 514 u.a., vgl. Büchmann) sowie der sprichwörtlich gewordene Satz: ›Mit der Dummheit kämpfen Götter selbst vergebens‹ (Schiller: ›Jungfrau von Orleans‹ III, 6). Schiller meinte damit: mit der Dummheit im Bunde, nicht, wie man gewöhnlich denkt, wenn man das Zitat benutzt: gegen die Dummheit.
Ein Schauspiel (Bild, Anblick) für Götter: ein besonders schöner Anblick. Vgl. Goethes Singspiel ›Erwin und Elmire‹ (I, 1):
Ein Schauspiel für Götter,
Zwei Liebende zu sehn!
Ähnlich 1883 bei Fontane. Das ›Schauspiel für Götter!‹ geht weit ins Altertum zurück. Die Vorstellung, daß der tapfere, mit dem Schicksal ringende Mann ein solches bietet, ist bei den späteren Stoikern beliebt. Seneca (›De providentia‹ 2,7ff.) sagt von solchem Kampf mit dem Schicksal: »Ecce spectaculum dignum ad quod respiciat intentus operi suo deus« (Das ist ein Schauspiel, wert der Betrachtung des auf sein Werk achtenden Gottes). Die Kirchenväter übernahmen das Bild ins Christliche und trugen dadurch zu seiner Erhaltung und Verbreitung bei; vgl. Cyprianus (gest. 258), Eph 56, 8 (Migne IV, 366) und 1 Kor 4, 9:
Denn wir sind ein Schauspiel worden
Der Welt und den Engeln und den Menschen.
Der junge Goethe dürfte sich aber wohl kaum von solchen erbaulichen Gedanken geleitet haben lassen, sondern eher an die Stelle der ›Odyssee‹ (VIII, 266ff.) gedacht haben, wo Aphrodite und Ares, von des Hephaistos Schlingen auf buhlerischem Liebeslager festgehalten, den Göttern ein bedenkliches Schauspiel liefern (Büchmann).
Redensartlich lebendig geblieben ist auch ›Wen die Götter lieben‹ durch den gleichnamigen Mozart-Film, dem eine Novelle von Clara Viebig (1898) zugrunde liegt.
Im medizinischen Bereich begegnet nicht selten der Spruch: ›Ich behandelte ihn, und Gott heilte ihn‹. Unter Medizinern hatte er schon in früher Zeit sprichwörtliche Bedeutung erlangt und vor allem durch die Kriegserinnerungen von A. Paré – berühmter Feldchirurg im Dienste von vier französischen Königen – weithin Verbreitung gefunden. E.F. Podach weist darauf hin, daß der Herausgeber von A. Parés gesammelten Werken, der französische Chirurg und Historiker Joseph François Malgaigne, in seiner Einleitung zum ersten Band (1840) die Verbürgtheit der Worte bezweifelt. Der Spruch war seit langem derart bekannt, daß ihn viele für eine der alten Volksweisheiten hielten, die keinen individuellen Urheber haben. So war man sich bewußt, daß die Sentenz kein literarischer Einfall des alten Paré war, sondern eher die Bekundung einer Gesinnung, die den glücklichen Ausgang eines chirurgischen Eingriffes nicht eigenem Verdienst, sondern dem Wirken Gottes zuschreibt: »denn die Natur bringt oft Dinge zustande, die den Chirurgen unmöglich erscheinen«. Später begegnet der Spruch häufig in der abgewandelten Fassung: ›Der König (die Königin) berührte ihn, und Gott heilte ihn‹.
• A. DUCLOS: ›Lijk God in Vrankrijk‹, in: Rond den Heerd 18 (1883), S. 208; W. UNSELD: Der Herrgott in schwäbischen Sprichwörtern und Redensarten, in: Alemannia 20 (Bonn 1892), S. 290-293; P. SAINTYVES: L'éternuement et la baillement dans la magie, l'éthnographie et le folklore médical (Paris 1921); K. BETH: Artikel ›Gott‹, ›Gotteslästerung‹, ›Gottesname‹, in: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens III, Spalte 941-994; P. SARTORI: Artikel ›niesen‹, in: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens VI, Spalte 1072ff.; Atlas der Schweizerischen Volkskunde II, S. 241f. und der dazugehörige Kommentar von W. Eschen; E.F. PODACH: Ursprung und Bedeutung des Spruches ›Ich behandelte ihn, und Gott heilte ihn‹, in: Die Medizinische Wochenschrift 36 (1955), S. 1279-1282; P.E. SCHRAMM: Der König in Frankreich. Das Wesen der Monarchie vom 9. bis zum 16. Jahr-
hundert (Darmstadt 1960); A.V.C. SCHMIDT: ›Donum Dei‹, in: Notes & Queries 214 (1969), S. 286; M. BELGRADER: Artikel ›Fluch, Fluchen, Flucher‹, in: Enzyklopädie des Märchens IV, Spalte 1315-1328; J. BAUER: Artikel ›Gott, Götter, Gottheit‹, in: Enzyklopädie des Märchens V, Spalte 1420-1437; L. INTORP: Artikel ›Gott ist tot‹, in: Enzyklopädie des Märchens VI, Spalte 3-6; U. MASING: Artikel ›Gottes Segen‹, in: Enzyklopädie des Märchens VI, Spalte 12-16, hier besonders 14.
Als Ausdruck der Bekräftigung heißt es: ›Geh mit Gott, aber geh‹.
Leben wie Gott (wie der liebe Herrgott) in Frankreich: ohne Sorgen, herrlich und in Freuden leben; vgl. französisch ›vivre comme Dieu en France‹ (heute ungebräuchlich). Nach der ›Revue des deux mondes‹ ist hier mit Gott die französische Geistlichkeit des Mittelalters gemeint, der es außerordentlich gut ging. Das ›Spruchwörterbuch‹ von Lipperheide (S. 496) gibt an, der Spruch stamme von Kaiser Maximilian I. (regierte 1493-1519), nennt aber keine Quelle dafür. In Zincgref-Weidners ›Apophthegmata‹ (Leipzig 1693) ist dieser angebliche Ausspruch Maximilians wiedergegeben: »Als er (Maximilian I.) auf eine Zeit gar vertrauliche Gespräch hielte mit etlich seiner Leuten von einem und anderem Land und Königreich, fället er unter andern auch dieses Urteil: ›Wenn es möglich wäre, daß er Gott sein könnte und zween Söhne hätte, so müßte mir der älteste Gott nach mir und der andere König in Frankreich sein‹.« Dieser Satz hat im Munde des Kaisers einige Wahrscheinlichkeit, denn manche ähnlichen Aussprüche sind von ihm überliefert; gerne verglich sich Maximilian mit dem König von Frankreich, den er wegen seiner ›gottähnlichen‹ absoluten Herrschaft beneidete. Freilich trägt die Überlieferung anekdotenhafte Züge. Die Redensart wird sonst gewöhnlich aus der Zeit erklärt, wo Gott in den ersten Jahren der Republik in Frankreich abgesetzt, wo der Kultus der Vernunft an die Stelle des Christentums gesetzt war. Damals habe der liebe Gott in Frankreich nichts mehr zu tun, nichts zu sorgen gehabt, und so sei zwischen 1792 und 1794 für einen, der es sich bequem macht, die Redensart aufgekommen, die darauf abzielt, die Dinge in Frankreich zu persiflieren. Der Vernunftkultus dauerte in Frankreich kaum länger als ein Jahr; dann ließ Robespierre wieder das Dasein eines höchsten Wesens dekretieren (Mai 1794). Damals schrieb Pfeffel die Verse:
Darfst, lieber Gott, nun wieder sein,
So will's der Schach der Franken.
Laß flugs durch ein Paar Engelein
Dich schön dafür bedanken.
Weniger wahrscheinlich ist die Erklärung, daß man von einem, der herrlich und in Freuden lebt, auch sagt. ›Er lebt wie ein Gott‹ oder ›Er hat ein Leben wie ein junger Gott‹. Der Zusatz ›in Frankreich‹ sei nur eine Steigerung dieses Ausdrucks und erkläre sich daher, daß es sich nirgends so gut leben lasse wie in dem schönen Frankreich. Vielleicht liegt aber auch eine Vermischung der beiden älteren Redensarten vor: ›Leben wie ein Gott‹ und ›Leben wie ein Herr in Frankreich‹. Aus dieser Redensart erklärt sich auch sehr wahrscheinlich die in Wien übliche scherzhafte Erwiderung auf die Klage, daß Gott so etwas zulassen könne: ›Gott ist nicht zu Hause, er ist in Frankreich‹. Auch literarische Belege der Redensart gibt es, z.B. in Heinrich Heines ›Reisebildern‹ (II. Teil): »Man lebt in lauter Lust und Pläsir, so recht wie Gott in Frankreich«. Von einem, der es sich besonders gut gehen läßt und der keine Sorgen hat, heißt es in Frankreich selbst: ›Il vit comme un coq en pâte‹ (wörtlich: Er lebt wie ein Hahn in der Pastete), d.h. wahrscheinlich wie einer, der nichts mehr zu tun hat.
Er weiß nicht, wo Gott wohnt: er ist dumm; ähnlich auch in den Mundarten: niederdeutsch ›Hei weit von Gott un de Weld nix‹, er ist ein beschränkter Mensch; ›he weit von Gott un sien Steenstrat nix af‹; ›dei glöwt nich an Religion un Gott un Vater‹ und ähnlich, rheinisch ›Dat es eine Gott (Jott) un ei Gebott (Jebott)‹, eine dicke Freundschaft, enge Gemeinschaft, eine Meinung. Dies ist gleichbedeutend mit der anderen rheinischen Redensart ›ene Gott on ene Pott‹.
Gott einen strohernen Bart flechten: religiöse Dinge unehrerbietig behandeln; als Heuchler seine Gottlosigkeit mit dem Mantel der Frömmigkeit zudecken; vgl. französisch ›faire barbe de paille à Dieu‹. ›Barbe‹ dürfte Entstellung aus ›jarbe‹, ›gerbe‹ sein und die Redensart sich auf die frühere Abgabe des Zehnten an die Geistlichkeit beziehen, bei der oft kornlose Garben in betrügerischer Absicht abgeliefert wurden. Ähnlich etwas Gott vom Altar nehmen (niederländisch ›hij zou het van Gods altaar nemen‹) oder auch etwas Gott von den Füßen nehmen; ⇨ Bart.
Den lieben Gott einen guten Mann sein lassen: unbekümmert um die Zukunft dahinleben. Wer unbekümmert, sorglos und in Freuden lebt, denkt sich Gott nicht als Rachegott, sondern als friedfertigen guten Mann, der dem fröhlichen Weltkind sein Verhalten nachsieht. Die Redensart ist mundartlich und literarisch seit dem 18. Jahrhundert belegt, sie erscheint 1878 bei Gottfried Keller im ›Landvogt von Greifensee‹: »Im übrigen ließ jeder den Herrgott einen guten Mann sein«. Ähnlich in den Mundarten., z.B. rheinisch ›De lit Gott ene gode Mann sen‹, er ist gleichgültig, träge, lebt in den Tag hinein; schleswig-holsteinisch ›He lett Gott eêen gôden Mann sin‹, er läßt alles gehen, wie es geht; schweizerisch ›Er lod der liebe God e guete Ma si‹, er lebt leichtsinnig fort. Diese weitverbreitete Redensart geht sicher bis ins 18. Jahrhundert zurück und wird bei Gottschalk als Übersetzung für das französische ›laisser courir l'eau (par le plus bas)‹ angesehen (heute ungebräuchlich), obwohl die gleiche Redensart wörtlich auch im Deutschen vorkommt: Er läßt Gottes Wasser über Gottes Land gehen, mundartlich ›He lött Gotts Water öwer Gotts Land laupen‹; ›den lit Gottes Wasser iwer Gottes Buadem lofe‹, niederländisch ›Hij laat Gods water over Gods akker loopen‹. Ähnlich dem lieben Gott die Zeit (ab)stehlen: müßig gehen. Vgl. auch Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm 22.
Gott sei's gepfiffen und getrommelt! (oder gelobt, getrommelt und gepfiffen): Gott sei Dank! Eine burschikose Verlängerung und Vergröberung der alten Formel ›Gott sei Dank!‹ (literarisch 1867 bei Moritz v. Schwind). Ähnlich die parodistische Formel: ›Sport sei Dank‹.
Laß dich nicht vom lieben Gott erwischen: geh bei deinem unehrlichen (oder sonst nicht ganz einwandfreien) Vorhaben vorsichtig vor! Die Redensart bezieht sich auf Gottes Allwissenheit (wahrscheinlich noch vor 1900 aufgekommen). Gott zum Gruß ⇨ Gruß. Grüß Gott, wenn du ihn siehst (ihn triffst): scherzhafter Abschiedsgruß (wohl im 19. Jahrhundert aufgekommen), wobei Gott irreführend als Akkusativobjekt aufgefaßt wird, während die ursprüngliche Form des Grußes meint: ›Gott grueze dich!‹, wie es in der mittelhochdeutschen Formulierung des Grußes immer heißt. Häufig erhält die Wendung auch den Zusatz: ›Sag ihm, er wär ein guter Mann‹.
Als Ausdruck der Ergebenheit in den Willen Gottes dient der weithin bekannte Nachsatz: ›So Gott will‹, der in Briefen nicht selten in der Abkürzung ›S.G.w.‹ begegnet. Ähnlich auch die Formel: ›Das walte Gott‹: hoffentlich. Im Gegensatz dazu drückt die Redensart an Gott und den Menschen (ver-)zweifeln einen Verlust an Vertrauen aus. Sie wird meist gebraucht in der Bedeutung: nicht mehr wissen, was richtig ist, keine Hoffnung mehr haben.
»Es ist bestimmt in Gottes Rat« ist der Titel eines Liedes von Ernst Frh. v. Feuchtersleben (1806-49), vertont von Felix Mendelssohn. »Behüt dich Gott! Es wär' zu schön gewesen (Behüt dich Gott! Es hat nicht sollen sein)« ist ein Zitat aus dem ›Trompeter von Säckingen‹ (1854) von Joseph Viktor v. Scheffel (1826-86).
Etwas für Gottes Lohn tun: gegen ein ›Vergelt's Gott‹, d.h. umsonst, ⇨ Gotteslohn. Verschiedene andere Redensarten bedürfen keiner besonderen Erläuterung, wie z.B. auf Gottes Boden gehen: barfuß oder in Schuhen ohne Sohlen gehen. Dem gibt's Gott, er darf bloß das Maul aufhalten: jemand erreicht etwas ohne Mühe. Den lieben Gott in die Schule nehmen wollen sagt man von jemandem, der alles besser weiß und namentlich auch seine Umgebung schulmeistern will. Er ist Gottes Wort vom Lande: scherzhafte Bezeichnung eines Dorfgeistlichen. Von Gott im Zorn erschaffen: widerlich, häßlich (von Personen gesagt); was nicht schön ist, muß von Gott wohl im Zorn erschaffen worden sein (1838 bei Heinrich Heine bezeugt). Er hat Gott im Munde und den Teufel in den Händen sagt man von jemandem, der heuchelt. Gott und den Teufel in ein Glas bannen: gleichzeitig zwei Herren dienen; ebenso Gott und dem Teufel ein Licht anzünden oder Gott eine Hand bieten und dem Teufel die andere, vgl. französisch ›Il donne une chandelle à Dieu et au diable‹ (ungebräuchlich) ⇨ Teufel; er möchte dem lieben Gott die Füße küssen: er ist ein Kriecher.
›Gang mr weg, euser Herrgott isch au a Mannsbild‹ ist eine beliebte Floskel bei schwäbischen Landfrauen, die fest auf der Erde bzw. auf dem Boden der Tatsachen stehen. Allgemein bekannte Formeln sind auch: ›Kind Gottes‹ als Ausdruck des Vorwurfs, ›Unter Gottes freiem Himmel‹ anstelle von ›Mutter Grün‹, ›Geb's Gott‹ bei Voraussagen, die Anlaß zu Zweifeln geben, oder ›Gnade dir Gott‹ als unmißverständliche Warnung. ›Dein Wort in Gottes Ohr‹: Gott sollte darauf aufmerksam werden, meint eine gewichtige Aussage, ⇨ Wort.
In einem bekannten Schwank wirft der Mann seiner Frau eine Bibel an den Kopf, entschuldigt sich dann aber mit der Bemerkung, er habe sie ja nur mit ›Gottes Wort trösten‹ wollen.
Mit Gott und der Welt verwandt sein: eine große Verwandtschaft haben; Gott und die Welt kennen: viele Leute kennen.
Über Gott und die Welt reden: über alles mögliche reden, wobei Gott nicht unbedingt vorkommen muß.
Gott helf!, helf dir Gott! Dieser Zuruf beim Niesen wird heute ganz gedankenlos getan und hat doch einmal einen bestimmten Sinn gehabt. Andere Formeln beim Niesen lauten: schweizerisch, ›Helf dr Gott in Himmel ufe, wenn d'Zit nahe ist‹; ›helf dr Gott is ewig Lebe‹; scherzhaft schwäbisch ›Helf dr Gott von Sünda, vom Geald kommscht von selber!‹; vgl. französisch ›Dieu te bénisse‹. Den auf Gott bezogenen Nies-Wünschen antwortet man nicht nur mit dem alltäglichen ›Danke‹, sondern in gesetzter Form, würdig dem eigentlichen Segenswunsch. Besonders feierlich und altertümlich ist: ›Das tüe Gott, helf is Gott allene‹; ›danke, helf-is Gott alle is ewig Lebe im Himmel‹.
Die Sitte, jemandem, der niest, Glück, Gesundheit und Gottes Segen zu wünschen, ist, wie zahlreiche Darstellungen zeigen, uralt und weit verbreitet. Sie läßt sich bei außereuropäischen Völkern ebenso aufzeigen wie bei uns, in der Antike ebenso wie in der heutigen Zeit. In den redensartlichen Formeln wirken allerlei Vorstellungen nach, warum man dem Niesenden Glück wünscht. Heute handelt es sich nur noch um redensartlich erstarrte Formeln, die aus Höflichkeit gebraucht werden. Unbewußt mag vielleicht dabei, wie bei allen Wünschen, die sehr persönliche Absicht mitschwingen, dem Niesenden wirklich zu Segen und Gesundheit zu verhelfen. Zum Teil werden diese Wünsche mit spaßhaften redensartlichen Zusätzen erweitert, denen meist die bildhafte Vorstellung zugrunde liegt, der Niesende solle die Stube verlassen, das Weite suchen, sich im Himmel aufhalten und hier auf Erden nicht mehr stören, z.B. schweizerisch ›Helf dr Gott in Himmel ufe, so chunsch-mer us der Stube use‹ oder ›Helf dr Gott ins Para diis, so chunsch de Lütte ab dr Spiis‹ oder ›Helf dr Gott in Mehlsack ie, daß chast wiiss i Himmel ie‹. Im euphemistischen Sinne sagt man ›Helf dr Gott is Grab‹, worauf die redensartliche Antwort lautet ›Helf dr Gott o drii, ohne dii chame o sii‹. Solche Erweiterungen sind sicher nicht als Spott aufzufassen, sondern sie wollen vielleicht das Altertümliche, beinahe Feierliche, das in den religiösen Formeln zum Ausdruck kommt, abschwächen. Man mindert ihren Wert herab, denn man möchte doch nicht als fromm oder gar als altväterisch erscheinen. Der ältere Wunsch ist durch den jüngeren ›Gesundheit‹ abgelöst worden. Auch dieser Wunsch wird gelegentlich spaßhaft erweitert: ›Gesundheit isch au guet bim Hueste‹. Das aus dem Lateinischen stammende Wunschwort ›Prosit‹ im Sinne von ›es soll nützen‹ und das entsprechende deutsche ›Zum Wohl‹ sind nicht so häufig, ⇨ Gesundheit.
›Ach Gott!‹ ist ein bekannter Stoßseufzer. Da es verboten ist, den Namen Gottes vergeblich zu führen oder als Fluch zu gebrauchen, gibt es zahlreiche Ersatzformeln, wie z.B. ›Oh Gott‹, ›Gott o Gott‹, ›Ach du meine Güte‹, ›Eigottverpips‹ (englisch entsprechend ›Oh my Goodness‹ oder ›Oh boy‹ u.ä.).
Als Parodie auf blindes und übertriebenes Gottvertrauen gilt der sprichwörtlich gewordene Berliner Vers: ›Wer Jott vertraut und Bretter klaut, der hat 'ne billige Laube‹. Weniger bekannt ist die Wendung ›Gott ist kein Bayer, er läßt seiner nicht spotten‹. In früherer Zeit war sie eine vielzitierte Redensart, die unter anderem schon bei Geiler von Kaysersberg belegt ist: »Desgleichen ist unser Herr Gott auch kein Bayer, er läßt nicht mit sich scherzen« (Betrachtungen zu S. Brant's Narrenschiff – XIX. Narr-Kloster, I, 330). Es gibt eine Reihe von scherzhaften Erklärungen für diese Wendung. Wahrscheinlich ist sie aber in erster Linie gegen die Kleinstaaterei gerichtet, wofür auch einige Sprichwörter sprechen (vgl. Wander II, 33-34).
›Lieber Gott von Bentheim‹: Ausdruck des Erstaunens, Entsetzens oder der Ungeduld, ⇨ Herrgott. Desgleichen die Wendung ›Um Gottes willen!‹ Weit bekannt ist auch die Graffiti-Inschrift:
»Gott ist tot« (Nietzsche)
»Nietzsche ist tot« (Gott),
die ihren Ursprung in einem weitverbreiteten, schon im 15. Jahrhundert bezeugten Schwank hat (Aarne-Thompson 1833 E).
In zahlreichen Redensarten werden die Götter der Antike beschworen, wie z.B. ›Das wissen die Götter‹
oder ›Das ruht (liegt) im Schoße der Götter‹ (Homer: ›Ilias‹ XVII, 514 u.a., vgl. Büchmann) sowie der sprichwörtlich gewordene Satz: ›Mit der Dummheit kämpfen Götter selbst vergebens‹ (Schiller: ›Jungfrau von Orleans‹ III, 6). Schiller meinte damit: mit der Dummheit im Bunde, nicht, wie man gewöhnlich denkt, wenn man das Zitat benutzt: gegen die Dummheit.
Ein Schauspiel (Bild, Anblick) für Götter: ein besonders schöner Anblick. Vgl. Goethes Singspiel ›Erwin und Elmire‹ (I, 1):
Ein Schauspiel für Götter,
Zwei Liebende zu sehn!
Ähnlich 1883 bei Fontane. Das ›Schauspiel für Götter!‹ geht weit ins Altertum zurück. Die Vorstellung, daß der tapfere, mit dem Schicksal ringende Mann ein solches bietet, ist bei den späteren Stoikern beliebt. Seneca (›De providentia‹ 2,7ff.) sagt von solchem Kampf mit dem Schicksal: »Ecce spectaculum dignum ad quod respiciat intentus operi suo deus« (Das ist ein Schauspiel, wert der Betrachtung des auf sein Werk achtenden Gottes). Die Kirchenväter übernahmen das Bild ins Christliche und trugen dadurch zu seiner Erhaltung und Verbreitung bei; vgl. Cyprianus (gest. 258), Eph 56, 8 (Migne IV, 366) und 1 Kor 4, 9:
Denn wir sind ein Schauspiel worden
Der Welt und den Engeln und den Menschen.
Der junge Goethe dürfte sich aber wohl kaum von solchen erbaulichen Gedanken geleitet haben lassen, sondern eher an die Stelle der ›Odyssee‹ (VIII, 266ff.) gedacht haben, wo Aphrodite und Ares, von des Hephaistos Schlingen auf buhlerischem Liebeslager festgehalten, den Göttern ein bedenkliches Schauspiel liefern (Büchmann).
Redensartlich lebendig geblieben ist auch ›Wen die Götter lieben‹ durch den gleichnamigen Mozart-Film, dem eine Novelle von Clara Viebig (1898) zugrunde liegt.
Im medizinischen Bereich begegnet nicht selten der Spruch: ›Ich behandelte ihn, und Gott heilte ihn‹. Unter Medizinern hatte er schon in früher Zeit sprichwörtliche Bedeutung erlangt und vor allem durch die Kriegserinnerungen von A. Paré – berühmter Feldchirurg im Dienste von vier französischen Königen – weithin Verbreitung gefunden. E.F. Podach weist darauf hin, daß der Herausgeber von A. Parés gesammelten Werken, der französische Chirurg und Historiker Joseph François Malgaigne, in seiner Einleitung zum ersten Band (1840) die Verbürgtheit der Worte bezweifelt. Der Spruch war seit langem derart bekannt, daß ihn viele für eine der alten Volksweisheiten hielten, die keinen individuellen Urheber haben. So war man sich bewußt, daß die Sentenz kein literarischer Einfall des alten Paré war, sondern eher die Bekundung einer Gesinnung, die den glücklichen Ausgang eines chirurgischen Eingriffes nicht eigenem Verdienst, sondern dem Wirken Gottes zuschreibt: »denn die Natur bringt oft Dinge zustande, die den Chirurgen unmöglich erscheinen«. Später begegnet der Spruch häufig in der abgewandelten Fassung: ›Der König (die Königin) berührte ihn, und Gott heilte ihn‹.
• A. DUCLOS: ›Lijk God in Vrankrijk‹, in: Rond den Heerd 18 (1883), S. 208; W. UNSELD: Der Herrgott in schwäbischen Sprichwörtern und Redensarten, in: Alemannia 20 (Bonn 1892), S. 290-293; P. SAINTYVES: L'éternuement et la baillement dans la magie, l'éthnographie et le folklore médical (Paris 1921); K. BETH: Artikel ›Gott‹, ›Gotteslästerung‹, ›Gottesname‹, in: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens III, Spalte 941-994; P. SARTORI: Artikel ›niesen‹, in: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens VI, Spalte 1072ff.; Atlas der Schweizerischen Volkskunde II, S. 241f. und der dazugehörige Kommentar von W. Eschen; E.F. PODACH: Ursprung und Bedeutung des Spruches ›Ich behandelte ihn, und Gott heilte ihn‹, in: Die Medizinische Wochenschrift 36 (1955), S. 1279-1282; P.E. SCHRAMM: Der König in Frankreich. Das Wesen der Monarchie vom 9. bis zum 16. Jahr-
hundert (Darmstadt 1960); A.V.C. SCHMIDT: ›Donum Dei‹, in: Notes & Queries 214 (1969), S. 286; M. BELGRADER: Artikel ›Fluch, Fluchen, Flucher‹, in: Enzyklopädie des Märchens IV, Spalte 1315-1328; J. BAUER: Artikel ›Gott, Götter, Gottheit‹, in: Enzyklopädie des Märchens V, Spalte 1420-1437; L. INTORP: Artikel ›Gott ist tot‹, in: Enzyklopädie des Märchens VI, Spalte 3-6; U. MASING: Artikel ›Gottes Segen‹, in: Enzyklopädie des Märchens VI, Spalte 12-16, hier besonders 14.