Redensarten Lexikon
Glosse
Glossen machen: tadelnde oder spöttische Bemerkungen zu etwas machen. Die Wendung ist in dieser Bedeutung seit dem Anfang des 18. Jahrhunderts literarisch belegt und auch in die Mundarten eingedrungen. ›Der muß wieder seine Glossen machen‹ sagt man z.B. obersächsisch von einem, der immer etwas auszusetzen, zu nörgeln hat.    Glosse (griechisch glossa = Zunge, Sprache) meint zunächst bei Griechen und Römern ungewöhnliche, dunkle, veraltete oder nur in bestimmten Dialekten vorkommende Wörter. Glossen gehören sodann auch zu den wichtigsten Sprachdenkmälern des Altfranzösischen, Altenglischen und Althochdeutschen. Erst im Mittelalter wurde es üblich, unter Glossen auch die Erklärung selbst zu verstehen, und zwar einmal die gesprochene Erläuterung bzw. Auslegung (z.B. des Bibeltextes), wie sie vor allem in den Predigten üblich war, zum anderen die geschriebenen Kommentare der Rechtsausleger (Glossatoren), aber auch den kommentierten Text allgemein: »... sampt des authoris eigenen glossen und erklärungen« (Paracelsus: ›Chirurgische Bücher und Schriften‹ [1618], 524). Man unterschied zwischen Glossen, die über den Textzeilen standen (Interlinearglossen), und solchen, die am Rande eingetragen waren (Marginal- oder Randglossen): »die grobschrift (im Rechtskodex) ist der text blosz, die kleinschrift herum ist die glosz« (H. Sachs: Werke, Ausgabe Keller, 9, 447). Daher versteht man im nichtwissenschaftlichen Sprachgebrauch unter Glossen auch die gesprochenen ›Randbemerkungen‹, besonders spöttische.
   Der Bedeutungswandel des Begriffs ›Glosse‹ vom erklärenden Text zur Texterklärung bis hin zum spöttischen Kommentar (über die Texterklärung) ist aus zahlreichen literarischen Zeugnissen bekannt. So heißt es bezüglich der theologischen Glosse schon bei Sebastian Franck: »gottes wort ... ist das liecht selbs, wie kann es dann vom menschen ... mit seinen glosen erleucht werden« (›Paradoxa‹ [1558], 360). Luther betrachtet sie als falsch und lästerlich: »alle, die die schrifft mit yhren falschen glossen lestern« (Luther: Sämtliche Schriften, Ausgabe Walch, 1, 383). Auch Th. Murner bezeichnet sie als falsch: »... eine vals glosz« (›Narrenbeschwörung‹, 199).
   Im 17. Jahrhundert wird die Glosse häufig in die Nähe der ›Posse‹ gebracht: »wie sie vielmehr bauen auf ihre Glossen und Possen der Schultheologen als auf das lautere Wort Gottes« (›Reinicke Fuchs‹ [1650], 342), während im frühen 18. Jahrhundert die spöttische Bemerkung schließlich selbst zur ›Glosse‹ wird: »des Spötters Glossen« (G.C. Pfeffel: ›Poetische Versuche‹ [1812], 1, 139); »keine bitteren Glossen, Miss« (Lessing: Sämtliche Schriften, Ausgabe Maltzahn, 2, 383). Daneben hat sich jedoch auch der heiter-spöttische Sinn erhalten, wie er unter anderem bei P. Rosegger zum Ausdruck kommt: »Hilla war stets voll Glossen und Possen«. In dieser Bedeutung ist er noch heute allgemein bekannt.
   In der Sprache der Presse wird Glosse zur kurzen feuilletonistischen Form eines Kommentars.

• A. ERLER: Artikel ›Glosse‹, in: Religion in Geschichte und Gegenwart II (3. Auflage 1958), Spalte 1628; K.H. MUNSKE: Artikel ›Glosse‹, in: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte I, Spalte 1712-1713.
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