Redensarten Lexikon
glauben
Daran glauben müssen: eine bittere Erfahrung machen, eine schlimme Einbuße erleiden, schließlich auch Umschreibung für ›sterben‹ (vgl. ›Das Zeitliche segnen‹); so auch in den Mundarten., z.B. schleswig- holsteinisch ›He mutt dor wull bald an globen‹, er wird wohl bald sterben. Die Wendung ist ursprünglich durchaus religiös gemeint; zu ergänzen ist etwa ›... daß es einen stärkeren Herrn gibt, daß Gott den Sünder straft‹ usw. (vgl. auch verwandte Wendungen wie ›beten lehren‹, ›zu Kreuze kriechen‹ u.a.). Erst sekundär hat sich dann die umgangssprachliche ironische Verwendung angeschlossen.    Es kommt anders, als man glaubt geht auf ein Zitat aus Wilhelm Buschs ›Plisch und Plum‹ (1882) zurück:

   Aber hier, wie überhaupt,
   Kommt es anders, als man glaubt.

Wer's glaubt, wird selig (oft mit dem reimenden Zusatz: ›und wer stirbt, wird mehlig‹, auch: ›Wer bäckt, wird mehlig‹ oder ›Wer's glaubt, wird selig, und wer's nicht glaubt, kommt auch in den Himmel‹): das ist unglaublich; parodierende Verwendung des Bibelzitats von Mk 16, 16: »Wer da glaubet und getauft wird, der wird selig werden; wer aber nicht glaubet, der wird verdammet werden«. Vgl. französisch ›Il n'y a que la foi qui sauve‹ (wörtlich: Der Glaube allein macht selig). Der Hamburger sagt zu einer handgreiflichen Lüge: ›Ik glob et fas‹.
   Wenn du's nicht glaubst, so laß dir's reitern: überzeuge dich selbst! Die Wendung dient der Bekräftigung, um den Zweifel zu erschüttern, wenn eine Mitteilung von jemandem ungläubig aufgenommen wird. Diese Wiener Redensart wird in Österreich vor allem noch von Kindern gebraucht. Das Reitern war ursprünglich ein Orakel. Um einen Dieb zu entdecken, wurde das Reiterl (Reuterl) oder Erdsieb gedreht. In die Wand des Siebes wurde eine Schere mit beiden Spitzen gesteckt. Die Handhaben hielten gewöhnlich zwei ältere Frauen. Dabei dachten sie an eine des Diebstahls verdächtige Person. Bewegte sich dabei das Sieb, war der Schuldige gefunden, denn das Reiterl sprach immer die Wahrheit. Im Waldviertel dagegen wurde das Sieb gedreht, und alle verdächtigen Personen wurden dabei genannt. Wenn das Sieb bei einem Namen hielt, glaubte man ebenfalls, den Schuldigen entdeckt zu haben. Die Redensart bedeutet demnach: befrage das Sieb, wenn du Bedenken an der Glaubwürdigkeit hast. Sieb.
   Wer's nicht glaubt, pappt's: wer's nicht glauben will, muß es pappen; hessisch wie anderwärts recht verbreitet. Leicht abweichende mundartliche Formen sind: ›Wann des nit glaabst, un do schmirsch des‹ (schmierst du es) oder ›Wenn des nit glaawe wit (glauben willst), dann kanns des (kannst du es) mauern‹. Der Sinn dieser Redensarten ist nicht ohne weiteres verständlich; er wird jedoch sofort klar, wenn man die mundartliche Form solcher Gebiete ins Auge faßt, die statt des au oder des daraus entstandenen a in ›glauben‹ ein ä zeigen: ›Wer's nicht glääbt, der pappt's‹; d.h., die Voraussetzung für die Redensart ist die mundartliche Form ›glääben‹ und das auf ihr beruhende Wortspiel mit ›kleben‹. Die Form ›glääben‹ für ›glauben‹ setzt ein älteres ›gläuben‹ voraus, das wir z.B. bei Luther kennen (vgl. auch sein Häupt für Haupt usw.) und das mitteldeutsch verbreitet ist. Doch deckt sich diese Verbreitung heute nicht mehr mit dem Geltungsbereich jener Redensart. Schuld daran mag sein, daß das Gebiet von ›gläuben‹ früher weiter reichte und heute zurückgedrängt ist; schuld ist aber sicher auch die Tatsache, daß ein solches Sprichwort wandert. Seinen Ursprung kann es natürlich nur in einem Gebiet haben, in dem das Wortspiel einen Sinn hat und wirklich verstanden wird, das heißt dort, wo mundartlich ›glääbt‹ gebräuchlich war.
   Ein anderes Wortspiel, das schon bei Grimmelshausen begegnet, lautet: ›Wer's glauben will, mag's mausen.‹
   Das Bibelwort ›Der Glaube versetzt Berge‹ (nach Mt 17, 20; vgl. auch Mt 21, 21 und Lk 17, 6) wird heutzutage oft scherzhaft verwendet im Sinne von: ›Das mag glauben, wer will‹. Spöttisch gemeint ist auch die Bezeichnung ›Glaubenszwiebel‹. So nennt man die vor allem in pietistischen Kreisen übliche Knotenfrisur der Frauen, die mit ihrer Schmucklosigkeit einer Einstellung Ausdruck verleihen soll.
   Zu den Ausdrücken der Verwunderung und des Erstaunens gehört ›Ich glaube, mein Holzbein kriegt Äste‹; denken.

• V. CHAUVIN: ›Wunderbare Versetzungen unbeweglicher Dinge‹, in: Zeitschrift für Volkskunde 14 (1904), S. 316-320; F. MAUER: ›Wer's nicht glaubt, der pappt's‹, in: Hessische Blätter für Volkskunde 26 (1927), S. 9 und 180; M. HABERLANDT: ›Laß dir's reitern‹. Sachliche Grundlagen einer Redensart, in: Wörter und Sachen 12 (1929), S. 91-92; L. SCHMIDT: ›Wiener Redensarten: II. Klauben und Reitern‹, in: Das deutsche Volkslied 43 (1941), S. 42; H.J. UTHER: Artikel ›Glaube versetzt Berge‹, in: Enzyklopädie des Märchens V, Spalte 1270-1274.
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