Redensarten Lexikon
Glas
Auf das Fensterglas beziehen sich die Redensarten Glas auf dem Dach haben: niemand etwas vorwerfen dürfen, weil man selbst kein reines Gewissen hat; vgl. das zugehörige Sprichwort ›Wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen‹; vgl. englisch: ›Those who live in glass houses should not throw with stones‹. Ähnlich: ›Wer einen gläsernen Kopf hat, der muß nicht mit Steinen werfen‹. (Englisch: ›He that hath a head made of glass must not throw stones at another‹.) Oder auch: ›Wer einen gläsernen Kopf hat, gehe in keine Schlacht, in der man mit Steinen wirft‹. Aus einer Parlamentsdebatte: ›Herr Kollege, seitdem sitzen Sie im Glashaus, und nachdem Sie das Glashaus mit eigenen Steinen beworfen haben, sitzen Sie im Freien, d.h. im Kalten‹.    Es ist ja nicht von Glas: die Sache ist nicht so heikel, empfindlich.
   Du bist doch nicht aus Glas: versperre mir nicht das Licht, die Aussicht! Vgl. französisch ›Tu n'es pas transparent‹. Ähnlich Dein Vater war doch kein Glaser! oder in der Frageform: Ist dein Vater Glaser?, beruht auf der grotesk-witzigen Vorstellung, daß der Glaser durchsichtige Kinder haben müsse (mundartlich seit der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts für Berlin und Leipzig bezeugt). Die witzige Antwort lautet dann: ›Nein, Vorsteher!‹ (d.h. ein Davorstehender).
   Auf das Trinkglas bezieht sich mit jemandem aus einem Glas trinken: sehr vertraut sein mit ihm (vgl. französisch ›boire dans le verre de quelqu'un‹). Glas kommt mehrfach vor in Wendungen, mit denen Alkoholmißbrauch umschrieben wird: Er hat ein Glas zuviel; vgl. französisch ›Il a un verre dans le nez‹ (wörtlich: Er hat ein Glas in der Nase), im Sinne von: Er hat eine Säufernase; er hat lieber ein Glas in der Hand als eine Bibel; aus keinem leeren Glas trinken; kein leeres Glas sehen können: gern trinken (Trinklust erscheint durch den horror vacui verursacht), eine Redensart aus dem 20. Jahrhundert; volle Gläser nicht leiden können: gern trinken, eine beschönigende Redensart von einem, der schnell trinkt (20. Jahrhundert); elsässisch von einem Trinker: ›Er ka ke voll un ke leer Glas sehn‹; zu tief ins Glas geguckt haben: zuviel getrunken haben, einen Rausch haben, seit etwa 1700 wohl die umschreibende Nachbildung der Redensart von dem Liebenden, der seinem Mädchen zu tief ins Auge geblickt hat.
   Aus einem Glas ins andere gießen: etwas ständig wiederholen, ohne auf neue Gedanken zu kommen. Bairisch ›e Glasl kriegn (gebn)‹, einen Korb kriegen (geben); ›furt gehn, als wenn mer e Glasl gfunden hätt‹, beschämt fortgehen; vielleicht daher, daß dem abgewiesenen Werber ein Glas Wein zum Trost gereicht wurde.
   Das Glas erheben: einen Trinkspruch auf jemanden ausbringen, jemandem zuprosten, Toast.
   Wir sind nicht mehr am ersten Glas ist ein Zitat aus Uhlands ›Trinklied‹ (1812). »Das Glas in der Rechten, die Flasch' in der Linken« ist ein Zitat aus dem Trinklied von Heinrich Hoffmann v. Fallersleben (1829).
   Vom Brillenglas stammt Er hat sich ein Stück Glas (oder eine Glasscherbe) ins Auge getreten: er trägt ein Einglas, ein Monokel; eine wohl aus dem Berlinischen stammende Redensart. Durch ein trübes Glas sehen: nicht genau beobachten können.
   Glas bietet sich ferner an als redensartlicher Vergleich des Glatten, des Zerbrechlichen, aber auch des Geringwertigen; (vgl. französisch ›rasé comme un verre à bière‹, glatt rasiert sein (heute ungebräuchlich); ›il ne donnerait pas un verre d'eau‹, er ist ein großer Geizhals.
   Sturm im Wasserglas Sturm.
   Im Märchen und in der Sage dient das Glas auch als Behältnis für den bösen Dämon, den man, um ihn unschädlich zu machen, in ein Glas (Flasche) hineinbannt. Darauf beruht auch die Redensart: ›Er will Gott und den Teufel in ein Glas bannen‹. Flasche, Gott.
• E. WEEKLY: ›Those who live in glass houses should not throw stones‹, in: Modern Language Review 30 (1935), S. 241; W. MIEDER: Das Sprichwort in unserer Zeit (Frauenfeld 1975), S. 99; K. HORÁLEK: Artikel ›Geist im Glas‹, in: Enzyklopädie des Märchens V, Spalte 922-928.
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