Redensarten Lexikon
Gewissen
Das ist eine Gewissensfrage: es ist eine Frage, die eine ehrliche Antwort verlangt, aber mehrere Möglichkeiten zuläßt, die man nur nach bestem Wissen und Gewissen beantworten kann. Unter ›Gewissen‹ versteht man allgemein den Ort in der Seele des Menschen, an dem die moralischen Urteile gefällt werden, an dem die (Willens-)Entscheidung für das Gute oder das Böse getroffen wird. Da das Gute und das Böse zwei entgegengesetzte Pole sind, zwischen denen eine ganze Skala von Wertungen möglich ist, ist das Gewissen die Instanz, an der die Entscheidung zwischen mehreren Möglichkeiten stattfindet. Steht eine Entscheidung im Einklang mit den (gewußten) Normen, so ist es rein (gut); steht es aber im Widerspruch dazu, so gilt es als belastet bzw. schlecht. Auf diese Grundtatsachen beziehen sich alle Redensarten, in denen das Gewissen eine Rolle spielt.    Etwas auf dem Gewissen haben: eine Unrechtmäßigkeit begangen haben, die das Gewissen belastet; etwas auf sein Gewissen nehmen: damit fertig werden, ohne sein Gewissen zu beschweren, es zu verantworten wissen; ein reines (gutes) Gewissen haben: kein Unrecht zu vertreten haben, sich keiner Schuld bewußt sein; kein gutes Gewissen haben: eine falsche Entscheidung getroffen haben, die das Gewissen belastet, etwas Unehrliches oder Unrechtmäßiges zu verantworten haben; daher auch die Wendung: jemanden drückt sein Gewissen: er ist sich seiner Schuld bewußt; jemandem ins Gewissen reden: ihn an die Pflichten erinnern, stets das Gute zu wählen. Sich kein Gewissen über etwas machen (nach Röm 14, 22): keinen Glaubenszweifel haben, das Angenommene jederzeit vertreten können. Ähnlich der Satz: ›Mein Gewissen beißt mich nicht‹ (Hiob 15, 32), der zu der Redensart (keine) Gewissensbisse haben führte. Vgl. das Sprichwort: ›Ein gutes Gewissen ist ein sanftes Ruhekissen‹. Anders gewertet wird die Redensart allgemein, wenn sie auf einen anderen bezogen wird. ›Er macht sich kein Gewissen aus etwas‹ oder ›Er hat keine Gewissensbisse‹ bedeutet dann vielmehr: er ist ein skrupelloser, ›gewissenloser‹ Mensch.

• E. WOLF: Artikel ›Gewissen‹, in: Religion in Geschichte und Gegenwart II (3. Auflage 1958), Spalte 1550-1557.
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