Redensarten Lexikon
gelehrt
Mit dem Begriff ›gelehrt‹ wird oftmals Dummheit redensartlich umschrieben, z.B. in den Wendungen ›Er ist gelehrt, aber es weiß es niemand‹; ›Er ist gelehrt bis an den Hals, aber in den Kopf ist nichts gekommen‹; ebenso schweizerisch ›Er ist g'lehrt bis an Hals, aber der Chopf ist en Esel‹; ›Er ist gelehrt wie ein Stier, kann nichts lesen als sein Brevier‹; ›Er ist ein Geleerter‹ (mit zwei e), d.h. eigentlich, er hat nichts im Kopf, sein Kopf ist leer. Ähnlich sagt man mit einem anderen Wortwitz niederländisch ›Dit is een geleert man‹, weil im Flämischen ›leer‹ auch die ›Leiter‹ heißt. Die niederländischen Redensart-Bilderbogen haben den ›geleiterten‹ Gelehrten auch im Bild festgehalten.    Darüber sind sich die Gelehrten (noch) nicht einig: die Wendung geht letztlich zurück auf V.78 der ›ars poetica‹ des Horaz: »Grammatici certant, et adhuc sub iudice lis est« (Da sind sich die Gelehrten noch nicht einig, und der Streit hängt vor dem Richter in der Schwebe).
   ›Je gelehrter, je verkehrter‹ ist schon in der ›Narrenbeschwörung‹ (1512) des Thomas Murner bezeugt:

   wie komt es, das man spricht: ie glerter,
   ie verruchter und verkerter?
Ursprünglich waren wohl die Falsch- bzw. Scheingelehrten der Hl. Schrift gemeint, die im Widerspruch zu den Wahrheitslehrern standen. So steht es jedenfalls in einem (ursprünglich von einem Wiedertäufer verfaßten) Gedicht, das Johann Fischart 1588 herausgab:

   es (das Sprichwort) brürt das thun und auch das leben
   etlicher weisen und gelehrten,
   warumb sie etwa (einst) die verkehrten
   von den alten wurden genannt;
   es meint die schriftgelehrten allermeist,
   die den buchstab hand on gottes geist;
   als nemlich die verkehrtgelehrten
   oder auch die gelehrtverkehrten.


• H. NIMTZ: Motive des Studentenlebens (Diss. phil. Berlin 1937), S. 46-48; E. MOSER-RATH: Lustige Gesellschaft (Stuttgart 1984), S. 173.}

Er ist ein Geleerter. Detail aus einem Bilderbogen aus Ost-Flandern, um 1700.
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