Redensarten Lexikon
Geiß
Im Volksmund gilt die Geiß (= Ziege) als minderwertiges Tier. Vom Gaul auf die Geiß kommen: herunterkommen, verarmen; schwäbisch ›Der kommt hinte auf d' Geiß‹, er kommt herunter, auch: zu spät (ebenso: ›Vom Ochsen auf den Esel kommen‹), Ochse. Keine Geiß wert sein: wertlos sein. Schweizerisch ›uf der Geiß heim müesse‹, Mit langer Nase abziehen, speziell von Mädchen, die, ohne getanzt zu haben, vom Tanzboden wieder nach Hause gehen, Nase.    Verbreitet ist auch die Wendung: Der hat's (hat seine Stärke) inwendig wie die Geiß das Fett: er hat es in sich, man sieht ihm seine Stärke nicht an. Der Satz begegnet bereits bei Grillparzer (Sämtl. Werke [1887], Bd. VIII, 20). Noch älter ist der Vergleich: ›Er schaut aus (hat Augen) wie ein (ab)gestochner Geißbock‹, der schon bei Abraham a Sancta Clara belegt ist. Vor allem in Wien hat er sich bis heute erhalten in der Wendung: ›...wie a abgestochener Geisbock‹ (Fr. Lauchert, Redensarten bei Abraham a Sancta Clara [1893], 18).
   Häufig hört man die sprichwörtlichen Vergleiche springen wie eine Geiß; vgl. französisch ›sauter comme un cabri‹ (Geißlein); so dürr wie eine Geiß; er ist so dürr, er kann eine Geiß zwischen den Hörnern küssen. Aus der Fülle weiterer landschaftlich verbreiteter Redensarten seien angeführt: ›die Geiß für die Knotteln hüten‹ (rheinhessisch), bei der Arbeit wenig Erfolg haben; ›der hat die Geiß in en fremde Stall triebe‹ (schwäbisch), er hat einem anderen einen Vorteil verschafft; ›Springen wie ein Geißbock ohne Euter‹, springen wie ein Bock.
   Die schweizerische Redensart ›Er weiß, wie me d' Geiß schere muess‹, die die Superklugheit bespöttelt, geht auf sehr alte Wurzeln zurück. Schon in der Antike gab es einen berühmten Streit um die Frage, ob die Geiß Wolle trage oder nicht. Horaz I, 18 spricht von Menschen, die sich über alles streiten, auch über die nichtigsten Dinge: »alter rixatur de lana saepe caprina«. Dieser Streit um die ›Geißwolle‹ war früher auch im Deutschen sprichwörtlich, ähnlich dem Streit um des Kaisers Bart, Bart. In Hugos von Trimberg ›Renner‹ (V.17529) heißt es:

   mit dem sie sich gar selber triegen
   und umb geizwollen wöllen kriegen,

und in Sebastian Francks ›Sprichwörtern‹ (2,101b) steht: »umb die geyzwoll zanken«. Das Wort ›Geißwolle‹ ist dann frühneuhochdeutsch geradezu zum Ausdruck für »Nichtigkeit« geworden, so bei Luther: »Sie fechten für die winkelmesse und sagen selbst, es sei eine nichtige Sache und geiswolle«.
Sie können einen Link zu dem Wort setzen

Ansicht: Geiß