Redensarten Lexikon
gehen
Für gehen als Bewegung kennt die Volkssprache eine Fülle redensartlicher Vergleiche, z.B. ›Er geht wie auf Eiern‹: sehr vorsichtig, ›Wie eine lahme Ente‹, ›Wie ein Kranich‹, ›Wie ein Storch im Salat‹, ›Wie ein Hund, der einen Knüttel am Schwanz hat‹, ›Wie die Katze auf Nußschalen‹, ›Wie auf Socken‹, ›Wie auf Krücken‹, ›Er geht mit Ebbe und Flut‹ (d.h. ohne Ziel und Zweck), ›Er geht, als ob er die Hacken verloren hätte‹, ›Als ob ihn jeder Schritt einen Dukaten koste‹, ›Er geht auf der Gruben‹ (d.h., er steht mit einem Fuß im Grab), ›Er geht, als wenn ihm die Beine in den Arsch gebohrt wären‹ ( Bein), ›Er geht wie eine Spitaluhr‹ (d.h. sehr langsam).    Viele synonyme Ausdrücke kennt die Umgangssprache auch zur Bezeichnung einer Sache, die flott vonstatten geht, z.B. Es geht wie geölt, ›Wie geschmiert‹, ›Wie geleckt‹, ›Wie am Schnürchen‹ ( Schnur), ›Es geht wie der Wind‹, ›Wie der Blitz‹, ›Wie mit dem Teufel‹, ›Wie ein Uhrwerk‹, ›Wie 's Brezelbacken‹, ›Wie ein Lauffeuer‹, ›Wie aus der Pistole geschossen‹ Pistole, ›Wie eine Kugel aus dem Rohr‹, ›Wie 's Karnickelmachen‹; für das Gegenteil der Langsamkeit: ›Es geht wie auf der Schneckenpost‹ ( Schnecke), ›Wie auf der Ochsenpost‹; für Unordnung, Durcheinander, Vielerlei, viel Betrieb: ›Es geht zu wie in einem Taubenschlag‹, Taubenschlag.
   Die Frage wie geht's? wird von den meisten Menschen nicht mit der direkten Auskunft ›gut‹ oder ›schlecht‹ beantwortet, sondern sie verwenden in der Regel bestimmte redensartliche Ausdrücke, die das derzeitige Befinden nicht beim Namen nennen, sondern es verhüllen, verschleiern und umschreiben. Die Antworten weisen darauf hin, daß es sich bei der Frage ›wie geht's‹ um den persönlichen Bereich des Menschen handelt, der einem gewissen Tabu unterliegt. Einige der beliebtesten Antworten seien hier aufgezählt: ›Danke, schlechten Menschen geht's immer gut‹, wobei oft der Kommentar des Fragestellers folgt: ›Dir geht's besser, als die Polizei erlaubt‹. Ferner: ›passabel‹, ›so lala‹, ›durchwachsen‹ (wie das Fleisch vom Fett durchsetzt ist), ›mäßig (bis saumäßig)‹, ›mittelmäßig‹, ›mittelprächtig‹, ›einigermaßen‹, ›schlecht und recht‹, ›so gerade eben‹, ›mit Ach und Krach‹, ›leidlich‹, ›mit Mühe und Not‹, ›bescheiden‹ (vulgär gesteigert zu ›beschissen‹), auch: ›bescheiden ist gestrunzt‹ (= angeberisch übertrieben), ›wechselnd bewölkt‹, ›Es dürfte besser gehen‹, ›es ist zum Aushalten‹, ›schlecht (gut), bis es besser kommt‹, ›alle Tage besser‹, ›nicht so gut wie Ihnen‹, ›lila‹ (lila ist weder blau noch rot, also farbensinnbildlich weder Hoffnung noch Freude; vielleicht auch weitergebildet aus ›so la la‹), auch: ›lila bis aschgrau‹ (mittelmäßig).
   Oft hängt die Antwort auch von der Fragestellung ab. Als Einleitung zu einer fröhlich klingenden Antwort ist z.B. die Frage: ›Wie geht's, wie steht's?‹ recht gut geeignet oder ein fingiertes Gespräch wie das schleswig-holsteinische: ›Wie's geiht?‹, ›Och, dat geiht.‹, ›Na, denn geiht's ja‹.
   Auf die Frage ›Comment allez-vous?‹ oder ›Comment ça va?‹ gibt auch der Franzose verhüllende Antworten wie: ›Pas trop mal‹ (Nicht zu schlecht), ›Assez bien‹ (Ziemlich gut), ›Moyennement‹ (Mäßig), ›Comme cela peut aller‹ (Wie es gehen kann), ›Cela pourrait aller mieux‹ (Es dürfte besser gehen), ›De mieux en mieux‹ (Immer besser).
   Die bekannte Redensart Es geht auch so ist durch den Abgeordneten Landrat Wilhelm Leuthold von Meyer-Arnswalde (1816-92) zum geflügelten Wort geworden, nachdem er sie als »den obersten Grundsatz der preußischen Verwaltung« ausgegeben hatte (vgl. Büchmann). B. Brecht hat die Wendung in seiner ›Dreigroschenoper‹ in erweiterter Form verwendet und dabei ›verfremdet‹: »Es geht auch anders, doch es geht auch so«.
   Ein Vierzeiler des Stuttgarter Oberbürgermeisters Manfred Rommel lautet (lt. ›Der Spiegel‹ v. 20. 1. 86):

   Ach, die Welt ist nicht gerecht.
   Dir geht's gut und mir geht's schlecht.
   Wär die Welt etwas gerechter,
   ging's mir besser und Dir schlechter.

Die beiden letzten Zeilen haben wegen ihres parodistischen Hintersinns Aussicht, in die Welt der geflügelten Worte einzugehen.
   Jemanden lieber gehen als kommen sehen: nicht gerne seine Gesellschaft teilen; vgl. französisch ›On préfère voir plutôt ses talons que son nez‹ (wörtlich: Man sieht lieber seine Fersen als seine Nase).
   Gegangen werden: zwangsweise entlassen werden. Scherzhafte Passivbildung zur Betonung der Unfreiwilligkeit; seit 1870 literarisch, seit 1900 schülersprachlich, oft in der Form: ›Er ist gegangen worden‹.
   Um die Ecke gehen: ein Bedürfnis verrichten, eine euphemistische Verhüllung im skatologischen Bereich.
   Auf die Dörfer gehen Dorf.
   Einem weitverbreiteten Rätsel folgt das schwäbische Sagwort: »›'s Kirchle isch kloi; wenn älle neigienget, gienget it älle nei; aber weil it älle neiganget, gant älle nei‹, hot dr Mesner gsait«.
   Das Bibelzitat »Wo du hingehst, da will ich auch hingehen« (Rut 1,16) wird auch parodiert: ›Wenn du wohin gehst, will auch ich wohin gehen‹ (gemeint ist: auf die Toilette).
   Mit den Worten ›Es goht dagege‹ wird im schwäbisch-alemannischen Raum der Beginn der Fasnet angezeigt, dagegen.
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