Redensarten Lexikon
Gedanke
In Gedanken sein: zerstreut, nicht bei der Sache sein. Die Wendung erscheint in den Mundarten oft mit Zusätzen oder witzigen Erweiterungen, so westfälisch ›Hei geit in Gedanken äs de Küe in Flöhen‹, oder schwäbisch ›Er ist mit den Gedanken im Haberfeld‹ ( Gerstenfeld). ›Er hat Gedanke wie e Gans, vom Essen bis zum Trinken‹, er denkt nicht weit. Oberdeutsch sagt der Zerstreute auch von sich selbst: ›i han i Gedanke an gar nex denkt‹. Die französische Redensart ›être plongé dans ses pensées‹ hat nicht immer die Bedeutung von ›zerstreut, nicht bei der Sache sein‹, sondern manchmal die von ›in seine Gedanken versunken sein‹, grübeln.    Daran ist kein Gedanke: daran ist nicht zu denken; oft auch verkürzt zu kein Gedanke: keine Spur, durchaus nicht!, im ablehnenden Sinne gebraucht ähnlich wie ›Keine Idee!‹, Idee. ›Gedanke‹ und ›Idee‹ dienen in der Umgangssprache auch zur Bezeichnung einer ›Kleinigkeit‹; so in der Wendung ein Gedanke (eine Idee) größer, kleiner.
   Nach Gedanken: ohne genaues Maß, nach Gutdünken; schon um 1700 bezeugt.
   Noch aus der 1. Hälfte des 16. Jahrhunderts stammt die Formulierung: ›Die Gedanken sind frei‹, die in vielen literarischen Werken bis hin zum Volkslied ihren Niederschlag fand. In ihrer ursprünglichen Form findet sie sich unter anderem bei S. Brant. Bei Freidank, 1539, 122, 17:

   darumb sint gedancke vri,
   daz diu werlt unmüezec si (unmüßig, ohne Rast).

Später, als fast alles zum Leben Gehörende von der Obrigkeit mit Zöllen belegt wurde, erhielt die Redensart in scherzhafter Verengung des Bildes einen differenzierenden Zusatz und lautete nunmehr: ›Die Gedanken sind zollfrei‹. In seiner Sprichwörtersammlung (1534) führt Agricola dazu aus:
   »Gedancken sind schnell / und lauffen weit / und niemand mag sie hindern an yrem wandern / wie Freydanck sagt ... Gedancken niemand fahen (fangen) kan. Die band kund niemand ye erfinden / Damit man die gedancken mocht binden ... Es muß sich alles verzollen lassen / damit man auff erden handelt /... allein gedancken / weil sie heimlich und verborgen sind / sind sie zollfrey. Freydanck sagt. Es sind so dick nicht mauren drey / Ich wolt gedenken durch sie frey«. Und bei Alberus heißt es:

   Gedanken aber, wie der wind,
   in allen landen zollfrei sind.
   (›Buch von der Tugend und Weisheit‹, Fabeln aus Esopus, 1550).
Weitere Veränderungen und Verengungen ergaben sich in jüngster Zeit. Sie fanden ihren Niederschlag in Form von Antisprichwörtern mit treffender Pointe und teilweise satirischem Einschlag:
   ›Gedanken sind niemals frei. Sie sind begrenzt vom Horizont des Schädels‹; ›Gedanken sind frei – willig‹; ›Die Gedanken sind frei. Die Wörter werden observiert‹; ›Gedanken sind frei – aber nicht unfallfrei‹; ›Kann sein, die Gedanken sind noch frei, da ist das Denken schon vorgeschrieben‹; ›Die Gedanken sind frei, nur dürfen sie nicht geäußert werden‹; ›Gedanken sind zollfrei, aber Worte – vogelfrei; darum denke, was du willst, und rede nur, was du sollst und darfst‹; ›Gedanken sind zollfrei, nur muß man sie vorher stempeln lassen‹; ›Gedanken sind sollfrei‹; ›Gedanken sind zollfrei. Geschriebene oft nicht‹; ›Gedanken sind zollfrei. Trotzdem bekommt mancher viele Scherereien, der sie ausführen will‹; ›Gedanken sind zollfrei. Aber sie werden an der Grenze registriert‹; ›Gedanken sind erlaubt – aber zollfrei sind sie nie‹.

• M. LENSCHAU: Grimmelshausens Sprichwörter und Redensarten (Frankfurt/M. 1924), S. 82; F.W. BOETTE: Artikel ›Gedanke‹, in: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens III, Spalte 426-429; W. MIEDER: Deutsche Sprichwörter und Redensarten, in: Arbeitstexte für den Unterricht (Stuttgart 1979), S. 24-25, 27; DERS.: Antisprichwörter, Bd. II (Wiesbaden 1985), S. 39-40.
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