Redensarten Lexikon
Gast
Dasitzen wie der steinerne Gast: stumm dasitzen, belegt z.B. in Eichendorffs Roman ›Ahnung und Gegenwart‹ (Buch 3, Kapitel 24): »Rudolf war indes auch wieder still geworden und saß wie der steinerne Gast unter ihnen am Tische«. In Schillers ›Piccolomini‹ (IV, 6) sagt Isolani, indem er auf Max zeigt:
   Gebt acht, es fehlt an diesem steinernen Gast,
   Der uns den ganzen Abend nichts getaugt.

In Schlesien legte man ein 13. Gedeck für den ›steinernen Gast‹ auf, wenn bei einer Mahlzeit zwölf Personen am Tisch saßen. Die Redensart geht zurück auf die Sage vom Toten als Gast (Don-Juan-Typus), in der eine zum Essen geladene Statue als ›steinerner Gast‹ bei Tisch erscheint und sich dann an dem Frevler rächt.
   Die Gewährung von Gastfreundschaft ist ein Elementargedanke vieler Kulturen. Von Homer wird die Gastfreundschaft der Griechen als göttliches Gebot beschrieben. Tacitus idealisierte die Gastlichkeit der Germanen. Die Belohnung von Gastfreundschaft und die drastische Strafe für Ungastlichkeit sind in der Exempelliteratur reichlich thematisiert.
   Die hohe Bewertung der Gastlichkeit spiegelt sich in vielen Sprichwörtern. Doch wird auch der Mißbrauch der Gastfreundschaft im Sprichwort angeprangert. Das in zahlreichen Varianten bezeugte Sprichwort ›Gast und Fisch stinken nach drei Tagen‹, ›Dreier Tage Gast – allen eine Last‹ etc. macht den Überdruß an beharrlichen Gästen überdeutlich. Nach deutscher Schwanktradition wurden Gäste mit der Fangfrage, warum Christus nur drei Tage im Grabe gelegen und dann auferstanden sei, zur fälligen Abreise genötigt. Wiederholt wird als Volksbrauch bezeugt, daß dem Gast lediglich für drei Tage Kost und Logis zustanden, so daß er sich nicht auf Dauer einnisten konnte. Von den Beduinen heißt es, daß sie Gäste von Tag zu Tag sparsamer und nach Ablauf der Frist gar nicht mehr versorgten. Bei den gleichfalls als spontan gastfreundlich bekannten Albanern war es üblich, den Gast erst nach drei Tagen und Nächten, dann aber gewissermaßen als Wink mit dem Zaunpfahl, nach dem Zweck seines Kommens zu fragen (Moser-Rath).
   In parodistischer Weise wird das Recht des Gastes relativiert:

   Und ist der Gast auch noch so schlecht:
   er kommt zuerst, das ist sein Recht.

• M. L.: ›Een gast stinckt op den derden doek‹ in: Biekorf 58 (1957), S. 84; L. PETZOLDT: Der Tote als Gast. Volkssage und Exempel (= Folklore Fellows Communications 200) (Helsinki 1967); U. JÄNICKE: Gastaufnahme in der mittel-
hochdeutschen Dichtung (Diss. Bochum 1980); L. HELLMUTH: Gastfreundschaft und Gastrecht bei den Germanen (Wien 1984); E. MOSER- RATH: Artikel ›Gast‹, in: Enzyklopädie des Märchens V, Spalte 718-727.
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