Redensarten Lexikon
Garn
Sein Garn spinnen: seine Ziele stetig, aber unauffällig verfolgen.    Gutes Garn spinnen: redlich und mit Erfolg handeln; so schon 1512 in Thomas Murners ›Schelmenzunft‹:

   Dass jeder mein',
   ich red das sein,
   so würff ich stühl vnd benck drein:
   noch kann jr keiner das erfarn,
   vnd meinen all ich spinn gut garn,

von einem eigennützigen Vermittler gesagt, der allen Parteien zu Gefallen redet. 1639 bei Lehmann S. 13 (Ampt 25): »Gott hat jedem in seinem Beruff einen Rocken angelegt, daran soll er schaffen und gut Garn spinnen«, und S. 216 (Frombkeit 34): »Mancher hat den Nahmen, als spinne er das beste Garn, da er doch nur Sack spinnt«. In Schnabels Abenteuerroman ›Insel Felsenburg‹ (1731/43) heißt es (4, 518): »zu sehen was unsere daselbst zurück gelassenen Brüder benebst den Portugiesen vor gut garn spönnen«.
   In verneinter Form erscheint die Redensart bereits 1578 in Fischarts ›Ehezuchtbüchlein‹: »Welche nit gut garn, wie man sagt, hie haben spinnen woellen«. In dieser Form ist sie heute meist gebräuchlich: kein gut Garn miteinander spinnen: sich nicht vertragen, mundartlich z.B. schwäbisch von zwei unglücklichen Eheleuten: ›Se spinned kei guet Garn mit enand‹. Schweizerisch auch ›grobes Garn‹, rheinisch ›rauhes Garn spinnen‹ ( Faden). Vgl. französisch ›filer un mauvais coton‹ (wörtlich: schlechte Baumwolle spinnen): sich in einer schwierigen Situation befinden.
   Ein Garn spinnen: Geschichten erzählen, auch Seemannsgarn spinnen: unglaubwürdige Geschichten vortragen; diese Wendungen entstammen der Seemannssprache; die Matrosen mußten auf See in ihrer Freizeit aus aufgelöstem altem Tau- und Takelwerk neues Garn herstellen, wobei sie von ihren Abenteuern erzählten. Daher im Niederdeutschen: ›Du häs mien Garn vertüddelt, nu häbb ick den Faden (beim Erzählen) verloan!‹
   Einem ins Garn gehen: sich von ihm verlocken lassen; vgl. auch französisch ›tomber dans le filet‹; einen ins Garn locken: ihn verleiten; in diesen Redewendungen steht Garn im Sinne von ›Fischnetz, Netz des Vogelstellers‹. Luther gebraucht 1534 zur Übersetzung der Bibelstelle Ez 32,3: »Ich will mein netz vber dich auswerffen durch einen grossen hauffen volcks, die dich sollen jnn meine gern jagen«. In der Komödie ›Hans Pfriem‹ von Hayneccius (1582) klagt der Held beim Anblick der Richter (V. 975):

   Die sind so abgericht auff mich,
   Das sie mich fangen listiglich,
   Ist gar ein ausgelegtes Garn.

Bei Schiller heißt es in den ›Räubern‹ (II, 3): »Den hab' ich schön ins Garn gekriegt«, und im ›Fiesko‹ (III,4) läßt Fiesko den ankommenden Mohren befragen: »Ist was ins Garn gelaufen?« Vgl. mundartlich (rheinisch): ›enen en et Garn kommen‹, ins Revier kommen, ›enen achter et Garn verfolgen‹, hinter ihm her sein, und das neuhochdeutsche Verbum ›umgarnen‹, bestricken, verführen ( Fallstrick, Leim).
   Das Garn auf dem Boden laufen lassen: es mit einer Sache genau nehmen, energisch und ohne Rücksicht vorgehen. Die Wendung ist schwäbisch heute noch stellenweise bekannt; sie geht zurück auf die Bedeutung von schwäbisch ›Garn‹ = das Fischnetz, das gezogen wird. Belegt ist sie z.B. 1545 bei Eberh. Tappius (›Germanicorum Adagiorum‹ fol. 89a) oder bei dem Schwaben Luc. Osiander d.Ä. (1534-1604), bei dem es heißt: »Wenn man aber will das Garn auf dem Boden gehen lassen«. Ihre Herkunft ist noch sehr deutlich bei dem schwäbischen Mundartdichter Nefflen zu erkennen, der im ›Vetter aus Schwaben‹ (S.132) schreibt: »Er will's Garn auf'm Bode laufa lau, und däs thuat net guat; mein Aehne hot ällemool g'sait: doo bleib's Garn an de Stoa hanga und verreiss«.
   An älteren, heute jedoch kaum noch gebräuchlichen Redensarten sind außerdem zu nennen: vor dem Garn fischen (d.h. da, wo es nichts zu fischen gibt): sich vergeblich bemühen; bezeugt bei Luther: »darumb acht ich es vor dem Garn gefischt, so man umb Verteidigung willen des Evangelii sich wider die Obrigkeit legt«. Ferner einem das Garn verwirren: ihn in seinen Plänen und Handlungen stören, z.B. in Scrivers ›Seelenschatz‹ (2, S. 429): »andern, wie klug und weise sie sind, läßt Gott ihre beste Rath- und Anschläge fehlen, machet ihre Weisheit zur Narrheit, und verwirret ihr Garn ...«.

• F. KLUGE: Seemannssprache (Freiburg 1911), S. 300; R. HÜNNERKOPF: Artikel ›Garn‹, in: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens III. Spalte 299-304; L. RÖHRICH und G. MEINEL: Redensarten aus dem Bereich der Jagd und der Vogelstellerei, S. 316; R. W. BREDNICH: Der Vogelherd. Flugblätter als Quelle zur Ikonographie der Jagd, in: Rheinisch-Westfälische Zeitschrift für Volkskunde 24 (1978), S. 14-29.}

Gutes Garn spinnen. Holzschnitt, Murner: Schelmenzunft, 1512.

Ins Garn gehen. Holzschnitt, Brant: Narrenschiff, 1494, zum Kapitel ›Von offliche anschlag‹.
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