Redensarten Lexikon
Gans
In den Ausdrücken dumme, alberne, eingebildete Gans ist Gans heute ein Scheltwort für dumme Frauen oder schwatzhafte junge Mädchen, wobei an das Schnattern gedacht wird; vgl. französisch ›une oie blanche‹ (wörtlich: eine weiße Gans), Bezeichnung für ein einfältiges, unschuldiges Mädchen. Früher wurde die Bezeichnung auch für Männer gebraucht; Wolfram von Eschenbach läßt dem jungen Parzival, weil er vor dem leidenden Amfortas die rettende Frage nicht getan hat, aus der Gralsburg nachrufen:
Ir sît ein gans!
möht ir gerüeret hân den vlans (›Flunsch‹)
und het den wirt gevräget ...
(›Parzival‹ 247, 27).
Kaspar Stieler verzeichnet 1691: »sie ist eine rechte gans – stupida est«. In Schillers ›Kabale und Liebe‹ (I, 2) sagt der erzürnte Stadtmusikus Miller von seiner Frau: »Bleiben sitzen!... Herr Sekretarius! Das Weib ist eine alberne Gans! Wo soll eine gnädige Madam herkommen?« Eine Steigerung dieses Vergleichs bildet die Redensart Er ist so dumm, daß ihn die Gänse beißen, häufig in den Mundarten, abgewandelt rheinisch ›der es so dumm, daß em de Gäns nolafe‹ (nachlaufen). Eine volkstümliche Verwünschung lautete in Schleswig-Holstein ›dat die de Ganner bitt!‹
Auch sonst sind unsere Mundarten reich an sprichwörtlichen Redensarten von den Gänsen; viele davon sind durch die Literatur oder in der Umgangssprache bisher kaum bekannt geworden. Er macht ein Gesicht wie die Gans, wenn's donnert (wenn's wetterleuchtet): er sieht verwundert drein, mit reichen mundartlichen Varianten, z.B. obersächsisch ›Er hält'n Kupp wie de Gänse, wenn's dunnert‹, schleswig-holsteinisch ›He steit un luurt as de Ganner na de Blitz‹; schon in der ›Lauber-Hütt‹ Abraham a Sancta Claras: »Drähen die Augen gegen den Himmel wie die Ganß« und bei Picander (Henrici) 1723: »nun stehen wir da wie die Gänse, wenn das Wetter leucht«. Älter belegt ist auch: Er ist drauf aus wie die Gans auf den Apfelbutzen, sehr verbreitet im Schwäbischen, bezeugt 1596 bei Josephus Langius (›Adagia‹ S. 48): »er sihet auff eine Seite wie ein Ganß, die ein Apfel suchet«.
Er liegt mit den Gänsen im Prozeß, ob es Haare oder Federn werden sagt man von einem jungen Manne, der sehr stolz ist auf seinen ersten Bartflaum; nahezu sämtliche deutsche Mundartwörterbücher bieten zu dieser Wendung reiche Belege, z.B. ›He liggt mit de Gös in 'n Perzess‹ (Wander I, Spalte 1336), rheinisch ›Beld der nüs en, du häs der Process mot de Gans noch net gewonne!‹ (Rheinisches Wörterbuch II, 1013); ebd. ›Jetzt gehn der Gans die Federe aus‹, bei einer schweren Aufgabe. Obersächsisch ›Mer hoon auch a Gensel mitnanner zu bruten‹. Elsässisch ›Hafer von dr Gans kaufn‹, eine törichte Forderung stellen, ›d'Gans füetern‹, sich erbrechen (vgl. ›Die Fische füttern‹, ⇨ Fische).
Aussehen wie eine gerupfte Gans: schlecht frisiert (bei nassem Haar), auch: unrasiert ⇨ aussehen.
Um der Gänse willen, für die Gänse: für nichts und wieder nichts, belegt bei Grimmelshausen im ›Simplicissimus‹: »und weiln er gleich mit Weib und Kindern aufbrach, dachte ich: er wird ja um der Gänse willen nicht hinziehen« (nach Moskau); vgl. auch ›Für die Katze‹, ⇨ Katze.
Den Gänsen predigen ⇨ Fuchs.
Sich die gebratenen Gänse ins Maul fliegen lassen ⇨ Taube.
Die Gänse beschlagen: Unnützes tun; obersächsisch ›Er will allen Gänsen Schuhe machen‹, er ist überklug. 1630 heißt es bei Christoph Lehmann im ›Florilegium politicum‹ (Politischer Blumengarten): »Man find Junge dapffere Leut die auff der Weissheit Werckstatt weder Lehrjungen noch Gesellenweiss gearbeitet vnd niemahln einem Meister nachgewandert, sondern nur daheim bey der Muttermilch vnd dess Vatters Saltzfass in aller Weissheit Meister werden, können bescheydenlich Fünff vor Vngerad zehlen, Dreyssig mit GOTT, den Gänssen Huffeysen anziehen, vnd einer jeden Axt ein Stil finden«. Sailers Sprichwörtersammlung von 1810 bringt als Erklärung zu einem ›Überwitzigen‹: »Er kann einer Gans ein Hufeisen aufschlagen, jeder Laus eine Stelze machen« (⇨ Laus). Diese und ähnliche Redensarten sind in mehreren europäischen Ländern bekannt. Im französischen Sprachgebiet findet sich 1461 bei François Villon in seinem ›Grand Testament‹ die Zeile »pour ferrer ouës et canettes«. In den Dialekten lebt wenigstens die Erinnerung an die Redensart noch fort, z.B.: ›Cau pas qu'un cop enta trouba un hèr d'aouco: Il ne faut qu'une fois pour trouver un fer d'oie‹. Im Berner Jura findet sich die Wendung ›farraie les oûeyes‹; als Aprilscherz, als ›Narrenauftrag‹ sagt man im Berner Jura auch: ›On l'enverrait bien porter une oie au maréchal-ferrant, le premier avril, pour la ferrer‹. Italienisch lautet die Redensart ›ferrare le oche‹; vor allem findet sie sich im Italien des 16. Jahrhunderts mehrfach in der Form des Sagen-Sprichworts, z.B.: »A una a una, disse colui, che ferrava l'oche«. Die englischen Belege sind im ›Oxford Dictionary of English Proverbs‹ zusammengestellt. Danach tritt in einem nicht mehr feststellbaren Jahr des 15. Jahrhunderts der Satz auf: »He schalle be put owte of company, and scho the gose«. Anstelle von ›goose‹ kann auch die Verkleinerungsform ›gosling‹ oder der Gänserich ›gander‹ treten. Das Barfußgehen der Gänse, das Bedauern mit ihnen, daß sie keine Schuhe haben, daß man ihnen Schuhe machen sollte und ähnliche Vorstellungen treten häufig in Sprichwörtern, Redensarten und vor allem in Kinderreimen auf. Der bekannteste ist:
Eia popeia, was raschelt im Stroh?
Die Gänschen gehn barfuß und hab'n keine Schuh,
Der Schuster hat Leder, kein Leisten dazu,
So kann er den Gänschen auch machen keine Schuh.
Heinrich Bebel faßte in seinen 1508 erschienenen ›Proverbia Germanica‹ diesen Gedanken in die Worte: »Non curo anseres nudipedes ire; de negligenti dicitur«. Entsprechend heißt es in Sebastian Brants ›Narrenschiff‹:
Wer sorget, ob die gaenss gent bloss ...
Der hat kein frid, ruow vberal.
Das Beschlagen der Gänse kommt auch in einer ganzen Reihe von bildlichen Darstellungen vor, z.B. auf den Misericordien des Münsters von Beverly (England). Eine Gans in einem sogenannten. Notstand, wie ihn die Schmiede zum Beschlagen von Pferden kennen, zeigt auch eine Illustration, die sich in einem Manuskript in Oxford befindet. Eine weitere Darstellung findet sich in einer Kirche von Walcourt in Belgien, wo wiederum eine Gans von einem Schmied beschlagen wird. Alle diese Bildzeugnisse fallen zeitlich ungefähr mit den literarischen Belegen zusammen: ins Ende des Mittelalters.
Eine Art ›Beschlagen‹ der Gänse hat es nun indessen tatsächlich gegeben: In einzelnen Teilen Irlands wurden und werden noch Zeichen in die Schwimmhäute der Gänse eingelocht; sie wurden ›tokened‹. Das geschieht vor allem dort, wo sie auf gemeinschaftliche Weide gehen oder getrieben werden. Sie werden in diesem Fall mit dem üblichen Besitzerzeichen unterschieden. Viel eigenartiger aber ist eine in Wales angewandte Methode, um Gänse zum Verkauf aus Wales nach England zu treiben, zu einer Zeit, als noch alles zu Fuß ging. Da die Gänse schlecht zu Fuß sind und diese großen Strecken, die eine tagelange Wanderung erforderten, wohl kaum ohne Beschwerden bewältigt hätten, wurden sie ›beschuht‹, d.h., ihre Füße wurden in Pech getaucht. Wo dieser Brauch nicht mehr verstanden wurde, da mag das ›Beschlagen‹ der Gänse als unnützes Tun erschienen und in diesem Sinne redensartlich geworden sein.
Die Gans (nicht) schlachten, die goldene Eier legt: es hat wenig Sinn, etwas angreifen oder ausmerzen zu wollen, was einem nur Vorteile beschert. Eine solche törichte Handlung begeht in Äsops Fabel ein Mann, der von Hermes eine Gans geschenkt erhält, die goldene Eier legt. Weil er glaubt, in ihrem Innern befinde sich ein ganzer Klumpen Gold, schlachtet er sie und zerstört auf diese Weise durch seine Habgier die Quelle seines Glücks (Mot. D. 876).
›Eine Martinsgans schlachten‹: am Martinsfest (11.11.) eine Gans essen. In vielen katholischen Familien ist es seit jeher Brauch, am Fest des hl. Martin die sog. ›Martinsgans‹ zu verzehren. Der Ursprung dieses Brauchs ist nicht gesichert, doch gibt es verschiedene Theorien seiner Entstehung: Seit dem Ende des 15.Jahrhunderts gilt der hl. Martin als Schutzpatron der Gänse und hat auf bildlichen Darstellungen entsprechend eine Gans als Attribut. Das soll damit zusammenhängen, daß am Fest des Heiligen die Naturalabgaben fällig wurden. Sie bestanden meist aus geschlachteten Gänsen. Eine andere Erklärung liefert die Legende. Demnach soll sich der hl. Martin zur Zeit der Bischofswahl aus Bescheidenheit in einem Gänsestall versteckt gehalten haben, durch das Geschnatter der Gänse schließlich jedoch entdeckt worden sein. Seither würden die Gänse zur Strafe am Martinstag geschlachtet. In einem Martinslied heißt es daher:
Was haben doch die gense getan,
daß so vil müßens leben lan?
Die gens mit irem dadern ...
sant Martin han verraten ...
darumb tut man sie braten.
(L. Röhrich und R.W. Brednich: Deutsche Volkslieder, Bd. II [Düsseldorf 1967], S. 93, Nr. 10c, Strophe 1).
Als gebratene Gans ist sie ihres Ruhmes gewiß, wie auch ein Kölner Sprichwort bezeugt: ›Eine jut gebrat'ne Jans is 'ne jute Jabe Jottes‹.
›Die Gänse haben das Kapitol gerettet‹ wird oft als Gegenrede gebraucht, wenn eine Person als ›Gans‹ tituliert wurde. Die auf dem römischen Kapitol zu Ehren der Göttin Juno gehaltenen Gänse sollen der Sage nach um das Jahr 390 v. Chr. durch ihr Schnattern die Wachen vor den im Dunkeln heranschleichenden Galliern gewarnt und so das Kapitol gerettet haben (Mot. B 521.3.2).
• W. HUMPHREY: ›Shoeing the Goose‹, in: Notes & Queries, 3rd, 7 (1865), 457-458; J. ADDIS: ›Shoeing the Goose‹, in: Notes & Queries, 4th, 8 (1871), 335; F. GALL: Wo der Wolf den Gänsen predigt. Historische Stätten und Zeichen, Sagenfiguren und Sinnbilder in Wien (Wien 1872); O. KELLER: Die antike Tierwelt 2 (Leipzig 1913), S. 220-225; K. KNORTZ: Die Vögel in Geschichte, Sage, Brauch und Literatur (München 1913), S. 1-49; A. TAYLOR: Artikel ›Gans‹, in: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens III, Spalte 290-295; R. WILDHABER: ›Die Gänse beschlagen‹, in: Homenaje a Fritz Krüger – U.N.C. II (Mendoza 1954), S. 339-356; K. GENRUP: Gåsskötsel (Gänsezucht). En etnologisk studie ... (Lund 1975); M. GRÄTZ: Artikel ›Gans‹, in: Enzyklopädie des Märchens V, Spalte 676-683; E. und L. GATTIKER: Die Vögel im Volksglauben (Wiesbaden 1989), S. 496-518.
Gänse beschlagen. Oxford, Manuskr. Bodley 264.
Gänse beschlagen. P.e.R., Plate CLXXIX.
Gänse beschlagen. Misericordiendarstellung, Beverley Monster, 15. Jahrhundert.
Ir sît ein gans!
möht ir gerüeret hân den vlans (›Flunsch‹)
und het den wirt gevräget ...
(›Parzival‹ 247, 27).
Kaspar Stieler verzeichnet 1691: »sie ist eine rechte gans – stupida est«. In Schillers ›Kabale und Liebe‹ (I, 2) sagt der erzürnte Stadtmusikus Miller von seiner Frau: »Bleiben sitzen!... Herr Sekretarius! Das Weib ist eine alberne Gans! Wo soll eine gnädige Madam herkommen?« Eine Steigerung dieses Vergleichs bildet die Redensart Er ist so dumm, daß ihn die Gänse beißen, häufig in den Mundarten, abgewandelt rheinisch ›der es so dumm, daß em de Gäns nolafe‹ (nachlaufen). Eine volkstümliche Verwünschung lautete in Schleswig-Holstein ›dat die de Ganner bitt!‹
Auch sonst sind unsere Mundarten reich an sprichwörtlichen Redensarten von den Gänsen; viele davon sind durch die Literatur oder in der Umgangssprache bisher kaum bekannt geworden. Er macht ein Gesicht wie die Gans, wenn's donnert (wenn's wetterleuchtet): er sieht verwundert drein, mit reichen mundartlichen Varianten, z.B. obersächsisch ›Er hält'n Kupp wie de Gänse, wenn's dunnert‹, schleswig-holsteinisch ›He steit un luurt as de Ganner na de Blitz‹; schon in der ›Lauber-Hütt‹ Abraham a Sancta Claras: »Drähen die Augen gegen den Himmel wie die Ganß« und bei Picander (Henrici) 1723: »nun stehen wir da wie die Gänse, wenn das Wetter leucht«. Älter belegt ist auch: Er ist drauf aus wie die Gans auf den Apfelbutzen, sehr verbreitet im Schwäbischen, bezeugt 1596 bei Josephus Langius (›Adagia‹ S. 48): »er sihet auff eine Seite wie ein Ganß, die ein Apfel suchet«.
Er liegt mit den Gänsen im Prozeß, ob es Haare oder Federn werden sagt man von einem jungen Manne, der sehr stolz ist auf seinen ersten Bartflaum; nahezu sämtliche deutsche Mundartwörterbücher bieten zu dieser Wendung reiche Belege, z.B. ›He liggt mit de Gös in 'n Perzess‹ (Wander I, Spalte 1336), rheinisch ›Beld der nüs en, du häs der Process mot de Gans noch net gewonne!‹ (Rheinisches Wörterbuch II, 1013); ebd. ›Jetzt gehn der Gans die Federe aus‹, bei einer schweren Aufgabe. Obersächsisch ›Mer hoon auch a Gensel mitnanner zu bruten‹. Elsässisch ›Hafer von dr Gans kaufn‹, eine törichte Forderung stellen, ›d'Gans füetern‹, sich erbrechen (vgl. ›Die Fische füttern‹, ⇨ Fische).
Aussehen wie eine gerupfte Gans: schlecht frisiert (bei nassem Haar), auch: unrasiert ⇨ aussehen.
Um der Gänse willen, für die Gänse: für nichts und wieder nichts, belegt bei Grimmelshausen im ›Simplicissimus‹: »und weiln er gleich mit Weib und Kindern aufbrach, dachte ich: er wird ja um der Gänse willen nicht hinziehen« (nach Moskau); vgl. auch ›Für die Katze‹, ⇨ Katze.
Den Gänsen predigen ⇨ Fuchs.
Sich die gebratenen Gänse ins Maul fliegen lassen ⇨ Taube.
Die Gänse beschlagen: Unnützes tun; obersächsisch ›Er will allen Gänsen Schuhe machen‹, er ist überklug. 1630 heißt es bei Christoph Lehmann im ›Florilegium politicum‹ (Politischer Blumengarten): »Man find Junge dapffere Leut die auff der Weissheit Werckstatt weder Lehrjungen noch Gesellenweiss gearbeitet vnd niemahln einem Meister nachgewandert, sondern nur daheim bey der Muttermilch vnd dess Vatters Saltzfass in aller Weissheit Meister werden, können bescheydenlich Fünff vor Vngerad zehlen, Dreyssig mit GOTT, den Gänssen Huffeysen anziehen, vnd einer jeden Axt ein Stil finden«. Sailers Sprichwörtersammlung von 1810 bringt als Erklärung zu einem ›Überwitzigen‹: »Er kann einer Gans ein Hufeisen aufschlagen, jeder Laus eine Stelze machen« (⇨ Laus). Diese und ähnliche Redensarten sind in mehreren europäischen Ländern bekannt. Im französischen Sprachgebiet findet sich 1461 bei François Villon in seinem ›Grand Testament‹ die Zeile »pour ferrer ouës et canettes«. In den Dialekten lebt wenigstens die Erinnerung an die Redensart noch fort, z.B.: ›Cau pas qu'un cop enta trouba un hèr d'aouco: Il ne faut qu'une fois pour trouver un fer d'oie‹. Im Berner Jura findet sich die Wendung ›farraie les oûeyes‹; als Aprilscherz, als ›Narrenauftrag‹ sagt man im Berner Jura auch: ›On l'enverrait bien porter une oie au maréchal-ferrant, le premier avril, pour la ferrer‹. Italienisch lautet die Redensart ›ferrare le oche‹; vor allem findet sie sich im Italien des 16. Jahrhunderts mehrfach in der Form des Sagen-Sprichworts, z.B.: »A una a una, disse colui, che ferrava l'oche«. Die englischen Belege sind im ›Oxford Dictionary of English Proverbs‹ zusammengestellt. Danach tritt in einem nicht mehr feststellbaren Jahr des 15. Jahrhunderts der Satz auf: »He schalle be put owte of company, and scho the gose«. Anstelle von ›goose‹ kann auch die Verkleinerungsform ›gosling‹ oder der Gänserich ›gander‹ treten. Das Barfußgehen der Gänse, das Bedauern mit ihnen, daß sie keine Schuhe haben, daß man ihnen Schuhe machen sollte und ähnliche Vorstellungen treten häufig in Sprichwörtern, Redensarten und vor allem in Kinderreimen auf. Der bekannteste ist:
Eia popeia, was raschelt im Stroh?
Die Gänschen gehn barfuß und hab'n keine Schuh,
Der Schuster hat Leder, kein Leisten dazu,
So kann er den Gänschen auch machen keine Schuh.
Heinrich Bebel faßte in seinen 1508 erschienenen ›Proverbia Germanica‹ diesen Gedanken in die Worte: »Non curo anseres nudipedes ire; de negligenti dicitur«. Entsprechend heißt es in Sebastian Brants ›Narrenschiff‹:
Wer sorget, ob die gaenss gent bloss ...
Der hat kein frid, ruow vberal.
Das Beschlagen der Gänse kommt auch in einer ganzen Reihe von bildlichen Darstellungen vor, z.B. auf den Misericordien des Münsters von Beverly (England). Eine Gans in einem sogenannten. Notstand, wie ihn die Schmiede zum Beschlagen von Pferden kennen, zeigt auch eine Illustration, die sich in einem Manuskript in Oxford befindet. Eine weitere Darstellung findet sich in einer Kirche von Walcourt in Belgien, wo wiederum eine Gans von einem Schmied beschlagen wird. Alle diese Bildzeugnisse fallen zeitlich ungefähr mit den literarischen Belegen zusammen: ins Ende des Mittelalters.
Eine Art ›Beschlagen‹ der Gänse hat es nun indessen tatsächlich gegeben: In einzelnen Teilen Irlands wurden und werden noch Zeichen in die Schwimmhäute der Gänse eingelocht; sie wurden ›tokened‹. Das geschieht vor allem dort, wo sie auf gemeinschaftliche Weide gehen oder getrieben werden. Sie werden in diesem Fall mit dem üblichen Besitzerzeichen unterschieden. Viel eigenartiger aber ist eine in Wales angewandte Methode, um Gänse zum Verkauf aus Wales nach England zu treiben, zu einer Zeit, als noch alles zu Fuß ging. Da die Gänse schlecht zu Fuß sind und diese großen Strecken, die eine tagelange Wanderung erforderten, wohl kaum ohne Beschwerden bewältigt hätten, wurden sie ›beschuht‹, d.h., ihre Füße wurden in Pech getaucht. Wo dieser Brauch nicht mehr verstanden wurde, da mag das ›Beschlagen‹ der Gänse als unnützes Tun erschienen und in diesem Sinne redensartlich geworden sein.
Die Gans (nicht) schlachten, die goldene Eier legt: es hat wenig Sinn, etwas angreifen oder ausmerzen zu wollen, was einem nur Vorteile beschert. Eine solche törichte Handlung begeht in Äsops Fabel ein Mann, der von Hermes eine Gans geschenkt erhält, die goldene Eier legt. Weil er glaubt, in ihrem Innern befinde sich ein ganzer Klumpen Gold, schlachtet er sie und zerstört auf diese Weise durch seine Habgier die Quelle seines Glücks (Mot. D. 876).
›Eine Martinsgans schlachten‹: am Martinsfest (11.11.) eine Gans essen. In vielen katholischen Familien ist es seit jeher Brauch, am Fest des hl. Martin die sog. ›Martinsgans‹ zu verzehren. Der Ursprung dieses Brauchs ist nicht gesichert, doch gibt es verschiedene Theorien seiner Entstehung: Seit dem Ende des 15.Jahrhunderts gilt der hl. Martin als Schutzpatron der Gänse und hat auf bildlichen Darstellungen entsprechend eine Gans als Attribut. Das soll damit zusammenhängen, daß am Fest des Heiligen die Naturalabgaben fällig wurden. Sie bestanden meist aus geschlachteten Gänsen. Eine andere Erklärung liefert die Legende. Demnach soll sich der hl. Martin zur Zeit der Bischofswahl aus Bescheidenheit in einem Gänsestall versteckt gehalten haben, durch das Geschnatter der Gänse schließlich jedoch entdeckt worden sein. Seither würden die Gänse zur Strafe am Martinstag geschlachtet. In einem Martinslied heißt es daher:
Was haben doch die gense getan,
daß so vil müßens leben lan?
Die gens mit irem dadern ...
sant Martin han verraten ...
darumb tut man sie braten.
(L. Röhrich und R.W. Brednich: Deutsche Volkslieder, Bd. II [Düsseldorf 1967], S. 93, Nr. 10c, Strophe 1).
Als gebratene Gans ist sie ihres Ruhmes gewiß, wie auch ein Kölner Sprichwort bezeugt: ›Eine jut gebrat'ne Jans is 'ne jute Jabe Jottes‹.
›Die Gänse haben das Kapitol gerettet‹ wird oft als Gegenrede gebraucht, wenn eine Person als ›Gans‹ tituliert wurde. Die auf dem römischen Kapitol zu Ehren der Göttin Juno gehaltenen Gänse sollen der Sage nach um das Jahr 390 v. Chr. durch ihr Schnattern die Wachen vor den im Dunkeln heranschleichenden Galliern gewarnt und so das Kapitol gerettet haben (Mot. B 521.3.2).
• W. HUMPHREY: ›Shoeing the Goose‹, in: Notes & Queries, 3rd, 7 (1865), 457-458; J. ADDIS: ›Shoeing the Goose‹, in: Notes & Queries, 4th, 8 (1871), 335; F. GALL: Wo der Wolf den Gänsen predigt. Historische Stätten und Zeichen, Sagenfiguren und Sinnbilder in Wien (Wien 1872); O. KELLER: Die antike Tierwelt 2 (Leipzig 1913), S. 220-225; K. KNORTZ: Die Vögel in Geschichte, Sage, Brauch und Literatur (München 1913), S. 1-49; A. TAYLOR: Artikel ›Gans‹, in: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens III, Spalte 290-295; R. WILDHABER: ›Die Gänse beschlagen‹, in: Homenaje a Fritz Krüger – U.N.C. II (Mendoza 1954), S. 339-356; K. GENRUP: Gåsskötsel (Gänsezucht). En etnologisk studie ... (Lund 1975); M. GRÄTZ: Artikel ›Gans‹, in: Enzyklopädie des Märchens V, Spalte 676-683; E. und L. GATTIKER: Die Vögel im Volksglauben (Wiesbaden 1989), S. 496-518.
Gänse beschlagen. Oxford, Manuskr. Bodley 264.
Gänse beschlagen. P.e.R., Plate CLXXIX.
Gänse beschlagen. Misericordiendarstellung, Beverley Monster, 15. Jahrhundert.