Redensarten Lexikon
Galgen
Mit erstaunlicher Zähigkeit haben sich in den heutigen Mundarten noch verschiedene Ausdrücke der mittelalterlichen Rechtssprache als sprichwörtliche Redensarten erhalten. Dazu gehört die Wendung vom Galgen aufs Rad kommen: vom Regen in die Traufe (⇨ Regen), aus einer Verlegenheit in die andere kommen, so 1522 bei Thomas Murner im ›Lutherischen Narren‹ und heute noch in Aachen: ›Er küt van de Galge op et Rad‹, ebd. ›Do steht Galge on Rad drop‹, es ist streng verboten; schleswig-holsteinisch ›Dorbi kümmst je an Galge un Rad‹, in des ⇨ Teufels Küche. Einander Galgen und Rad vorwerfen: sich gegenseitig der strafwürdigsten Vergehen bezichtigen. Der Tod durch das Rad galt als genauso schimpflich wie der Tod am Galgen, bereits die Hinrichtung durch das Schwert galt als Begnadigung.
Ein zweiter noch lebendiger Rechtsausdruck ist ein Galgen voll: sieben Stück, entsprechend dem Sprichwort ›Sechse sind kein Galgen voll‹ (Simrock 9430a), weil an einem Galgen Platz für sieben Verbrecher war; mundartlich im Rheinland ›Nu es de Galge voll‹, nun sind 7 Personen beisammen. ›En Galgen vull‹ heißt im Hannoverschen: sieben eines Gelichters; im Obersächsischen dann allgemein: ein Häufchen verächtlicher Gesellen, eine ganze Menge, bereits ohne die Vorstellung von der Siebenzahl.
Sonst dient der Galgen in den Redensarten zur Bezeichnung des Verächtlichen, in Flüchen und Verwünschungen wie geh an den Galgen; bei Agricola »auß an galgen«; bei Lessing: »Du kannst mit deinen Büchern an den Galgen gehen«; mundartlich im Rheinland ›Du herrscht gehänkt an de hehgste Galge‹; früher oft mit dem Zusatz ›lichter‹ Galgen, so 1573 in Fischarts ›Flöhhatz‹: »Und wünschten uns an lichten Galgen«, vielleicht daher, weil der Galgen gewöhnlich auf einer vor der Stadt gelegenen Höhe errichtet wurde. Auch Eulenspiegel trifft der Fluch: »Fahr fort an den lichten Galgen«, der ihn freilich wörtlich nimmt und damit das Absurde dieser Redensart deutlich macht.
Was verloren ist, ist ›am Galgen‹, daher die mundartlich öfters belegte Redensart Das ist Butter an den Galgen geschmiert: das ist nutzlose, vergebliche Arbeit. Ebenfalls nur mundartlich bezeugt ist die Wendung am goldenen Galgen hängen: im reichen Elend leben, von Ehemännern gebraucht, die eine Frau ihres Geldes wegen geheiratet haben; im gleichen Sinn auch das mundartlich gebräuchliche Sprichwort, z.B. schwäbisch ›Ein goldiger Galge taugt nix, wenn ma dra hange muß‹ oder rheinisch ›Wat nötz mer ene gölde Galge, wann ich dran hange moß!‹ Elsässisch dagegen ›am silbernen Galgen hängen‹, ein mühevolles, aber auch sehr einträgliches Amt haben.
Er hängt dran wie der Dieb am Galgen ⇨ Dieb. Ähnlich erzgebirgisch ›Daar hengt drân wie der Leffel em Golchen‹, er hält sich sehr ungeschickt, besonders von nicht gut sitzender Kleidung.
Wie Galgen selbst früher als Schimpfwort gebraucht wurde, z.B. in Beheims ›Buch der Wiener‹ (275,4): »Grünspanlein, diser mörder, der pos diep und henkmäßig galk«, so nennt man einen treulosen, betrügerischen Menschen auch falsch wie Galgenholz; schon die Hessische Reimchronik zum Jahr 1414 erzählt von einem Hans Galgenholz:
Den Hessen auch das bracht ein Freud,
Daß sie fingen in selbem Streit
Fritz Galgenholz, ein reisigen Knecht,
Der ein geborner Hesse recht
Und des Grafen Kundschafter war
Von dem das Land leidt groß gefahr.
Auch schwäbisch ist ›Galgenholz‹ der Name für einen falschen, betrügerischen Menschen. Niederländisch ›Hij is zoo slim als het hout van de galg‹. In den Mundarten werden dem Galgenholz noch viele andere Eigenschaften zugeschrieben: ›So krumm, schlecht, frech, zäh wie Galgenholz‹. Ähnlich gebildete Scheltwörter sind ›Galgenschwengel‹ (bezeugt z.B. im Amadis-Roman), ›Galgenstrick‹, ›Galgenaas‹, niederländisch ›galgestrop‹. Da Gehenkte am Galgen hinundherbaumeln, scheinbar fliegen, und den Vögeln zum Fraß ausgeliefert sind (⇨ vogelfrei), werden aufhängenswerte Spitzbuben ironisch auch als ›Galgenvögel‹ oder ›Galgenfleisch‹ bezeichnet.
Die ›Galgenfrist‹ ist der letzte Aufschub vor einem unentrinnbaren Verhängnis, eigentlich die letzte Gnadenfrist für einen zum Galgen Verurteilten; das Wort taucht Anfang des 16. Jahrhunderts zuerst auf und wird schon 1639 von Erasmus Alberus bildlich gebraucht. ›Galgenhumor‹ hat, wer in verzweifelter Situation noch Witze zu reißen vermag.
• A. WINKLER: ›Löffel am Galgen‹, in: Mitteldeutsche Blätter für Volkskunde 3 (1928), S. 29; R. WEBER: ›Schob am Galgen‹, in: Mitteldeutsche Blätter für Volkskunde 3 (1928), S. 14-15; W. MÜLLER-BERGSTRÖM: Artikel ›Galgen‹, in: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens III, Spalte 258-269; E. FRH. V. KÜNßBERG: Rechtliche Volkskunde, in: Volk, Bd. 3 (Halle 1936); DERS.: Rechtsgeschichte und Volkskunde (Köln – Graz 1965); K. FRÖLICH: Stätten mittelalterlicher Rechtspflege auf südwestdeutschem Boden, besonders in Hessen und den Nachbargebieten, in: Arbeiten zur rechtlichen Volkskunde 1 (Tübingen 1938); K. ROSSA: Todesstrafen – Ihre Wirklichkeit in drei Jahrtausenden (Oldenburg – Hamburg 1966); K.-S. KRA-
MER: Artikel ›Galgen‹, in: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte I, Spalte 1377-1378; V.J. SAMAROV: Artikel ›Galgen‹, in: Enzyklopädie des Märchens V, Spalte 647-654; E. MOSER-RATH: Artikel ›Galgenhumor‹, in: Enzyklopädie des Märchens V, Spalte 654-660.
Galgenvögel. Illustration von Gustave Doré zu Francois Rabelais: Oevres de François Rabelais contenant la vie de Gargantua et celle de Pantagruel, Paris 1854, Buch 3, Kapitel 51..
Ein zweiter noch lebendiger Rechtsausdruck ist ein Galgen voll: sieben Stück, entsprechend dem Sprichwort ›Sechse sind kein Galgen voll‹ (Simrock 9430a), weil an einem Galgen Platz für sieben Verbrecher war; mundartlich im Rheinland ›Nu es de Galge voll‹, nun sind 7 Personen beisammen. ›En Galgen vull‹ heißt im Hannoverschen: sieben eines Gelichters; im Obersächsischen dann allgemein: ein Häufchen verächtlicher Gesellen, eine ganze Menge, bereits ohne die Vorstellung von der Siebenzahl.
Sonst dient der Galgen in den Redensarten zur Bezeichnung des Verächtlichen, in Flüchen und Verwünschungen wie geh an den Galgen; bei Agricola »auß an galgen«; bei Lessing: »Du kannst mit deinen Büchern an den Galgen gehen«; mundartlich im Rheinland ›Du herrscht gehänkt an de hehgste Galge‹; früher oft mit dem Zusatz ›lichter‹ Galgen, so 1573 in Fischarts ›Flöhhatz‹: »Und wünschten uns an lichten Galgen«, vielleicht daher, weil der Galgen gewöhnlich auf einer vor der Stadt gelegenen Höhe errichtet wurde. Auch Eulenspiegel trifft der Fluch: »Fahr fort an den lichten Galgen«, der ihn freilich wörtlich nimmt und damit das Absurde dieser Redensart deutlich macht.
Was verloren ist, ist ›am Galgen‹, daher die mundartlich öfters belegte Redensart Das ist Butter an den Galgen geschmiert: das ist nutzlose, vergebliche Arbeit. Ebenfalls nur mundartlich bezeugt ist die Wendung am goldenen Galgen hängen: im reichen Elend leben, von Ehemännern gebraucht, die eine Frau ihres Geldes wegen geheiratet haben; im gleichen Sinn auch das mundartlich gebräuchliche Sprichwort, z.B. schwäbisch ›Ein goldiger Galge taugt nix, wenn ma dra hange muß‹ oder rheinisch ›Wat nötz mer ene gölde Galge, wann ich dran hange moß!‹ Elsässisch dagegen ›am silbernen Galgen hängen‹, ein mühevolles, aber auch sehr einträgliches Amt haben.
Er hängt dran wie der Dieb am Galgen ⇨ Dieb. Ähnlich erzgebirgisch ›Daar hengt drân wie der Leffel em Golchen‹, er hält sich sehr ungeschickt, besonders von nicht gut sitzender Kleidung.
Wie Galgen selbst früher als Schimpfwort gebraucht wurde, z.B. in Beheims ›Buch der Wiener‹ (275,4): »Grünspanlein, diser mörder, der pos diep und henkmäßig galk«, so nennt man einen treulosen, betrügerischen Menschen auch falsch wie Galgenholz; schon die Hessische Reimchronik zum Jahr 1414 erzählt von einem Hans Galgenholz:
Den Hessen auch das bracht ein Freud,
Daß sie fingen in selbem Streit
Fritz Galgenholz, ein reisigen Knecht,
Der ein geborner Hesse recht
Und des Grafen Kundschafter war
Von dem das Land leidt groß gefahr.
Auch schwäbisch ist ›Galgenholz‹ der Name für einen falschen, betrügerischen Menschen. Niederländisch ›Hij is zoo slim als het hout van de galg‹. In den Mundarten werden dem Galgenholz noch viele andere Eigenschaften zugeschrieben: ›So krumm, schlecht, frech, zäh wie Galgenholz‹. Ähnlich gebildete Scheltwörter sind ›Galgenschwengel‹ (bezeugt z.B. im Amadis-Roman), ›Galgenstrick‹, ›Galgenaas‹, niederländisch ›galgestrop‹. Da Gehenkte am Galgen hinundherbaumeln, scheinbar fliegen, und den Vögeln zum Fraß ausgeliefert sind (⇨ vogelfrei), werden aufhängenswerte Spitzbuben ironisch auch als ›Galgenvögel‹ oder ›Galgenfleisch‹ bezeichnet.
Die ›Galgenfrist‹ ist der letzte Aufschub vor einem unentrinnbaren Verhängnis, eigentlich die letzte Gnadenfrist für einen zum Galgen Verurteilten; das Wort taucht Anfang des 16. Jahrhunderts zuerst auf und wird schon 1639 von Erasmus Alberus bildlich gebraucht. ›Galgenhumor‹ hat, wer in verzweifelter Situation noch Witze zu reißen vermag.
• A. WINKLER: ›Löffel am Galgen‹, in: Mitteldeutsche Blätter für Volkskunde 3 (1928), S. 29; R. WEBER: ›Schob am Galgen‹, in: Mitteldeutsche Blätter für Volkskunde 3 (1928), S. 14-15; W. MÜLLER-BERGSTRÖM: Artikel ›Galgen‹, in: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens III, Spalte 258-269; E. FRH. V. KÜNßBERG: Rechtliche Volkskunde, in: Volk, Bd. 3 (Halle 1936); DERS.: Rechtsgeschichte und Volkskunde (Köln – Graz 1965); K. FRÖLICH: Stätten mittelalterlicher Rechtspflege auf südwestdeutschem Boden, besonders in Hessen und den Nachbargebieten, in: Arbeiten zur rechtlichen Volkskunde 1 (Tübingen 1938); K. ROSSA: Todesstrafen – Ihre Wirklichkeit in drei Jahrtausenden (Oldenburg – Hamburg 1966); K.-S. KRA-
MER: Artikel ›Galgen‹, in: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte I, Spalte 1377-1378; V.J. SAMAROV: Artikel ›Galgen‹, in: Enzyklopädie des Märchens V, Spalte 647-654; E. MOSER-RATH: Artikel ›Galgenhumor‹, in: Enzyklopädie des Märchens V, Spalte 654-660.
Galgenvögel. Illustration von Gustave Doré zu Francois Rabelais: Oevres de François Rabelais contenant la vie de Gargantua et celle de Pantagruel, Paris 1854, Buch 3, Kapitel 51..