Redensarten Lexikon
fressen
Das ist ein gefundenes Fressen für ihn: das kommt ihm gerade recht, das ist ihm sehr erwünscht, ein unverhoffter Genuß. Die Redensart erscheint zuerst im 17. Jahrhundert bei Andreas Gryphius, 1731 in Schnabels ›Insel Felsenburg‹ (Bd. 3, S. 42): »Das war ihnen ein gefundenes Fressen!«, im 18. Jahrhundert bei Goethe im ›Götz von Berlichingen‹ (I,1) und in Schillers ›Räubern‹ (II,3): »Das gefundene Fressen, über den alten Kaiser zu plündern«. Dabei lag der Ton ursprünglich auf ›gefunden‹; es bezeichnet das, was man nicht zu bezahlen braucht; so schreibt z.B. Dürer an Pirkheimer über einen billig gekauften Edelstein: »Jedermann spricht, es sei ein gefundener Stein, er sei im Teutzschland 50 fl. wert«. Bei Jer. Gotthelf heißt es dafür: »ein rechtes Herrenfressen« = ein unverhoffter Genuß, und in der schwäbischen Mundart ist bekannt: ›Des is e Fresse für en Geißbube in der Ernt‹, es ist etwas unerwartet Gutes. Vgl. französisch ›C'est une proie facile pour lui‹: Da hat er das ihm passende Opfer gefunden.    Fressen dient ferner zu manchem übertreibenden Ausdruck: ›Einen vor Liebe fressen‹, ähnlich schon mittelhochdeutsch: ›sam si in well vor lieb zerkiuwen‹ (zerkauen, zerbeißen). Neidhart von Reuenthal sagt von dem bäuerlichen Liebespaar Adelhalm und Clara
(41,21):

   Diesen sumer hât er sie gekouwen
   gar für brot.
   Schamerôt
   wart ich, sô si bi einander sâzen.

Heute sagt man: jemanden zum Fressen gern (lieb) haben (vgl. ›zum Anbeißen aussehen‹).
   Nicht um ein Fressen aus Liebe handelt es sich dagegen in Redensarten wie: Den hab ich gefressen: den kann ich nicht leiden, er ist mir unausstehlich, gleichsam unverdaulich. Jemanden gefressen haben wie ein Pfund Schmierseife, Ausdruck höchster Antipathie, Narr.
   ›Früher hon i mei Weib zum Freasse gean ghet‹, hot der Ma g'sait; ›heut ruit mi bloß ois: daß i se dettmols it g'freasse ho‹. Ebenso die berlinische Wendung: ›So'ne wie Sie fress ick fimve zum Frihstick‹. ›Früher hatte er sie zum Fressen gern, heute liegt sie ihm im Magen‹.
   Jemandem aus der Hand fressen: ihm völlig ergeben sein, Hand.
   Friß mich nur nicht!: Sieh mich nicht so böse an! Vgl. französisch ›Ne me mange pas‹: Fahr mich nicht so an!
   Da laß ich mich gleich fressen!: ich wette darauf; da freß ich einen Besen Besen; etwas (mit Löf-
feln) gefressen haben: es verstanden, kapiert haben ( Löffel); einen Narren an etwas (an jemandem) gefressen haben Narr. Friß Vogel oder stirb! Vogel. Sehr derb ist die Wendung ›Viel friss, viel schiss‹. Reim dich, oder ich freß dich Reim. Wer einmal aus dem Blechnapf frißt Blechnapf.
   Ich danke dir, daß du mich nicht gefressen hast, sagt man zu einem, der gähnt, ohne die Hand vor den Mund zu halten.
   Sehr häufig sind redensartliche Vergleiche mit fressen: ›Fressen wie ein Scheunendrescher, Bär, Werwolf, Schmiedknecht, Holzmacher, Bürstenbinder, Bernhardiner‹; ›Er fräße eine Kuh bis auf den Schwanz‹, ›Einen Ochsen mitsamt den Hörnern‹, ›Er fräße den Teufel und seine Großmutter, wenn sie nicht zappelten‹, ›Er frißt mich noch zum Haus hinaus, bis es ihm oben wieder herauskommt‹. Besonders häufig hört man die fast verzweifelt klingende, doch scherzhaft gemeinte Feststellung: Er (sie) frißt mir noch die Haare vom Kopfe, die auch im Niederdeutschen begegnet: ›De friät een de Hoare von' Kopp‹, Haar.

• E. LIEBS: Das Köstlichste von allem. Von der Lust am Essen und dem Hunger nach Liebe (Zürich 1988); ST. MENNELL: Die Kultivierung des Appetits (Frankfurt/M. 1988).
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