Redensarten Lexikon
Fliege
Zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: einen doppelten Zweck durch ein Mittel, nur eine Handlung, erreichen.    Diese Redensart ist heute sehr verbreitet und in vielen Mundarten bekannt, etwa friesisch ›diär waad' tau flüggen mit jen Klaps sleinen‹ oder niederländisch ›twee vliegen in een klap slaan‹. Die deutsche Sprache kannte ursprünglich noch eine ganze Reihe ähnlicher Wendungen zur Bezeichnung einer geschickten Handlung, die doppelten Gewinn erzielt, z.B. ›zween Füchs in einer höle fahen‹, ›zween Brey in einer Pfannen kochen‹, ›twee Appelen mit eenen Stock afwerfen‹, ›du wilt mit einer Dochter zween Eydam machen‹. Die letzte Redensart ist bereits in einer Handschrift des 11. Jahrhunderts belegt: »Tu ne maht nicht mit einero dohder zeuuena eidima machon«, als volkstümlich auch im Schwedischen und Niederländischen bezeugt.
   Aus dieser Fülle von Ausdrücken ist im heutigen Sprachgebrauch nur unsere Redensart übriggeblieben; sie wird wohl die jüngste aller ihrer Varianten sein. Bei unseren Nachbarn und schon im Lateinischen finden sich gleichbedeutende Wendungen ähnlicher Art, vgl. lateinisch ›uno saltu apros capere duos‹, italienisch ›pigliar due colombi con una fava‹, niederländisch ›twee kraeyen met en schoot schieten‹, englisch ›to kill two birds with one stone‹, französisch ›faire d'une pierre deux coups‹.
   Wenn man von einem Prahlhans sagt: Er will sieben Fliegen mit einer Klappe schlagen, so handelt es sich dabei um eine Umgestaltung unserer Redensart in Anlehnung an das Märchen vom tapferen Schneiderlein (Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm 20).
   Sich über die Fliege an der Wand ärgern: sich über jede Kleinigkeit ereifern, nervös sein. Der pietistische Theologe C. Scriver gebraucht 1681 in seinem ›Seelenschatz‹ (2,943) diese Wendung von Kranken: »Die Erfahrung lehret, daß solche Siechlinge manchmal, wie man spricht, die Fliege an der Wand irret und eifert«, Mücke.
   Wie die Fliege aus der Buttermilch: schwerfällig, unbeholfen, ist schon Geiler von Kaysersberg bekannt in der Form: »er kam gezogen wie die Fliege aus der Buttermilch«. Bei Grimmelshausen heißt es im ›Simplicissimus‹ (Buch IV, Kapitel 20): »Sollte mir wohl jemand raten, hineinzuplumpen wie die Fliege in ein heißen Brei?« In der rheinischen Mundart ist aus unserer Zeit bezeugt: ›He geiht as en Flieg' en de Kernemelk‹, er geht sehr unbeholfen, und im Mecklenburgischen sagt man von einem, dem es gut geht: ›He läwt as de Flieg' in de Dickmelk‹.
   ›Fliegen fangen‹ ist eine unnütze Tätigkeit und Zeitvergeudung; daher: Ich bin nicht hier, um Fliegen zu fangen: ich habe Wichtigeres zu tun. Von einem schüchternen und gutmütigen Menschen, der keinem anderen, nicht einmal einer ›Lästigen Fliege‹, ein Leid zufügen würde, sagt man: Er kann keiner Fliege etwas zuleide tun (vgl. niederländisch ›geen vlieg kwaad doen kunnen‹; englisch ›He would not hurt a fly‹, französisch ›Il ne ferait pas de mal à une mouche‹.)
   Aus einer Fliege einen Elefanten machen Mücke.
   Matt wie eine Fliege; bei Gellert (Sämtliche. Schriften 3,369): »Ich bin so matt, daß mich eine Fliege umstoßen könnte«; obersächsisch ›Die nerweesen Weibsen fallen um wie de Fliegen, dann liegen se da wie de toten Fliegen‹; schleswig-holsteinisch ›Se fallt as de Flegen in Nasommer‹. Entsprechend auch: Wie die Fliegen sterben: haufenweise, reihenweise. Das ist so notwendig wie die Fliegen in der Suppe: völlig überflüssig und geradezu unerwünscht.
   Die kluge, aber auch übersensible und überempfindliche Person wird mit der Wendung: die Fliegen (Flöhe) husten hören näher umschrieben (vgl. Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm 34), Floh.
   Fliegenbeine zählen: übergenau und pedantisch sein. Das Auszählen von Fliegenbeinen ist eine Metapher für eine sehr minutiöse und aufwendige, im Grunde aber sinnlose Arbeit, insbesondere in den Wissenschaften.
   Sich über jeden Fliegenschiß (Fliegendreck) ärgern: sich über Kleinigkeiten erregen.
   Nicht für einen Fliegenschiß: nicht um alles in der Welt.

• O. KELLER: Die antike Tierwelt 2 (Leipzig 1913), S. 447-453; Artikel ›To die like flies‹, in: Notes & Queries 177 (1939), S. 479, 178 (1940), S. 51, 88; R. RIEGLER: Artikel ›Fliege‹, in: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens II, Spalte 1621-1630; H.-J. UTHER: Artikel ›Fliege‹, in: Enzyklopädie des Märchens IV, Spalte 1276-1281.
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