Redensarten Lexikon
Faß
Das schlägt dem Faß den Boden aus: das gibt den Ausschlag, macht das Maß voll, macht gewaltsam Schluß; das treibt die Sache auf die Spitze, setzt ihr die Krone auf (daher die beliebte Verballhornung Das schlägt dem Faß die Krone ins Gesicht, eigentlich eine Vermischung aus drei verschiedenen Redensarten). Gemeint ist einerseits, daß der Böttcher die Reifen zu stark aufschlägt, so daß dem Faß der Boden ausgeht. Luther schreibt: »Er wird so lange an den reiffen klopfen, das eins mal dem fas der boden ausspringen wird« (EA 31, 231). Andererseits bewahrt die Redensart die Erinnerung an früheres Recht: »Von etlichen fassen, denen man uff dem winmarkt die boden uszschlug. Item den 18. novembris dises 74. jars hatten etliche purszlüt usz der margrafschaft gon Basell uf den freyen merkt win ze verkauffen gefiert; derselbig win, oder mher gumpest, was so arg, also das min h. verbotten den ze verkauffen. Ward auch endlichen erkandt, das man den fassen die boden usstossen und das tranck uff die erden usschiten solle« (aus der Chronik des Fridolin Ryff, 1574).
Schon 1523 ist aus Königsberg belegt: »Der dem vaß den bodemb wolt ausstossen«.
1534 heißt es bei Luther in der Übersetzung von 1 Kor 15: »denn stosse nur vollend dem Faß den Boden aus vnd sage, das kein Aufferstehung, kein Himel noch Hell, kein Teuffel noch Tod noch Sünd sey«. Ähnlich 1639 bei Lehmann S. 302 (Gesundheit 20): »Mancher treibt eins vmbs andre so lange, bis dem Faß der Boden ausgehet«. Auch die ›Zimmerische Chronik‹ (I, 376) kennt die Wendung: »Noch hat der unfahl nit ain ort, sonder muß dem kibel den boden gar uszstoßen«.
Literarisch ist die Redensart auch in der ›Insel Felsenburg‹ (2,209) belegt: »... endlich aber, da die worte fielen, dasz sich heute zu tage ein jeder bartscherer vom doctorhut wolte träumen lassen, wurde dem fasse der boden ausgestoszen«.
Moselfränkisch ›Dat schlecht dem Faß de Bodem us!‹: das hat gerade noch gefehlt. Dem Faß ist der Boden aus oder dem Faß bricht der Boden aus: etwas geht plötzlich und unwiederbringlich zu Ende, wie der aus dem kaputten Faß hervorbrechende Wein. Gießen ins Faß steht im ›Karlmeinet‹ (um 1320) für verleumden (A 221,22-25):
Si haddens mit nyde has.
Wir soullent geyssen in dat vas,
Sprachen sy, dat vnbevayn,
Dat her Morant sal han.
Das Faß zum Überlaufen bringen: den letzten Rest geben, durch eine Kleinigkeit lang Aufgestautes auslösen, wie der letzte Tropfen, der zu viel ist, das Wasser über den Rand des vollen Fasses schwappen läßt. Rheinisch ›et Fäßche laft iwer‹ als Warnung: es ist höchste Zeit aufzuhören, sonst gibt es böse Folgen.
Aus dem vollen Fasse gehen: großzügig, verschwenderisch; norddeutsch ›he sitt vör't vulle Fatt‹: er hat reichlich zum Leben. Im Siegerland heißt es von einem, der die Mittel und die Gelegenheit hätte, sie aber nicht zu nutzen versteht: ›he setz om Faß on wess net, wat dren es‹. In Angeln sagt man ›he kümmt bi't lüttje Fatt‹, wenn der Altbauer den Hof den Kindern übergibt und aufs Altenteil geht.
Aus dem hohlen Fasse reden: ohne Begründung daherreden, keine genauen Kenntnisse (Informationen) besitzen, ⇨ Bauch. Das Faß zuschlagen: eine Sache erledigen, mit dem Nebensinn: nicht mehr davon sprechen wollen. Dabei ist ursprünglich wohl an das Faß als Packgefäß gedacht.
Ein Faß ohne Boden sein: einer, dem man immer wieder Geld geben muß. Es ist vergebliches Tun und Verschwendung, wenn man es zu füllen sucht, es nimmt alles in sich auf, aber es zeigt sich kein Erfolg, wie bei dem mythischen ›Faß der Danaiden‹, das einen zerlöcherten Boden hatte; vgl. französisch ›C'est le tonneau des Danaides‹ (⇨ Danaiden).
›E hat e Loch en et Faß‹ sagt man in Aachen von einem, der viel verzehren kann. Ein Loch ins Faß trinken: kräftig trinken, rheinisch ›de kann en Faß voll drenke‹: eine Menge trinken.
Nach dem Faß schmecken: seine Herkunft, seinen Ursprung verraten, übertragen z.B. in Scrivers ›Seelenschatz‹ (2, 737): »alle anderen Lehren schmecken nach dem Faß«, ähnlich bereits bei Luther. Diese Redensart bezieht sich auf das Weinfaß; vgl. französisch ›sentir le tonneau‹.
Den Wein wieder im Faß haben wollen: die Sache rückgängig, ungeschehen machen wollen. Aus dem Jahre 1521 aus der Schweiz belegt: »Unser hl. Vatter wöllte den wyn wider im fas han«.
Etwas im Fasse haben: etwas in Vorrat, in Bereitschaft haben, vom Pökelfaß hergeleitet, z.B. in Johann Fischarts ›Bienenkorb‹: »als ob die lieben heiligen nicht auch ein gut wort im fasz hetten«; vgl. französisch ›avoir quelque chose derrière les fagots‹ (wörtlich: etwas [im Keller] hinter den Holzbündeln [versteckt] liegen haben): etwas besonders Wertvolles im Vorrat haben. Davon abgeleitet: noch etwas miteinander im Fasse haben: noch miteinander abzurechnen haben; er hat noch etwas im Faß liegen: er muß noch für etwas büßen (⇨ Salz); auch mundartlich verbreitet, z.B. rheinisch ›Du hes noch wat bi mek in't Fass‹, du hast noch etwas auf dem Kerbholz. Bremisch ›He het nog veel in't Vat‹: er muß noch viel erleben, es steht ihm noch viel bevor. Mundartlich ›enem wat int vat beholden (hebben)‹ bedeutete, jemand etwas Gutes oder Böses nicht vergessen, in Erinnerung behalten.
Deutlich ist die Herkunft vom Pökelfaß bei der ostfriesischen Wendung ›Dat is noh lange nich int Fatt, war't suren soll‹, die Sache ist noch nicht spruchreif, ähnlich rheinisch, aber in bezug auf das Butterfaß, ›Et es noch nit in't Fass wor et in bottere sall‹.
In Mönchengladbach sagt man ›He hat e Wörtsche bei öm en't Faß‹: er gilt etwas bei ihm, ist angesehen. ›In sien Fatt lickt vel Höhner‹ heißt es in Schleswig- Holstein vom Kinderreichen. ›Finger ut't Fatt!‹: bleib davon; ›nie vör Vadder in't Fatt langen‹ ist eine Zurechtweisung unbescheidener und voreiliger Menschen. Einem über sein Faß kommen: sich über seinen Wein hermachen, in übertragenem Sinne auch über sein Vermögen, Gut.
Das Bierfaß ist gemeint in der von Bismarck wiederholt gebrauchten Redensart das Faß angestochen haben: einen Gegenstand zur Sprache gebracht haben. Die schleswig-holsteinische Wendung ›ein anderes Faß anstechen‹ meint: das Thema (beim Kartenspiel: die Farbe) wechseln.
›Du hast noch kein Faß Salz mit ihm gegessen‹ (schwäbisch), du kannst ihn noch nicht beurteilen (⇨ Salz).
Rheinisch ›en't Faß fallen‹: Mißgeschick haben, ›et Faß kömmt in't Rolle‹: das Mißgeschick nimmt seinen Lauf, das Unglück bricht herein.
›Mit dem Faß strafen‹ war früherer Strafvollzug: mit Anlegung eines Fasses an den Hals. »Seind sie mit der ⇨ Geigen und dem Faß abgestraft worden« (Aulendf. Arch. 1677). Schweizerisch ›d' Hand under- em Faß ha‹: gebundene Hände haben, in gezwungener, bedrängter Lage sein, auch wirtschaftlich. ›Man sollt ihn in ein genageltes Faß geben und vom Berg kageln lassen‹ sagte man in Troppau von einem mißliebigen Menschen. Die Redensart stammt von einer mittelalterlichen Hinrichtungsart her: der Verurteilte wurde in ein von innen mit Nägeln oder Messern bestücktes Faß gesteckt und von einer Anhöhe heruntergerollt. ›In ein Faß schlagen‹: der Leichnam eines Selbstmörders wurde früher in einer Tonne ins Wasser geworfen, um zu verhindern, daß er als Geist umgeht.
(Einem) das Faß räumen bedeutete zur Zeit des Minnesangs: davonziehen, flüchten, (jemandem) weichen, etwas aufgeben. So z.B. bei Hartmann von Aue:
wan swâ der haz wirt innen
ernestlîcher minnen,
da rumet der haz
vroun Minnen daz vaz
(›Iwein‹ 7035ff., Anfang des 13. Jahrhunderts) und auch im ›Lohengrin‹ (76ff., um 1280-90):
her Satanas, ob ich iu hie entwiche,
daz kan sô balde niht geschehen.
swie gern ir mich wolt krenken,
ir müezet rûmen mir daz vaz.
Faß als Gefäß im religiösen Sinne wurde in altdeutschen Predigten vom Menschen gesagt: »Paulus ist mir ein uzerwelt vas, sprach got«. Auch bei Albrecht von Halberstadt (1. Hälfte des 13. Jahrhunderts), jedoch in weltlicher Bedeutung: »sie (Progne) sprach, ›du trûwelôsez vas (...)‹«.
Rheinisch ›do möt (müßte) ech en Kopp han wie en öhmig Faß‹ ist heute Ausdruck der Überforderung, viel zu viel im Kopf behalten zu müssen. (›Ohm‹ ist ein altes Flüssigkeits-, besonders Weinmaß von etwa 150 Liter.) ›Faßkopf‹ wird verächtlich von einem Menschen mit einem dicken Kopf gesagt. ›De hät en Faßbauch‹ und erzgebirgisch ›der hat aber e Fässel‹: er hat einen dicken Bauch, ähnlich auch in Saarbrücken: ›Hat der e Fäßche vore hänge!‹. ›He hät met si Muder op em Faß geridde‹ sagt man in Düsseldorf von einem O-beinigen und in Bitburg: ›he hät sin Ben iwerm Faß gesponnt‹.
Elsässisch ›Di Ku het e meineidig Faß‹: hat ein sehr großes Euter und auch ›s Kalb het schun e nett's Fäss‹. Schwäbisch ›Die hat ei's im Faß‹ steht für schwanger. Schon in der ›Zimmerischen Chronik‹ ist ›Faß‹ Bezeichnung für den Bauch der Frau: »so war sie vom vorigen man schwanger worden und also zum doctor kommen mit einem vollen vaß« und auch Umschreibung für Entjungfern: »mit ainer besondern gratia für sie herfur und sprach offenlich zu irer widerpart: ›Ja, du waist wol, was du gesagt hast, wie du das feßlin anstachest.‹«
Die Redensart ein Faß aufmachen ist jüngeren Datums und offensichtlich eine Eindeutschung der englischen Redensart ›to make a fuss about something‹, wobei das englische Wort ›fuss‹ deutsch zum ›Faß‹ wurde. Die Redensart bedeutet sowohl viel Aufhebens um eine Sache machen als auch ausgelassen feiern, Die Sau rauslassen, ⇨ Sau.
• F.V. BASSERMANN-JORDAN: Geschichte des Weinbaus, 3 Bände (Frankfurt/M. 1923, Neudruck 1975); A. HABERLANDT: Artikel ›Faß‹, in: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens II, Spalte 1230-1232; J. HUBSCHMID: Schläuche und Fässer (= Romanica Helvetica 54) (Bern 1955); L. RÖHRICH: Märchen und Wirklichkeit (Wiesbaden 4. Auflage 1979), s. Register unter ›Nageltonne‹.}
Ein Faß ohne Boden. Gilles Corrozet: Hecaton- Graphie. C'est à dire les descriptions de cent /figures et hystoires, contenants /plusieurs appophthegmes, prouer- /bes. sentences et dictztant des /anciens, que des modernes. Le tout /reueu par son au-
theur. Paris 1543, N. vii b, aus: Henkel und Schöne, Spalte 1663.
Ein Faß ohne Boden. Karikatur von Haitzinger, aus: DER SPIEGEL, vom 30.VII.1990.
Schon 1523 ist aus Königsberg belegt: »Der dem vaß den bodemb wolt ausstossen«.
1534 heißt es bei Luther in der Übersetzung von 1 Kor 15: »denn stosse nur vollend dem Faß den Boden aus vnd sage, das kein Aufferstehung, kein Himel noch Hell, kein Teuffel noch Tod noch Sünd sey«. Ähnlich 1639 bei Lehmann S. 302 (Gesundheit 20): »Mancher treibt eins vmbs andre so lange, bis dem Faß der Boden ausgehet«. Auch die ›Zimmerische Chronik‹ (I, 376) kennt die Wendung: »Noch hat der unfahl nit ain ort, sonder muß dem kibel den boden gar uszstoßen«.
Literarisch ist die Redensart auch in der ›Insel Felsenburg‹ (2,209) belegt: »... endlich aber, da die worte fielen, dasz sich heute zu tage ein jeder bartscherer vom doctorhut wolte träumen lassen, wurde dem fasse der boden ausgestoszen«.
Moselfränkisch ›Dat schlecht dem Faß de Bodem us!‹: das hat gerade noch gefehlt. Dem Faß ist der Boden aus oder dem Faß bricht der Boden aus: etwas geht plötzlich und unwiederbringlich zu Ende, wie der aus dem kaputten Faß hervorbrechende Wein. Gießen ins Faß steht im ›Karlmeinet‹ (um 1320) für verleumden (A 221,22-25):
Si haddens mit nyde has.
Wir soullent geyssen in dat vas,
Sprachen sy, dat vnbevayn,
Dat her Morant sal han.
Das Faß zum Überlaufen bringen: den letzten Rest geben, durch eine Kleinigkeit lang Aufgestautes auslösen, wie der letzte Tropfen, der zu viel ist, das Wasser über den Rand des vollen Fasses schwappen läßt. Rheinisch ›et Fäßche laft iwer‹ als Warnung: es ist höchste Zeit aufzuhören, sonst gibt es böse Folgen.
Aus dem vollen Fasse gehen: großzügig, verschwenderisch; norddeutsch ›he sitt vör't vulle Fatt‹: er hat reichlich zum Leben. Im Siegerland heißt es von einem, der die Mittel und die Gelegenheit hätte, sie aber nicht zu nutzen versteht: ›he setz om Faß on wess net, wat dren es‹. In Angeln sagt man ›he kümmt bi't lüttje Fatt‹, wenn der Altbauer den Hof den Kindern übergibt und aufs Altenteil geht.
Aus dem hohlen Fasse reden: ohne Begründung daherreden, keine genauen Kenntnisse (Informationen) besitzen, ⇨ Bauch. Das Faß zuschlagen: eine Sache erledigen, mit dem Nebensinn: nicht mehr davon sprechen wollen. Dabei ist ursprünglich wohl an das Faß als Packgefäß gedacht.
Ein Faß ohne Boden sein: einer, dem man immer wieder Geld geben muß. Es ist vergebliches Tun und Verschwendung, wenn man es zu füllen sucht, es nimmt alles in sich auf, aber es zeigt sich kein Erfolg, wie bei dem mythischen ›Faß der Danaiden‹, das einen zerlöcherten Boden hatte; vgl. französisch ›C'est le tonneau des Danaides‹ (⇨ Danaiden).
›E hat e Loch en et Faß‹ sagt man in Aachen von einem, der viel verzehren kann. Ein Loch ins Faß trinken: kräftig trinken, rheinisch ›de kann en Faß voll drenke‹: eine Menge trinken.
Nach dem Faß schmecken: seine Herkunft, seinen Ursprung verraten, übertragen z.B. in Scrivers ›Seelenschatz‹ (2, 737): »alle anderen Lehren schmecken nach dem Faß«, ähnlich bereits bei Luther. Diese Redensart bezieht sich auf das Weinfaß; vgl. französisch ›sentir le tonneau‹.
Den Wein wieder im Faß haben wollen: die Sache rückgängig, ungeschehen machen wollen. Aus dem Jahre 1521 aus der Schweiz belegt: »Unser hl. Vatter wöllte den wyn wider im fas han«.
Etwas im Fasse haben: etwas in Vorrat, in Bereitschaft haben, vom Pökelfaß hergeleitet, z.B. in Johann Fischarts ›Bienenkorb‹: »als ob die lieben heiligen nicht auch ein gut wort im fasz hetten«; vgl. französisch ›avoir quelque chose derrière les fagots‹ (wörtlich: etwas [im Keller] hinter den Holzbündeln [versteckt] liegen haben): etwas besonders Wertvolles im Vorrat haben. Davon abgeleitet: noch etwas miteinander im Fasse haben: noch miteinander abzurechnen haben; er hat noch etwas im Faß liegen: er muß noch für etwas büßen (⇨ Salz); auch mundartlich verbreitet, z.B. rheinisch ›Du hes noch wat bi mek in't Fass‹, du hast noch etwas auf dem Kerbholz. Bremisch ›He het nog veel in't Vat‹: er muß noch viel erleben, es steht ihm noch viel bevor. Mundartlich ›enem wat int vat beholden (hebben)‹ bedeutete, jemand etwas Gutes oder Böses nicht vergessen, in Erinnerung behalten.
Deutlich ist die Herkunft vom Pökelfaß bei der ostfriesischen Wendung ›Dat is noh lange nich int Fatt, war't suren soll‹, die Sache ist noch nicht spruchreif, ähnlich rheinisch, aber in bezug auf das Butterfaß, ›Et es noch nit in't Fass wor et in bottere sall‹.
In Mönchengladbach sagt man ›He hat e Wörtsche bei öm en't Faß‹: er gilt etwas bei ihm, ist angesehen. ›In sien Fatt lickt vel Höhner‹ heißt es in Schleswig- Holstein vom Kinderreichen. ›Finger ut't Fatt!‹: bleib davon; ›nie vör Vadder in't Fatt langen‹ ist eine Zurechtweisung unbescheidener und voreiliger Menschen. Einem über sein Faß kommen: sich über seinen Wein hermachen, in übertragenem Sinne auch über sein Vermögen, Gut.
Das Bierfaß ist gemeint in der von Bismarck wiederholt gebrauchten Redensart das Faß angestochen haben: einen Gegenstand zur Sprache gebracht haben. Die schleswig-holsteinische Wendung ›ein anderes Faß anstechen‹ meint: das Thema (beim Kartenspiel: die Farbe) wechseln.
›Du hast noch kein Faß Salz mit ihm gegessen‹ (schwäbisch), du kannst ihn noch nicht beurteilen (⇨ Salz).
Rheinisch ›en't Faß fallen‹: Mißgeschick haben, ›et Faß kömmt in't Rolle‹: das Mißgeschick nimmt seinen Lauf, das Unglück bricht herein.
›Mit dem Faß strafen‹ war früherer Strafvollzug: mit Anlegung eines Fasses an den Hals. »Seind sie mit der ⇨ Geigen und dem Faß abgestraft worden« (Aulendf. Arch. 1677). Schweizerisch ›d' Hand under- em Faß ha‹: gebundene Hände haben, in gezwungener, bedrängter Lage sein, auch wirtschaftlich. ›Man sollt ihn in ein genageltes Faß geben und vom Berg kageln lassen‹ sagte man in Troppau von einem mißliebigen Menschen. Die Redensart stammt von einer mittelalterlichen Hinrichtungsart her: der Verurteilte wurde in ein von innen mit Nägeln oder Messern bestücktes Faß gesteckt und von einer Anhöhe heruntergerollt. ›In ein Faß schlagen‹: der Leichnam eines Selbstmörders wurde früher in einer Tonne ins Wasser geworfen, um zu verhindern, daß er als Geist umgeht.
(Einem) das Faß räumen bedeutete zur Zeit des Minnesangs: davonziehen, flüchten, (jemandem) weichen, etwas aufgeben. So z.B. bei Hartmann von Aue:
wan swâ der haz wirt innen
ernestlîcher minnen,
da rumet der haz
vroun Minnen daz vaz
(›Iwein‹ 7035ff., Anfang des 13. Jahrhunderts) und auch im ›Lohengrin‹ (76ff., um 1280-90):
her Satanas, ob ich iu hie entwiche,
daz kan sô balde niht geschehen.
swie gern ir mich wolt krenken,
ir müezet rûmen mir daz vaz.
Faß als Gefäß im religiösen Sinne wurde in altdeutschen Predigten vom Menschen gesagt: »Paulus ist mir ein uzerwelt vas, sprach got«. Auch bei Albrecht von Halberstadt (1. Hälfte des 13. Jahrhunderts), jedoch in weltlicher Bedeutung: »sie (Progne) sprach, ›du trûwelôsez vas (...)‹«.
Rheinisch ›do möt (müßte) ech en Kopp han wie en öhmig Faß‹ ist heute Ausdruck der Überforderung, viel zu viel im Kopf behalten zu müssen. (›Ohm‹ ist ein altes Flüssigkeits-, besonders Weinmaß von etwa 150 Liter.) ›Faßkopf‹ wird verächtlich von einem Menschen mit einem dicken Kopf gesagt. ›De hät en Faßbauch‹ und erzgebirgisch ›der hat aber e Fässel‹: er hat einen dicken Bauch, ähnlich auch in Saarbrücken: ›Hat der e Fäßche vore hänge!‹. ›He hät met si Muder op em Faß geridde‹ sagt man in Düsseldorf von einem O-beinigen und in Bitburg: ›he hät sin Ben iwerm Faß gesponnt‹.
Elsässisch ›Di Ku het e meineidig Faß‹: hat ein sehr großes Euter und auch ›s Kalb het schun e nett's Fäss‹. Schwäbisch ›Die hat ei's im Faß‹ steht für schwanger. Schon in der ›Zimmerischen Chronik‹ ist ›Faß‹ Bezeichnung für den Bauch der Frau: »so war sie vom vorigen man schwanger worden und also zum doctor kommen mit einem vollen vaß« und auch Umschreibung für Entjungfern: »mit ainer besondern gratia für sie herfur und sprach offenlich zu irer widerpart: ›Ja, du waist wol, was du gesagt hast, wie du das feßlin anstachest.‹«
Die Redensart ein Faß aufmachen ist jüngeren Datums und offensichtlich eine Eindeutschung der englischen Redensart ›to make a fuss about something‹, wobei das englische Wort ›fuss‹ deutsch zum ›Faß‹ wurde. Die Redensart bedeutet sowohl viel Aufhebens um eine Sache machen als auch ausgelassen feiern, Die Sau rauslassen, ⇨ Sau.
• F.V. BASSERMANN-JORDAN: Geschichte des Weinbaus, 3 Bände (Frankfurt/M. 1923, Neudruck 1975); A. HABERLANDT: Artikel ›Faß‹, in: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens II, Spalte 1230-1232; J. HUBSCHMID: Schläuche und Fässer (= Romanica Helvetica 54) (Bern 1955); L. RÖHRICH: Märchen und Wirklichkeit (Wiesbaden 4. Auflage 1979), s. Register unter ›Nageltonne‹.}
Ein Faß ohne Boden. Gilles Corrozet: Hecaton- Graphie. C'est à dire les descriptions de cent /figures et hystoires, contenants /plusieurs appophthegmes, prouer- /bes. sentences et dictztant des /anciens, que des modernes. Le tout /reueu par son au-
theur. Paris 1543, N. vii b, aus: Henkel und Schöne, Spalte 1663.
Ein Faß ohne Boden. Karikatur von Haitzinger, aus: DER SPIEGEL, vom 30.VII.1990.