Redensarten Lexikon
Eule
Eulen nach Athen tragen: etwas Überflüssiges tun; vgl. französisch ›apporter des chouettes à Athènes‹. In der satirischen Komödie ›Ornites‹ (›Die Vögel‹) des größten klassischen Komödiendichters Aristophanes (um 445 bis 386 v. Chr.), in der er seine Heimatstadt mit all ihren Schwächen glossierte, läßt der Dichter (V. 301) eine Eule herbeifliegen, worauf gefragt wird: »Tis glayk' Athnaz' hgage« (›Wer hat die Eule nach Athen gebracht?‹ nämlich: wo schon so viele sind). Denn die Eule, und zwar eigentlich das Käuzchen, war nicht nur ein in Athen häufig vorkommender Vogel, der besonders in den klüftenreichen Abhängen der Akropolis hauste, sondern, natürlich im Zusammenhang damit, auch ein Attribut der Athene, der Schutzgöttin der Stadt, und galt als Sinnbild der Klugheit schlechthin, weil die Eule auch im Dunkeln zu sehen vermag. Außerdem prangte die Eule auf den athenischen Münzen, die (vgl. ›Die Vögel‹ V. 1106: »An Eulen wird es nie mangeln«) kurzweg ›Eulen‹ hießen. So wurde denn ›Eulen nach Athen tragen‹ ein griechisches Sprichwort ›Glayka eis Athnas‹ entsprechend lateinisch (bei Cicero z.B.): »ululas Athenas« (Büchmann).
Weitere gleichbedeutende griechische Versionen sind: ›Fische zum Hellespont bringen‹, ›Buchsbaum zum Kytoros-Berg tragen‹, ›Getreide (Krokodile) nach Ägypten bringen‹ und ›Safran nach Cilicien‹, ›einen Brunnen neben dem Fluß graben‹, ›Wasser vom Kanal zum Meer bringen‹. Im Deutschen sind in gleichem Sinne üblich: ›Wasser in den Rhein (Elbe, Donau, ins Meer, in den Brunnen) tragen‹; niederdeutsch ›Water in de See dragen‹; ›Bier nach München (Dortmund) bringen‹; gelegentlich auch ›Holz in den Busch (oder: in den Wald) tragen‹; ›Ablaß nach Rom tragen‹; ›Den Fröschen zu trinken geben‹; ›Dem Tag ein Licht anzünden‹; ›Einen Mohren weiß waschen‹; ›Gegen Windmühlen kämpfen‹; (französisch ›Se battre contre des moulins à vent‹, in Anlehnung an eine Episode aus Miguel de Cervantes ›Don Quichotte‹); ›Seine Wiese pflastern lassen‹; ›Dielen (Sparren) nach Norwegen führen‹; ›Windeier ausbrüten‹; ›Weiber hüten‹; ›Den Bäckerkindern Weizenbrot (Stuten) geben‹. Der Engländer sagt ›to carry coals to Newcastle‹, Kohlen nach Newcastle, dem Hauptstapelplatz und Ausfuhrhafen des nordenglischen Kohlengebiets, schaffen; auch ›Wasser in die Themse tragen‹; ›Frauen nach Paris mitnehmen‹. In diesem Sinne führen die Russen ›Schnee nach Lappland‹, ›tränken die Kuh mit Milch‹ und ›säuern den Essig mit Sauerampfer‹; die Franzosen ›tragen Muscheln nach Mont Saint-Michel‹ (heute unbekannt) und ›Blätter in den Wald‹; die Finnen ›tragen Staub in die Mühle‹; die Polen ›Kienäpfel in den Busch‹ und ›schmieren die Speckseiten mit Fett ein‹; die Slowenen ›tragen Wasser in die Drau‹; die Italiener ›verkaufen dem Bienenpächter Honig‹ und die Bosnier ›dem Melonengärtner Gurken‹. Weitere Varianten sind: ›Ein zweites Mal das Rad erfinden‹; ›meiner Großmutters' Bete lerne‹ (schwäbisch); ›Käse in die Schweiz rollen‹; ›dem Buddha eine Predigt halten‹ (japanisch); ›Surfbretter nach Kalifornien tragen‹; ›mit dem eigenen Samowar nach Tula fahren‹ (russisch).
Zur Eule machen: zum Gegenstand des Spottes machen; nur vereinzelt üblich. Ähnlich mundartlich z.B. obersächsisch ›zur Eule machen‹, zum besten haben; rheinisch ›enen för den Ul holde‹, zum Narren halten. Er lebt wie die Eule unter den Krähen: er wird geneckt und verfolgt, wie die Eule, wenn sie sich bei Tage sehen läßt. Wer von seiner Umgebung verspottet wird und doch seinen Wert hat, der heißt die Eule unter den Krähen. So schon um 1500 bei dem Prediger Geiler von Kaysersberg: »Er ist under inn'n nit anders wie ein kützlein oder ein ul under andern vögeln«. Dazu ein späterer Holzschnitt Dürers.
Eul' und Käuzlein zu setzen wissen: wissen, wie man eine schwierige Sache anzufangen hat, um sie erfolgreich durchzuführen. Die heute kaum mehr geläufige Redensart stammt aus der Vogelfängerei, wo man ›Lockeulen‹ an den Netzen aufstellte. Der Ausdruck ›Lockeule‹ war in der Literatur der Reformationszeit eine übliche Bezeichnung des Ablaßhändlers.
1562 schreibt der Prediger Mathesius: »Darum hat der Teufel seine Eule nach hierher setzen wollen«, d.h. auch hier Jagd machen wollen. Norddeutsch ›Da hat eine Eule gesessen‹, ›da har en Ul saten‹ stammt ebenfalls vom Vogelfang durch Eulen und bedeutet: es kommt nicht zu dem, was man erwartet oder beabsichtigt hat.
So voll wie eine Eule sein: stark berauscht sein.
Ein Gesicht machen wie eine Eule am Mittag: sehr verschlafen aussehen.
Auf der Eule blasen: traurig werden.
Aussehen wie eine Eule: verschlafen, häßlich und ungepflegt wirken, ⇨ aussehen, ⇨ Eulenspiegel, ⇨ Uhu, ⇨ Uhl.
• O. GÖDE: »Eulen nach Athen tragen«, in: Zeitschrift für den Unterricht 7(1893), S.686; O. KELLER: Die antike Tierwelt 2 (Leipzig 1913), S. 38-39; A. TAYLOR: Artikel ›Eule‹, in: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens II, Spalte 1073-1079; R. STRÖMBERG: Griechische Sprichwörter (Göteborg 1961), S. 26f.; L. RÖHRICH u. G. MEINEL: Redensarten aus dem Bereich der Jagd und der Vogelstellerei, S. 317; W. DANCKERT: Symbol, Metapher, Allegorie im Lied der Völker, IV (Bonn-Bad Godesberg 1978), S. 1389-1394; Münzen in Brauch und Aberglau-
ben (Zabern 1982), S. 235; W. MIEDER: ›Eulen nach Athen‹, ›to carry coals to Newcastle‹, in: Proverbium (N.F.) 1 (1984), S. 183-185; DERS.: Investigations of Proverbs, Proverbial Expressions, Quotations and Chlichés (Bern 1984), S. 6344; N. HENKEL: Artikel ›Eule‹, in: Enzyklopädie des Märchens IV, Spalte 531-538; V.C. HOLMGREN: Owls in Folklore and Natural History (Santa Barbara [Cal.] 1988); E. und L. GATTIKER: Die Vögel im Volksglauben (Wiesbaden 1989), S. 321-349.
Die Eule unter den Krähen. Holzschnitt von Albrecht Dürer (1471 bis 1528).
Lichtscheue Eule. Kolorierter Einblattholzschnitt mit typographischem Text, von Erhard Schön, um 1540. Aus: Flugblätter der Reformation und des Bauernkrieges. 50 Blätter aus der Sammlung des Schloßmuseums Gotha. Herausgegeben von Hermann Meuche, Katalog von Ingeburg Neumeister, Leipzig 1976, Blatt 22.
Weitere gleichbedeutende griechische Versionen sind: ›Fische zum Hellespont bringen‹, ›Buchsbaum zum Kytoros-Berg tragen‹, ›Getreide (Krokodile) nach Ägypten bringen‹ und ›Safran nach Cilicien‹, ›einen Brunnen neben dem Fluß graben‹, ›Wasser vom Kanal zum Meer bringen‹. Im Deutschen sind in gleichem Sinne üblich: ›Wasser in den Rhein (Elbe, Donau, ins Meer, in den Brunnen) tragen‹; niederdeutsch ›Water in de See dragen‹; ›Bier nach München (Dortmund) bringen‹; gelegentlich auch ›Holz in den Busch (oder: in den Wald) tragen‹; ›Ablaß nach Rom tragen‹; ›Den Fröschen zu trinken geben‹; ›Dem Tag ein Licht anzünden‹; ›Einen Mohren weiß waschen‹; ›Gegen Windmühlen kämpfen‹; (französisch ›Se battre contre des moulins à vent‹, in Anlehnung an eine Episode aus Miguel de Cervantes ›Don Quichotte‹); ›Seine Wiese pflastern lassen‹; ›Dielen (Sparren) nach Norwegen führen‹; ›Windeier ausbrüten‹; ›Weiber hüten‹; ›Den Bäckerkindern Weizenbrot (Stuten) geben‹. Der Engländer sagt ›to carry coals to Newcastle‹, Kohlen nach Newcastle, dem Hauptstapelplatz und Ausfuhrhafen des nordenglischen Kohlengebiets, schaffen; auch ›Wasser in die Themse tragen‹; ›Frauen nach Paris mitnehmen‹. In diesem Sinne führen die Russen ›Schnee nach Lappland‹, ›tränken die Kuh mit Milch‹ und ›säuern den Essig mit Sauerampfer‹; die Franzosen ›tragen Muscheln nach Mont Saint-Michel‹ (heute unbekannt) und ›Blätter in den Wald‹; die Finnen ›tragen Staub in die Mühle‹; die Polen ›Kienäpfel in den Busch‹ und ›schmieren die Speckseiten mit Fett ein‹; die Slowenen ›tragen Wasser in die Drau‹; die Italiener ›verkaufen dem Bienenpächter Honig‹ und die Bosnier ›dem Melonengärtner Gurken‹. Weitere Varianten sind: ›Ein zweites Mal das Rad erfinden‹; ›meiner Großmutters' Bete lerne‹ (schwäbisch); ›Käse in die Schweiz rollen‹; ›dem Buddha eine Predigt halten‹ (japanisch); ›Surfbretter nach Kalifornien tragen‹; ›mit dem eigenen Samowar nach Tula fahren‹ (russisch).
Zur Eule machen: zum Gegenstand des Spottes machen; nur vereinzelt üblich. Ähnlich mundartlich z.B. obersächsisch ›zur Eule machen‹, zum besten haben; rheinisch ›enen för den Ul holde‹, zum Narren halten. Er lebt wie die Eule unter den Krähen: er wird geneckt und verfolgt, wie die Eule, wenn sie sich bei Tage sehen läßt. Wer von seiner Umgebung verspottet wird und doch seinen Wert hat, der heißt die Eule unter den Krähen. So schon um 1500 bei dem Prediger Geiler von Kaysersberg: »Er ist under inn'n nit anders wie ein kützlein oder ein ul under andern vögeln«. Dazu ein späterer Holzschnitt Dürers.
Eul' und Käuzlein zu setzen wissen: wissen, wie man eine schwierige Sache anzufangen hat, um sie erfolgreich durchzuführen. Die heute kaum mehr geläufige Redensart stammt aus der Vogelfängerei, wo man ›Lockeulen‹ an den Netzen aufstellte. Der Ausdruck ›Lockeule‹ war in der Literatur der Reformationszeit eine übliche Bezeichnung des Ablaßhändlers.
1562 schreibt der Prediger Mathesius: »Darum hat der Teufel seine Eule nach hierher setzen wollen«, d.h. auch hier Jagd machen wollen. Norddeutsch ›Da hat eine Eule gesessen‹, ›da har en Ul saten‹ stammt ebenfalls vom Vogelfang durch Eulen und bedeutet: es kommt nicht zu dem, was man erwartet oder beabsichtigt hat.
So voll wie eine Eule sein: stark berauscht sein.
Ein Gesicht machen wie eine Eule am Mittag: sehr verschlafen aussehen.
Auf der Eule blasen: traurig werden.
Aussehen wie eine Eule: verschlafen, häßlich und ungepflegt wirken, ⇨ aussehen, ⇨ Eulenspiegel, ⇨ Uhu, ⇨ Uhl.
• O. GÖDE: »Eulen nach Athen tragen«, in: Zeitschrift für den Unterricht 7(1893), S.686; O. KELLER: Die antike Tierwelt 2 (Leipzig 1913), S. 38-39; A. TAYLOR: Artikel ›Eule‹, in: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens II, Spalte 1073-1079; R. STRÖMBERG: Griechische Sprichwörter (Göteborg 1961), S. 26f.; L. RÖHRICH u. G. MEINEL: Redensarten aus dem Bereich der Jagd und der Vogelstellerei, S. 317; W. DANCKERT: Symbol, Metapher, Allegorie im Lied der Völker, IV (Bonn-Bad Godesberg 1978), S. 1389-1394; Münzen in Brauch und Aberglau-
ben (Zabern 1982), S. 235; W. MIEDER: ›Eulen nach Athen‹, ›to carry coals to Newcastle‹, in: Proverbium (N.F.) 1 (1984), S. 183-185; DERS.: Investigations of Proverbs, Proverbial Expressions, Quotations and Chlichés (Bern 1984), S. 6344; N. HENKEL: Artikel ›Eule‹, in: Enzyklopädie des Märchens IV, Spalte 531-538; V.C. HOLMGREN: Owls in Folklore and Natural History (Santa Barbara [Cal.] 1988); E. und L. GATTIKER: Die Vögel im Volksglauben (Wiesbaden 1989), S. 321-349.
Die Eule unter den Krähen. Holzschnitt von Albrecht Dürer (1471 bis 1528).
Lichtscheue Eule. Kolorierter Einblattholzschnitt mit typographischem Text, von Erhard Schön, um 1540. Aus: Flugblätter der Reformation und des Bauernkrieges. 50 Blätter aus der Sammlung des Schloßmuseums Gotha. Herausgegeben von Hermann Meuche, Katalog von Ingeburg Neumeister, Leipzig 1976, Blatt 22.