Redensarten Lexikon
Esel
›Der Esel nennt sich immer zuerst‹, auch: ›Der Esel geht voran‹: Spott über einen unhöflichen Menschen, der sich unbescheiden an erster Stelle nennt, beansprucht, was ihm nicht zukommt. Auf das Tier selbst angewendet, umschreiben die Sprichwörter nur höchst unvollkommen, was dieser geduldige Lastträger im Laufe der Jahrhunderte geleistet hat.    Den in Ägypten um 4000 v. Chr. domestizierten Esel betrachtete das frühe Griechenland als das erkorene Reittier des Dionysos und seiner Begleiter. Eine kleinasiatische Dynastie hielt es zu ihrer Zeit für hohen Ruhm, von einem Esel abzustammen: Midas I., König von Phrygien, wurde ursprünglich als Gott in Tiergestalt angebetet. Im A.T. erscheint die leidende Kreatur mindestens einmal über menschliche Weisheit erhaben: Bileams Eselin, scharfsichtiger als ihr kluger Herr und Meister, rettet ihm das Leben (Num 22, 21ff.).
   Das Leben in fremden Klimazonen und brutale Behandlung machten allmählich aus dem temperamentvollen, selbstbewußten, schnellen Wüsten- und Steppentier einen degenerierten genügsam-geduldigen Esel Langohr. Im alten Rom zunächst wie eine kostbare Ware geschätzt, sank er schließlich zum geschundenen Transportmittel herab. Bei angemessener Behandlung beweist er jedoch die ihm eigene Klugheit. Wie denn auch Wildesel in ihrer angestammten Heimat – etwa Kleinasien, Nord- und Ostafrika – bis auf den heutigen Tag List, Mut, Besonnenheit und überhaupt mehr Intelligenz entwickeln als die bei weitem für verstandesbegabter gehaltenen Pferde.
   Der Esel, als vermeintlich träges und ungeschicktes Tier mit einer unschönen Stimme, forderte geradezu dazu heraus, seinen Namen in negativer Bedeutung auf den Menschen zu übertragen und ihn als Neck- und Spottwort und in Redensarten vorwiegend zum Ausdruck minderwertiger Eigenschaften und schlechter Gewohnheiten zu gebrauchen (Tiernamen werden überhaupt fast nur als Schimpfnamen angewandt: vgl. Ochse, Rindvieh, Kamel, Elefant, Schlange u.a.). Esel als Schimpfwort und zur Bezeichnung eines dummen Menschen war schon bei den Römern sprichwörtlich (z.B. bei Plautus und Terenz im römischen Lustspiel); im Deutschen bereits bei Notker (um das Jahr 1000): »er lebet in esiles wise«. Hugo von Trimberg stellt um 1300 in dem Lehrgedicht ›Renner‹ (V. 1457) »edelinge und eselinge« einander gegenüber. Bei Ulrich Boner heißt es um 1350 im ›Edelstein‹ (67,61):

   Der mag zeim esel werden wol,
   bî den ôren man in erkennen sol.

Der Humanist Heinrich Bebel verzeichnet 1508 in seiner ›Sprichwörtersammlung‹ (Nr. 513) lateinisch: »Multi sunt asini bipedes«; dasselbe kehrt auf deutsch 1541 in Sebastian Francks ›Sprichwörtersammlung‹ wieder (I, S. 88): »Es sind vil Esel auff zweyen füßen«. Vgl. auch französisch ›Il y a bien des ânes qui n'ont que deux pieds‹ (Jetzt nicht mehr gebraucht). Noch heute dient der häufigste Gebrauch des Wortes Esel zur Bezeichnung der Dummheit und Torheit eines Menschen. ›Jemand ist ein Esel‹; vgl. französisch ›Tu es un âne‹: Du bist ein Esel, oder ›crier comme un âne‹: wie ein Esel schreien; ein ›Dummer, alter, störrischer Esel‹; ›das würde ein Esel begreifen‹ (vgl. französisch ›un âne y mordrait‹); ›Er ist bei den Eseln in die Schule gegangen‹; ›Er kann einen Esel nicht von einem Ochsen unterscheiden‹; ›Er ist ein gesattelter Esel‹, erzdumm. »Der Esel ist ein dummes Tier, was kann der Elefant dafür«? lautet ein bekannter Vers der ›Münchner Bilderbogen‹. Ausführlicher und umständlicher zum Teil in den Mundarten; z.B. in Köln: ›Dä es noch ze domm, för men Esel ze danze, un wammer im de Stätz en de Häng jitt‹; schleswig-holsteinisch ›Den hat der Esel im Trapp, im Galopp verloren‹; schwäbisch ›Der guckt so dumm drein wie der Esel in eine Apotheke‹.
   Er führt einen Esel im Wappen. Das Wappentier soll einen hervorragenden Charakterzug einer Familie symbolisch ausdrücken, also in diesem Falle die Dummheit eines Menschen. Jedoch das Wappen der französischen Stadt Bourges stellt einen im Fürstenstuhl sitzenden Esel dar, der der Überlieferung nach sehr klug gewesen sein soll (französisch ›Les armes de Bourges, un âne au fauteuil‹). Eine räumlich auf Nordamerika begrenzte Redensart, die ›Esel von Chatanooga‹ (Wander I, Spalte 876) bezieht sich auf eine ähnliche Begebenheit, als die Esel von Chatanooga den Einwohnern zu Rettern in letzter Minute wurden, ähnlich den berühmten Gänsen des Capitols. – Eine türkische Redensart für Dummheit ist folgende: ›Der kann nicht einmal an zwei Esel gleiches Maß von Stroh verteilen‹.
   Was kann aber der Esel dafür? Das Nordostdeutsche besitzt so etwas wie eine mundartliche Variante zu der Geschichte von Buridans Esel. ›De Esel twösche twee Bung Hög wöt nich, af a linksch oawa rechtsch tobiete sull‹, d.h. sich zwischen zwei gleichwertigen Möglichkeiten nicht entscheiden können. Die Gegner des französischen Philosophen Johann Buridan (ca. 1300-58) suchten mit dem oben genannten Gleichnis seine Lehre vom unfreien Willen ad absurdum zu führen: ein Esel zwischen zwei gleichweit entfernten, gleichbeschaffenen Heubündeln müsse notwendigerweise verhungern; Buridan.
   Das Auffallendste an einem Esel sind seine langen Ohren. Der Esel bewegt seine Ohren! sagt man von einem, der verständnisvoll tut, aber nichts verstanden hat. Er kann seinem Esel wohl den Schwanz verbergen, aber die Ohren läßt er gucken. Zum Esel fehlen ihm nur die Ohren, den Kopf hat er (vgl. niederländisch ›Om een volmaakte ezel te zijn' heeft hij naar een' staart noodig‹). Dazu das Spottwort: ›Esel Langohr‹ und ›Eselsohren davontragen‹: betrogen oder lächerlich gemacht werden.
   Er paßt dazu wie der Esel zum Lautenschlagen: er paßt nicht im geringsten dazu; er ist ein roher, ungeschickter Mensch, der für alles, was Künste und Wissenschaft betrifft, kein Verständnis hat. Schon dem Altertum war diese Redensart (zugleich auch als Fabel: Motiv I. 2, 413, 1) geläufig: griechisch ›onos pros lyran‹, lateinisch ›asinus ad lyram‹. Die Wendung wurde schon früh ins Deutsche übernommen; in der spätmittelalterlichen deutschen Didaktik wird sie oft gebraucht, z.B. im ›Renner‹ Hugos von Trimberg (V. 2, 3548):

   Ein man mac sich wol selben touben,
   der ein esel wil herpfen leren
   und so getane liute bekeren.

In dem Streitgespräch ›Der Ackermann und der Tod‹ des Johannes von Saaz (um 1400) heißt es im 30. Kapitel: »Aber als vil als ein esel leiren (die Leier spielen) kan, als vil kanstu die warheit vernemen«. In Sebastian Brants ›Narrenschiff‹ (1494) wird von jungen Geistlichen gesagt, daß sie soviel wissen »von kyrchregyren, als Müllers Esel kan qwintieren« (d.h. auf der Quinterne, einem Saiteninstrument, spielen): vgl. auch Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm 144 ›Das Eselein‹, wo das Eselein die Laute schlagen muß und es zum Erstaunen seines Lehrmeisters auch so vorzüglich lernt, daß es damit Herz und Hand einer Königstochter erspielt. Für die Redensart vom Musizieren des Esels gibt es die verschiedensten Varianten: ›Dem Esel ein Harpff', ein pfeiffen geben‹ (Franck, Sprichwörter I, S. 18b); niederländisch ›Men geft den ezel de harp‹. ›Der Esel beim Dudelsack‹.
   Als Zeichen der gestörten Weltordnung stand im Hamburger Dom ein in Stein gehauener, Dudelsack blasender Esel mit der Umschrift: »De Welt hatt sick umgekehrt, drumm heff ick arm Esel dat Pypen geleert«. ›Ein Esel bei der Sackpfeife, mit der Lauten‹; ›der Esel spilt auf der leiren‹ (Franck, Sprichwörter II, S. 47a); ›Der Esel will die Laute spielen‹; ›Einen Esel singen lehren‹; ›Es ist, als ob der Esel eine Sackpfeife hört‹; ›Einen Esel zum Lautenschläger machen‹; ›dat steit em an, as dem Esel dat Orgelspelen‹. Dem Esel so etwas beizubringen ist sinnlos, ebenso ›Einen Esel das Lesen lehren‹ (literarisch bereits beim Stricker in seiner Schwanksammlung ›Pfaffe Amîs‹ und im Eulenspiegel-Volksbuch, in der 29. Historie) oder ›Den Esel griechisch bzw. lateinisch lehren‹. Das letzte kann auch in der Bedeutung von ›niemals‹ gebraucht werden: ›Wenn die Esel werden lateinisch reden‹.
   Ein Esel in der Löwenhaut: ein Dummkopf, der sich ein wichtiges Ansehen zu geben versucht, wie der Esel in der äsopischen Fabel, der im Wald eine Löwenhaut fand, sich darin als Löwe verkleidete und Menschen und Vieh durch diese Täuschung erschreckte, jedoch nur kurze Zeit, weil man bald seine wahre Natur erkannte (Motiv-Index von Stith Thompson J. 951, 1ff., Aarne-Thompson 214B, Wander I, Spalte 877).
   Die sinnverwandte Redensart Er ist wie der hoffärtige Esel kann sich aber auch auf die Fabel von dem Esel beziehen, der Reliquien tragen mußte, vor denen die Bauern die Mützen abnahmen, was der Esel aber auf sich bezog und sich so übermütig gebärdete, daß er keine Last mehr tragen wollte.
   Aus der Fabel des Phädrus vom sterbenden Löwen, von dem die Tiere Abschied nahmen, wobei der Esel dem Wehrlosen einen Tritt versetzte, ist der ›Eselstritt‹ sprichwörtlich geworden, d.h. das verächtliche Benehmen gegenüber einem Höheren, der aber wehrlos oder gefallen ist; vgl. sächsisch Man muß tun, ›als wenn en e Esel getraten hett‹, auf die Beleidigungen eines Toren soll man nicht achten.
   Den Sack schlägt man, den Esel meint man. Die Redensart findet sich zum ersten Mal in verwandter Form bei dem römischen Satiriker Petronius (gestorben 66 n. Chr.): »Qui asinum non potest, stratum caedit« (wer den Esel nicht schlagen kann, schlägt den Packsattel); vgl. ›Den Hund vor dem Löwen schlagen‹ Hund.
   Um des Esels Schatten zanken: sich um Nichtigkeiten streiten; aber auch: pedantisch, griffelspitzerisch und rechthaberisch streiten. Vgl. lateinisch ›De asini umbra‹, Schatten. Demosthenes erzählte einst den Athenern folgende Geschichte: Ein Athener habe einen Esel für eine Reise gemietet. Es wurde den Tag über so heiß, daß sich der junge Mann in den Schatten des Esels setzte. Darauf erhob sich zwischen ihm und dem Eseltreiber ein Streit, da der Treiber behauptete, er habe zwar den Esel, nicht aber den schatten des Esels vermietet.
   Was von mir ein Esel spricht... als geringschätzig wegwerfende Redensart und Erwiderung auf eine Beleidigung, ist ein Zitat aus der Fabel ›Der Löwe. Der Fuchs‹ von Johannes Ludwig Gleim (1719-1803), wo es am Schluß heißt:

   Denn was von mir ein Esel spricht,
   das acht' ich nicht.

Auf den Esel setzen (oder bringen): ärgern, erzürnen. So z.B. in Luthers ›Tischreden‹: »mit guten Worten fein betrogen und recht auf den Esel gesetzt«. Ebenso auch in Grimmelshausens ›Simplicissimus‹ (I, S. 145): »Den dollen Fähnrich zoge ich gleich herüber und setzte ihn auf den Esel«; schweizerisch: ›Einen uf en Esel setze‹: ihn als dumm behandeln, von obenherab abfertigen.
   Die Redensart geht auf einen grotesken Rechtsbrauch des Mittelalters, auf den ›Eselsritt‹, zurück. Er scheint weit verbreitet gewesen zu sein; Jacob Grimm hat über ihn Belege aus mehreren Ländern gesammelt, aus Frankreich, Italien, Deutschland und selbst aus dem Orient. Auf Eselsritt wurde in den verschiedensten Fällen erkannt. Gefangene wurden ›zum Schimpf auf dem Esel geführt‹: Das Chorgestühl von Bristol (England) zeigt auf einer Miserikordie den Abt von Canterbury, der verkehrt auf einem Esel reitet, dessen Schwanz er in der Hand hält. In Frankreich wurden Männer, die sich von ihren Frauen hatten schlagen lassen, dazu verurteilt, ›a chevauchier un asne, le visage par devers la queue dudit asne‹; »verkehrt, statt des Zaumes den Schwanz in der Hand«, wie es in G.A. Bürgers berühmter Ballade ›Kaiser und Abt‹ heißt. Im ›Lichtenstein‹ läßt Wilhelm Hauff den Doktor Calmus auf dem Esel durch Stuttgart reiten, Pferd.
   Auch in Deutschland war der Eselritt als Rechtsbrauch bekannt, so z.B. in Hessen. H.B. Wenck (Hessische Landesgeschichte [Darmstadt – Gießen 1783], I, S. 521) läßt sich eingehend über diesen Rechtsbrauch aus. – Eines der letzten öffentlichen Eselreiten als Delinquentenschande und -spott fand Ostern 1814 in Leipzig statt, wo der Stadtkommandant Meßdiebe so durch die Straßen führen ließ. Spätere Belege finden sich nur noch bei Fastnachtsbräuchen. Aber in einem seltsamen Kontrast zu dem Fastnachtstreiben steht die Härte der Strafe, die den davon Betroffenen einen Makel fürs ganze Leben angehängt haben muß. Gerade die Schwere der Strafe spricht dafür, daß wir es hier, ebensowenig wie bei dem Dachabdecken, mit einer zufälligen Erfindung fröhlicher Fastnachtsnarren zu tun haben. Die Angelegenheit des Eselsrittes hat deshalb ohne Zweifel einen ernsten Hintergrund gehabt. Entsprechend den Esel beim Schwanz aufzäumen: etwas verkehrt anfangen, Pferd. Aber auch in der älteren Pädagogik scheint man sich dieser Praktik bedient zu haben. In den mittelalterlichen Klosterschulen befand sich ein hölzerner Esel, auf den sich Schüler zur Strafe setzen mußten. Dementsprechend heißt es 1652 in Wenzel Scherffers Gedichten (S. 429):

   Wer mit Wirten sich gebießen,
   mit andern sich geschmießen,
   der sol zu Troste wiessen,
   daß Er um keines büssen
   werd' auf den Esel müssen.

Immerhin wurde noch im Schulunterricht in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts dem faulen Schüler zur Strafe ein Bild mit einem Esel umgehängt, anhängen.
   Einem einen Esel bohren (oder stechen): ihm andeuten, daß man ihn für einen Esel hält, indem man ihm den Zeige- und den kleinen Finger entgegenstreckt, während die übrigen drei eingebogen werden (vgl. die gehörnte Hand, Horn); dann auch ohne die Handgebärde: ihn veralbern, einen verhöhnen, äffen. Ein Vokabular von 1735 erklärt die Gebärde in lateinischer Form: »asini auribus manu effectis illudere« (durch Darstellung von Eselsohren mit der Hand verspotten).
   Die Redensart findet sich in Goethes ›Urfaust‹, worin Mephistopheles spottet: »Encheiresin naturae nennt's die Chimie! Bohrt sich selbst einen Esel und weis nicht wie«. Die spätere Fassung lautet: »spottet ihrer selbst«; doch ist die heute kaum noch geläufige Redensart bis zu den Romantikern häufig bezeugt. 1541 in Sebastian Francks ›Sprichwörtersammlung‹ (I, Fol. II b) steht aber bereits: »Den Narren boren / Den spigel (›Hintern‹) zeygen, heyst eim das wappen visieren / Und in summa eim den text lesen, sein kolben zeygen, und sagen wer er ist«.
   In Schillers ›Räubern‹ (I, 3) heißt es: »Und unterdessen, daß Spiegelberg hangt, schleicht sich Spiegelberg ganz sachte aus den Schlingen und deutet der superklugen Gerechtigkeit hinterrucks Eselsohren, daß's zum Erbarmen ist«.
   Die Bezeichnung ›Eselsohr‹ meint eine umgeknickte Blattecke in einem Buch und ist seit 1637 bezeugt.
   Einen Esel zu Grabe läuten nennt man es, wenn sitzende Kinder mit den Beinen baumeln, also gewissermaßen ein stummes Geläute machen. Die kindliche Unart wird durch die Erinnerung an einen Tabubereich getadelt (literarisch z.B. in Ruth Schaumanns Roman ›Amai‹, S. 24). Die Wendung ist in Niederdeutschland besonders gebräuchlich. Vgl. die gleichbedeutenden Redensarten ›Hunde aus- oder einläuten‹ ( Hund), ›Teufel ausläuten‹ ( Teufel). Daneben die ältere, derbere Redensart ›Mit Eselsglocken zu Grabe läuten‹. Ihren Ursprung hat die Redensart in den ›Eselsbegräbnissen‹, worunter man die Begräbnisse solcher verstand, die weder an geweihtem Ort noch mit kirchlicher Feierlichkeit bestattet wurden, die also verscharrt wurden wie ein verendetes Tier. Keine Glocke wurde bei einem solchen Begräbnis in Bewegung gesetzt; nur der Volkswitz bezeichnete die baumelnden Beine der Kinder als die beim Eselsbegräbnis geläuteten Glocken. Es wurde namentlich bei Exkommunizierten und Ketzern, bei Selbstmördern und bei Verbrechern angewendet, die bei der Ausübung ihrer Missetat erschlagen worden waren. Der Name ist zurückzuführen auf den Spruch Jer 22,18 und 19, wo der Prophet von dem König Jojakim spricht: »Man wird ihn nicht beklagen:... ›Ach Herr! ach Edler!‹ Er soll wie ein Esel begraben werden, zerschleift und hinausgeworfen vor die Tore Jerusalems«. Im Jahre 900 diente dieser Spruch einem Konzil zu Reims zur Grundlage eines Beschlusses, nach welchem allen Ketzern und Exkommunizierten nur das Eselsbegräbnis (›Sepultura asinina‹) zuteil werden sollte (Richter-Weise, Nr. 44, S. 48f.).
   In vielen sprichwörtlichen Redensarten wird der Esel mit dem Zornigen in metaphorischen Zusammenhang gebracht: sich auf den Esel setzen lassen: zornig werden; »laß dich nicht mit geringen Dingen, bald auf einen Esel bringen« (Ringwaldt); »er hat mich in Harnisch gejagt und ... auf den Esel gesetzt« (Hans Sachs). ›Der Zorn hat ihn überschnellt und auf den Esel gesetzt‹.
   ›Wer stets im Esel hat die Sporen, der juckt ihm dick bis auf die Ohren‹.
   ›Eselsfresser‹ ist ein Spottname für die Schlesier (vgl. Holteis Dichtung ›Eselsfresser‹). Der Spottname taucht zum ersten Mal in der Humanistenzeit bei Conrad Celtes auf (»Esores asini«). Caspar Sommer hat darüber 1677 seine Dissertation ›De onophagia silesiorum‹ geschrieben. Die Schlesier teilen den Namen mit anderen Gegenden und Ortschaften in Deutschland. Die Erklärung ist noch umstritten. Einst war Krakau die Universität. der Schlesier. Die Krakauer Gründungssage kennt einen Drachen Olophagus ›Vielfraß‹. Möglicherweise ist der in Onophagus ›Eselsfresser‹ entstellte Name nur ein Humanistenwitz, mit dem die schlesischen Studenten einst bezeichnet worden sind. Mit dem Pferdefleisch- oder Eselsfleischessen heidnischer Deutscher hat der Name nichts zu tun, ebensowenig wie mit dem ›Goldenen Esel-Stollen‹ in Reichenstein (ausführliche weitere Belege bei Wander I, Spalte 881ff.).
   Auf einer Ortsneckerei beruht auch die schwäbische Redensart Er ist ein Esel von Rottweil. Die Rottweiler sollen einst einen Kürbis gefunden, für ein Ei gehalten und es auszubrüten versucht haben. Da sich kein Erfolg zeigte, wurde das Ei bzw. der Kürbis weggeworfen. Beim Aufschlag sprang erschrocken ein Hase davon, den die Rottweiler für einen aus dem Kürbis entsprungenen jungen Esel hielten. So erhielten die Rottweiler ihren Beinamen (Wander I, Spalte 878f.; H. Moser: Schwäbischer Volkshumor [Stuttgart 2.Auflage 1981], S. 41).
   Auf dem selben Esel reiten: dieselben Ziele verfolgen; beim Esel Wolle suchen: da etwas suchen, wo es nicht zu finden ist (schon lateinisch ›ab asino lanam petere‹ bzw. ›asini lanam quaerere‹); wenn man sich wirtschaftlich oder gesellschaftlich verbessert, so kommt man vom Esel aufs Pferd, auf den Ochsen, auf die Kuh (Plautus: ›ab asinis ad boves transcendere‹). Sich auf den Esel setzen; vom Gaul auf den Esel kommen heißt dagegen: aus einer höheren Stellung in eine niedere absinken. Vgl. auch ›Vom Ochsen auf den Esel kommen‹ ( Ochse).
   Ein Bild der verkehrten Welt ist den Esel krönen. So schon in Freidanks ›Bescheidenheit‹: »Swa man den esel kroenet, da ist das lant gehoenet«, sowie dort auch: »Swa der ohse krone treit. Da hant diu kelber werdekeit« (vgl. Singer III, 102, 100), was in ganz ähnlicher Form in schweizerischer Mundart als Sprichwort überliefert wird; vgl. ›Die Sau krönen‹ ( Sau).
   Ein Esel unter Bienen sein: unter böse, ungestüme Menschen geraten sein; vgl. französisch: ›être un ane parmi les singes‹: wehrlos Zielscheibe tierischer Bosheit oder abscheulicher Scherze sein.
   Den Esel einen Esel nennen: die Sache beim rechten Namen nennen, etwas unverblümt sagen (entsprechend französisch ›appeler un chat un chat‹); den Esel für den Müllerknecht ansehen: einem groben Irrtum zum Opfer gefallen sein; rheinhessisch ›Er hat mich auf den Esel gesetzt‹, er hat mich im Stich gelassen; den Esel hüten müssen: lange auf jemanden warten müssen. In der Eifel wird die Redensart von Mädchen gebraucht, die in Tanzlokalen als Mauerblümchen nicht zum Tanz kommen.
   Den Esel mitten durch den Kot tragen (nach der Fabel von Vater, Sohn und Esel); den Esel suchen und darauf sitzen sagt man von einem Zerstreuten, der etwas sucht, was er in der Hand hält; er ist nicht einen toten Esel wert: er ist keinen Pfifferling wert.
   Der Italiener geht von einer anderen Einschätzung aus. ›Meglio un asino vivo che un dottore morte‹: lieber dumm leben als gescheit sterben.
   Der (graue) Esel fährt (guckt) heraus: es sind die ersten grauen Haare zu sehen. Da hat der Esel ein Pferd geworfen sagt man bei der unerwartet guten Leistung eines Minderbegabten. Von einem unehelichen Kind oder einem Menschen, dessen Herkunft nicht ganz klar ist, wird gesagt, westfälisch ›Den heat de Jesel ut der Wand slagen‹; berlinisch ›Den hat der Esel im Galopp verloren‹; elsässisch ›Dich hat ja en Esel an d'Wand gpfuzt, us der Wand geplotzt‹. Das wird auch zu einem gesagt, der so dumm ist, daß er nicht gleich sagen kann, woher er stammt und wo er geboren ist. Zahlreich sind die redensartlichen Vergleiche, in deren Mittelpunkt der Esel steht. ›Bepackt wie ein Esel‹: schwer beladen; französisch: ›être charge comme un âne‹: schwer belastet sein; von dem frei und ledig herumspringenden Grautier heißt es, ›c'est un vrai âne débaté‹: er ist ein Schürzenjäger, ein liederlicher Bursche.
   Unleidlich erscheint manchem die Hartnäckigkeit des Tieres: ›Stur wie ein Esel‹, sich unzugänglich, unbeugsam zeigen; französisch: ›tétu comme un âne‹: störrisch wie ein Esel.
   ›Der Esel erscheint in seidenen Strümpfen‹ heißt es, wenn ein Ungebildeter und Grobian den Gesitteten und Gelehrten zu spielen sucht.
   Unhöflich bleibt es, ›Einem den Esel (zu) strecken‹: die Zunge zu zeigen. Heißt es, auf der Hut zu sein, sollte man ›tenir son âne par la queue‹: seine Maßregeln treffen, beispielsweise ›Den Esel gürten‹: jemanden an die Kandare nehmen, ihm keine Freiheit lassen; erfolgversprechender wäre ›Den Esel einzuwiegen‹: einen Menschen einschläfern, allerdings auch betören, zu betrügen suchen.
   Aus Nordostdeutschland kommt die Redensart: ›Nun wird ein Esel geboren‹, wenn in einer lauten Gesellschaft unvermutet Stillschweigen eintritt, Engel. Die unüberlegte Handlung eines Menschen erklärt oder entschuldigt die Wendung ›Der Esel hat ihn geschlagen‹. ›Den Esel spielen der Distel wegen‹: sich aus Eigennutz dumm stellen; ganz anders dagegen, ohne Aussicht oder Wunsch nach Gegenleistung, ›Jemandem den Esel machen‹: sich von anderen ausbeuten lassen. Den Esel hält man meist für geduldig und ergeben: ›Eselsarbeit und Sperlingsfutter haben‹, d.h. für einen Hungerlohn im Frondienst stehen, eine alte Klage, oft tauben Ohren gepredigt, i.e. ›narrare asello fabulam surdo‹.
   Sehr hellhörig erscheint dagegen das Grautier im ›Goldenen Esel‹ (eigentlich ›Die Metamorphosen‹) des Lucius Apuleius (um 125-180 n. Chr.). Der Held dieses Romans, durch seine Neugierde in ein tief gebeugtes Lastvieh verwandelt, doch endlich erlöst, plaudert nicht nur seine eigenen grausig-burlesken Abenteuer aus, sondern auch das erlauschte allegorische Märchen von Amor und Psyche.

• R.P. (= ROBERT PRUTZ): Der Esel im deutschen Sprichwort, in: Deutsches Museum (Leipzig, Okt. 1864); J.R. DIETERICH: Eselritt und Dachabdecken, in: Hessische Blätter für Volkskunde I (1902), S. 87-112; O. KELLER: Die antike Tierwelt 1 (Leipzig 1909), S. 259ff.; K.F. FLÖGEL: Geschichte des Grotesk-Komischen. Ein Beitrag zur Geschichte der Menschheit, 2 Bände (München 1914), II, S. 370f.; W. GOTTSCHALK: Die sprichwörtlichen Redensarten der französischen Sprache I (Heidelberg 1930), S. 55ff.; H. BACHTOLD-STÄUBLI: Artikel ›Esel‹ in: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens II, 1003-1017; R. HAMPEL: Die Redensart ›Einen Esel zu Grabe läuten‹, in: Wiener Zeitschrift für Volkskunde, 48 (1943), S. 13f.; G. LUTZ: Sitte, Recht und Brauch. Zur Eselshochzeit von Hutten in der Eifel, in: Zeitschrift für Volkskunde 56 (1960), S. 74ff.; M. VOGEL: ONOS LYRAS. Der Esel mit der Leier (= Orpheus-Schriftenreihe, Band 13) (Düsseldorf 1973); V.B. DRÖSCHER: Mich laust der Affe (Düsseldorf 1981), S.89-92; E. FISCHER: Artikel ›Esel‹, in: Enzyklopädie des Märchens IV, Spalte 411-419; R.W. BREDNICH: Artikel ›Esel als Lautenspieler‹, in: Enzyklopädie des Märchens IV, Spalte 426-428; CH. SCHMIDT: Artikel ›Esel in der Löwenhaut‹, in: Enzyklopädie des Märchens IV, Spalte 428-435.

Ein gesattelter Esel. Der Esel als Schandbild für faule Schüler, Motiv des 16. Jahrhunderts, Detail aus einem Holzschnitt mit Typensatz eines Textes aus dem 18. Jahrhundert, aus: Brückner: Druckgraphik, Abbildung 49.

Dazu passen wie der Esel zum Lautenschlagen. Kapitell mit polychromem Relief, 12. Jahrhundert, Saint-Nectaire.

Ein Esel in der Löwenhaut. Steinhöwel: Esopus, die IIII. Fabel ›von dem esel vnd der loewen haut‹.

Einen Esel das Lesen lehren. Detail aus: ›Till Eulenspiegel‹, 2. Bogen, Münchener Bilderbogen, Nr. 576, aus: S. und K., S. 35.

Ein Esel in der Löwenhaut. Grandville: G.W., Bd. 1, S. 515.
Verkehrt auf dem Esel reiten. Bishop and ass, astride: Yale MS.,f. 104v, New Haven, Yale University Library: Lancelot del Lac, Pt. 3, Picard, late thirteenth century.

Auf den Esel müssen. Kupferstich von J. Mettenleiter (1750 bis 1825), München, Kupferstichkabinett.

Ein Esel sein. Schulunterricht im 18. Jahrhundert, Kupferstich von 1751.

Sich auf den Esel setzen lassen. Holzschnitt von Hans Weiditz.
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