Redensarten Lexikon
Erbfeind
Jemandes Erbfeind sein: von ihm seit eh und je von Grund auf gehaßt werden – z.B. vom Familien-, Glaubens- oder Landesfeind, bis Mitte des 20. Jahrhunderts auch als Bezeichnung für die Franzosen bekannt.    Ursprünglich war der Begriff wohl auf den Teufel gemünzt, auf den schlimmsten Feind Gottes oder des Christentums. Aber auch als Benennung für einen irdischen Glaubensfeind ist er schon früh belegt, insbesondere für den Türken, d.h. für den türkischen Sultan, der als Antichrist stellvertretend für die Gesamtheit der Türken stand. Bereits zur Zeit Kaiser Maximilians muß der Türke ›als ein Veindt des namens Jesu Christ‹ (1493) (Frankfurter Reichskorrespondenz, hrsg. von Janssen [1872], Band II, S. 570) schon als Erbfeind gegolten haben. Im 16. und 17. Jahrhundert gibt es dann eine Überfülle von Beispielen zum ›Erbfeind‹, sowohl in der hohen Literatur als auch im volkstümlichen Schrifttum. So heißt es z.B. 1675 bei Fronsperger in seinem ›Kriegsbuch‹ S. 366: »unseres heiligen Christlichen glaubens und namens Erbfeind, dem Türken ...« und bei J. Chr. Wagner (1685): »Interiora orientes detecta ... Beschreibung, was seit dem Augusto des verwichenen 1685 Jahrs gegen den Erbfeind Denkwürdiges verrichtet wurde«.
   Die Tatsache, daß das Wort von jeher nur in der Einzahl verwendet wurde, läßt darauf schließen, daß die Deutung als ursprüngliche Bezeichnung für den Teufel und später für den Türken als ›Feind Gottes‹ ein hohes Maß an Wahrscheinlichkeit besitzt. Auch in der Fülle von historischen Volksliedern und geistlichen Liedern findet sich ›der Türke‹ als Erbfeind.
   Mit der schwindenden Türkengefahr Ende des 17. Jahrhunderts verliert sich in der Literatur das Wort des Hasses, scheint sich im Volksmund jedoch weiter zu halten, wie aus einer Flugschrift, einer ›Mahnenden Stimme des Deutsches Vaterlandes an seine Bewohner‹ (Augsburg 2. Auflage 1831) hervorgeht, in der noch vom Türken als dem ›Erbfeind der Christenheit‹ die Rede ist.
   Kaiser Maximilian scheint auch der Erste gewesen zu sein, der den Franzosen diesen Beinamen gab mit den Worten: ›... von dem Erbfeind, der gegen den Rhein stehe‹. Doch blieb dies die Ausnahme bis zur Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert, als die Bezeichnung für Napoleon gebraucht wurde und im Laufe der Zeit auf das gesamte französische Volk, auf Frankreich, auf ›die Franzosen‹ übertragen wurde. In den allgemeinen Sprach- und Schriftgebrauch kam das Wort durch den ›Turnvater Jahn‹ und die Veteranen der Freiheitskriege, die Jahr für Jahr die Erinnerung an die Völkerschlacht bei Leipzig feierten und dadurch den Haß gegen Frankreich auf ihre Kinder vererbten.

• F. BEHREND: Im Kampf mit dem Erbfeind. In: Zeitschrift des Vereins für Volkskunde in Berlin 25 (1915), S. 6-17; S. ÖZYURT: Die Türkenlieder und das Türkenbild in der deutschen Überlieferung vom 16. bis zum 20. Jahrhundert (Motive. Freiburger Folkloristische Forschungen 4) (München 1972).
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