Redensarten Lexikon
Ei
Etwas beim Ei anfangen: von vorne anfangen, von Grund auf lernen; geht schon auf lateinische Wendungen zurück: ›ab ovo incipere‹; ›Omne vivum ex ovo‹. In Martin Wielands ›Oberon‹ heißt es (5,14): »Die gute Mutter fängt beim Ey die Sache an / Und läßt es nicht am kleinsten Umstand fehlen«.    Sich gleichen wie ein Ei dem andern: sich völlig ähnlich sein, bereits 1513 in der Sprichwörtersammlung des Tunnicius (als Nr. 474) angeführt: »Eier sint eieren ›gelyk‹«; auch diese Redensart läßt sich bis in die römische Antike zurückverfolgen (Cicero, ›Quaestiones academicae‹ 4,18: »Non tam ovo ovum simile«). Abraham a Sancta Clara hat die Wendung in ›Gehab dich wohl‹ benutzt: »Entschuldigungen, welche denen Lugen so gleich sehen, wie ein Ey dem andern«. Vgl. französisch ›Se ressembler comme deux gouttes d'eau‹ (wörtlich: sich gleichen wie ein Wassertropfen dem anderen). Die gleiche Bedeutung hat auch wie aus demselben Ei gebrütet (gekrochen).
   Sich um ungelegte Eier kümmern: sich um Dinge sorgen, die noch nicht spruchreif sind oder einen nichts angehen; diese Redensart ist in Luthers ›Sprichwörtersammlung‹ belegt: »Sorgest für ungelegte eyer«, dann 1583 in Sibers ›Gemma gemmarum‹ als Übersetzung von lateinisch curiosus: »der sich umb ungelegte Eier bekümmert«. Bei Lehmann ist 1639 S. 834 (›Ungewiß‹ 1) bezeugt: »Vngelegte Eier sind ungewisse Hüner. Die Eyer sind nicht gelegt, darauß die Hüner gebrüt werden sollen«.
   Die Eier zählen, ehe sie die Henne legt: auf ungewisse zukünftige Ereignisse bauen. Schwäbisch ›Der sieht 's Ei alleweil vor der Henn‹ bezeichnet einen Vorwitzigen, norddeutsch ›Du itts de Eier, ehr de Hahn se leggt hett‹ den Voreiligen. Von ungelegten Eiern reden, ungelegte Eier ausbrüten wollen, sagt man von Phantasten. Siebenbürgisch-sächsisch ›Tu hos vun âgeloichten Uare gedrîmt‹ warnt einen vor Hirngespinsten: darauf darfst du nicht hoffen. Ähnlich ist die Redensart Das sind ungelegte Eier für mich: das sind im Werden begriffene Dinge, um die ich mich nicht kümmere.
   ›He glöft, dat de Voß Eier leggt‹ heißt es in Schleswig-Holstein von einem allzu leichtgläubigen Menschen und abwehrend in Schwaben ›ich glaub schwerlich, daß d Gäul Eier leget‹: ich bin nicht so naiv. ›Dem legt der Gockeler no Eier‹ und norddeutsch ›sien Höhner leggt ümmer Eier mit doppelte Dottern‹ bezeichnet den Glückspilz. Das Ei im Huhn befühlen: bei den Freilandhühnern pflegt man auf dem Lande vor dem Schlachten durch Abtasten zu prüfen, ob das Huhn noch ein Ei legen würde. Daraus: etwas mit besonderer Umsicht prüfen. In Schleswig-Holstein auch als Abweisung: ›Geh' hen un föhl de Höhner, wat se'n Ei hebbt un dans mit'n Hahn‹.
   Er kackt (scheißt) Eier ohne Schalen: der Narr produziert immer Unvollkommenes.
   Dagegen ein Ei legen: euphemistisch für seine Notdurft verrichten. Makabre Bedeutung hatte es soldatensprachlich: Eier legen stand verharmlosend für Bomben werfen.
   Als Abweisung mundartlich weit verbreitet wie in Schwaben: ›'s g'hört alles dei, was d Henne leget, bloß d Eier net‹ – du bekommst gar nichts. Schweizerisch ›er gaxet viel, aber leit keini Eier‹ meint einen Menschen, der große Worte macht, aber nichts zustandebringt. Literarisch schon im 16. Jahrhundert belegt: »weil du weder gacksen noch Eier legen kannst und also nichts kannst« (Jandreae) und »ist doch ein armer ungelernter mensch seyn leben lang blieben, der widder zu glucken noch zu eyer legen getucht hatt« (Luther). Schwäbisch ›Gags do, wenn d e oa im Fidle häsd!‹: nun laß mal hören, was du zu erzählen hast!
   Sein Ei dazwischen (dazu) legen: seine Meinung zu etwas äußern. Die Eier in fremde Nester legen: in Anlehnung an den Kuckuck, der sein Ei anderen Vögeln unterschiebt, was meist zur Vernichtung ihrer eigenen Brut führt, steht die Redensart für: anderen Unangenehmes bereiten. Er legt gerne Eier in andere Nester bezeichnet jemanden, der es darauf anlegt, anderen unangenehme Überraschungen zu bereiten. Eier legen und sie andere ausbrüten lassen: etwas einleiten und die Arbeit (Sorge) dann den anderen aufbürden. Jemanden auf seinen Eiern sitzen lassen: ihn mit seinen Sorgen allein lassen, ihn seinem Schicksal überlassen, gleichsam seine Eier nicht kaufen.
   Etwas geht wie Eier aus dem Korbe: es geht schnell, mühelos, auch: es läßt sich gut verkaufen. Langer Besuch ›sitt as wenn he Eier utsitten schall‹: er will nicht gehen; wird auch vom langen Stillsitzen gesagt. Schleswig-holsteinisch ›se sitt Eier ut‹ sagt man von einem Mädchen, das nicht zum Tanz aufgefordert wird. Preußisch ›heiraten wie e Huhn aufs Ei‹; ohne wirtschaftliche Grundlagen, arm heiraten. ›He weet nich, wo er sien Ei legge sull‹: ein Mensch, der nicht lange auf einer Stelle sitzen kann; aufgeregt, nervös, daß man Eier in seinem Arsche braten (sieden) könnte.
   Es ist bekannt, daß die Hühner ihre Eier oft in das Scheunenstroh legen; daher Auch ein gescheites Huhn legt die Eier neben das Nest: auch ein Erfahrener macht Fehler.
   Das Ei neben das Nest legen: etwas verkehrt anfangen. Mecklenburgisch heißt ›ein Ei vorbeilegen‹, flüchtige Beziehungen unterhalten. Die Eier in die Nesseln legen: er ist hereingefallen, hat Mißerfolg gehabt.
   Oberdeutsch Dem hat der Teufel ein Ei ins Haus gelegt: dem wird ein uneheliches Kind geboren; diese Wendung hat Schiller in ›Kabale und Liebe‹ (II, 4) benutzt und so abgewandelt: »Wem der Teufel ein Ey in die Wirtschaft gelegt hat, dem wird eine hübsche Tochter geboren«, Kuckuck.
   ›Da hätt mi de Diewel e Ei gelegt‹ sagt man in Norddeutschland als Entschuldigung, wenn etwas mißglückte. ›Eh die Katz en Ei lejt, bin ich fertig‹ steht scherzhaft für schnell, sogleich, aber auch für niemals und lange Zeit: badisch ›Bis du kommst, hat die Katze ein Ei gelegt‹.
   Die Eier waren weg, als sie mit dem Salz kamen: meint unpünktliche, langsame Menschen.
   Badisch ›Du Ei!‹ ist ein Scheltwort gegen einen dummen, tappigen Menschen; du kluges Ei! wird ironisch verwendet. Du dickes Ei! ist Ausruf der Überraschung und Verärgerung. Da hast du das Ei! sagt man bei etwas Unangenehmem und: Das hat seine Eier: die Sache hat ihre Schwierigkeiten.
   Rheinisch ›dat es ein dickes Ei‹ bezeichnet eine große Freundschaft, aber ›allze dicke Eier baschten‹, zu enge Freundschaft bricht leicht und ›nu is dat Ei twei‹ (Schleswig-holsteinisch): die Freundschaft ist aus. Elsässisch ›si sin Eier un Schmalz‹, niederdeutsch ›Se sünt een Ei un een Dopp‹, sie sind ein Herz und eine Seele.
   Etwas ist ein faules Ei mahnt zur Vorsicht: mit der Sache stimmt etwas nicht. Stinken wie faule Eier ist ein redensartlicher Vergleich für besonders unangenehme Gerüche; norddeutsch ›hier riecht's no faule Eega‹: die Sache ist brenzlig, etwas stimmt daran nicht.
   Jemanden mit faulen Eiern bewerfen: früher war es üblich, daß das Publikum seinem Ärger über einen schlechten Schauspieler oder Politiker dadurch Ausdruck gab, daß es ihn auspfiff und mit faulen Eiern und Tomaten bewarf. Dem so Beschämten hing der üble Geruch dann auch in übertragenem Sinne oft noch lange nach; vgl. französisch ›lancer des œufs pourris à quelqu'un‹. Daraus: Jemand, der gerne mit faulen Eiern um sich wirft: einer, der über andere Übles verbreitet. ›Fule Eier un stinkende Botter‹ steht in Schleswig-Holstein für schlechte Gesellschaft. Das kommt von keinen guten Eiern: eine heimtückische, unangenehme Sache. Es ist ein bös Ei eines bösen Raben sagt man von einem bösen Kind, jemand ist aus keinem guten Ei: nicht von guten Eltern, früher für die Bezeichnung niedriger sozialer Herkunft, dann allmählich mehr für den schlechten Charakter eines Menschen. Niederdeutsch ›dat sünd ole Eier (de stinkt all)‹: das sind allbekannte Sachen, Geschichten, die jeder kennt.
   Jemanden anfassen (behandeln) wie ein rohes Ei: ihm nicht die geringste Verletzung zufügen, weder körperlich noch seelisch, sehr behutsam vorgehen; wie auf Eiern gehen: sehr behutsam, langsam und vorsichtig gehen, von lauen, ängstlichen Menschen gesagt, die überall anzustoßen fürchten und keines offenen Wortes, keiner entschiedenen Tat fähig sind. Schon bei Luther: »Ei sihe lieber, wie geht der geyst hie auff eyern«. Bei Lehmann steht S. 69 (›Behutsamkeit‹ 20): »Der Behutsame geht als wenn er auff Eyern oder Kohlen gieng, geht leiß, er fürcht, er trett in ein Glas«. Vgl. die französische Wendung ›passer sur des œufs sans les casser‹ und ›marcher comme sur des œufs‹ ( Eiertanz).
   ›Er tritt drei nei wie der Hans in d Eier‹ sagt man im Schwäbischen von einem unvorsichtigen tolpatschigen Menschen und ›er schlöt d Eier mit-ere Tanne-n-uf‹ in der Schweiz von einem Grobian.
   Ein einzelnes Ei steht sprichwörtlich für eine Kleinigkeit, ein Nichts, z.B. schon in der Livländischen Reimchronik (V. 3986): »Dar umme gâben sie ein ei«. ›Nicht eines eies wert‹ (Stricker, Pfaffe Amîs). Noch heute sagt man etwa Er hat es für ein Ei und ein Butterbrot (für einen Apfel und ein Ei) gekauft: er hat es spottbillig erhalten; vgl. französisch ›Il l'a acheté pour une bouchée de pain‹ (wörtlich: Er hat es für einen Brotbissen verkauft), Apfel. Mecklenburgisch ›Dor sett ick kein roh Ei gegen‹, auf diese Wette lasse ich mich nicht ein. Nicht ein (stinkendes) Ei für etwas geben: es ist ganz wertlos, ›es ist sieben ausgeblasene Eier wert‹ (schwäbisch).
   Das Ei kostet mehr als die Henne: die Auslagen sind höher als der Gewinn.
   Die Mehrzahl bedeutet Wohlstand: bereits seit dem Jahre 1430 ist die Redensart belegt Eier im Fett haben, dazu oberdeutsch Eier im Schmalz haben. In der Umgangssprache wird ›Eier‹ heute oft für ›Geldstück, Mark‹ gebraucht.
   Kleinere kirchliche und weltliche Abgaben wurden oft in Eiern festgelegt und entrichtet (Eierzins). Der Brauch, dem Pfarrer zu Ostern ›Beichteier‹ zu geben hat sich in Deutschland bis nach dem 2. Weltkrieg erhalten. Gegenüber den größeren Abgaben wie Hühner, Gänse, Schweine etc. war das Ei von verhältnismäßig geringem Wert, sozusagen das ›Kleingeld‹ der Naturalwirtschaft. Deshalb: keine Eier mehr haben: mittellos sein, schwäbisch ›der hat d Eier verspielt samt m Kratte‹: er hat alles verloren. Jetzt kommt er auf seine Eier: er kommt jetzt auf seine Kosten, zu seinem Vergnügen, seine Mühe macht sich nun bezahlt.
   Man soll nicht alle Eier in einen Korb (Nest) legen mahnt zur Vorsicht in finanziellen Angelegenheiten, man soll das Geld geteilt anlegen, damit im Falle eines Mißgeschicks nicht alles verlorengeht.
   Wie aus dem Ei geschält (berlinisch gepellt): äußerst sauber, appetitlich, reizend, auch: gut gekleidet. Bezeugt etwa bei Abraham a Sancta Clara in seiner ›Todten-Capelle‹: »Sie sehen aus, als wenns erst neulich aus einem Ey wären geschählet worden«. Vgl. französisch ›tiré à quatre épingles‹ (Nadeln).
   Wer weiche Eier schält, faßt sie vorsichtig an; daher in Oldenburg: ›He wet sine Eier god to schellen‹, er weiß seine Sache geschickt anzufangen, auch im Obersächsischen ›einem weiche Eier schälen‹, seine Angelegenheiten zart anpacken, ihm schöntun. Das ist das Ei des Kolumbus: das ist eine überraschend einfache Lösung einer schwierigen Frage; vgl. französisch ›C'est l'œuf de Christophe Colomb‹. Diese Wendung geht auf die bekannte Anekdote zurück, die 1565 von dem Italiener Benzoni in seiner ›Historia del mondo nuovo‹ von Kolumbus berichtet wird: Nach der ersten Reise des Kolumbus gab Kardinal Mendoza dem Entdecker zu Ehren ein Mahl, bei dem der Kardinal meinte, daß die Entdeckung der Neuen Welt eigentlich gar nicht so schwer gewesen sei. Kolumbus nahm darauf ein Ei und fragte, wer von der Tafelrunde das Ei auf eine seiner beiden Spitzen stellen könne. Als alle verneinten, nahm der Admiral das Ei und schlug das eine Ende auf den Tisch – und das Ei stand.
   Giorgio Vasari erzählt in seinen ›Vite de' piu eccellenti pittori, scultori ed architetti‹ (1550) das Gleiche, jedoch vom Renaissance-Baumeister Filippo Brunelleschi anläßlich eines Wettbewerbs im Jahre 1418, der der Erbauung der Kuppel des Domes Santa Maria del Fiore in Florenz galt.
   Neuere Forschungsergebnisse deuten darauf hin, daß das Motiv ursprünglich im Orient beheimatet war. Allerdings wurde dort in einer Legende von der Erbauung der Hagia Sophia auf göttliches Wissen abgehoben, daß nämlich menschlicher Einfallsreichtum ohne göttliche Hilfe allein nicht ausreiche, um eine solche Lösung hervorzubringen. In den europäischen Fassungen geht es dagegen in knapper, lehrhafter Anekdotenform um die menschliche Erfindungsgabe, darum, auf eine Idee zu kommen, auf die niemand zuvor gekommen ist.
   Der Sinn der Redensart ist, daß man zur Lösung einer schwierigen Aufgabe im rechten Augenblick eben den richtigen Einfall haben müsse.
   Die Redensart Das war nicht das Gelbe vom Ei: beinhaltet eine Mißbilligung oder Beanstandung. Weil das Kostbarste und Schmackhafteste vom Ei fehlt, gilt das Übrige als unvollkommen.
   Eier spalten: übergenau sein, vgl. ›Haarspalter‹. Vgl. französisch ›couper les cheveux en quatre‹ (wörtlich: Haare in vier Teile spalten). Diese vordergründig an närrisches Treiben erinnernde Redensart entspricht in Wirklichkeit früherer Rechtspraxis. So belegt unter anderem für Prüm im 16. Jahrhundert: »Item weist der scheffen dem herrn von Prum zu den ostern ein hobsey, vnd ist gelegt vff jede vierteil landts 21/2 ey. vndt wannie ein gehoffner schuldigh ist 21/2 eyer, vnd wil nit drey gantzer eyer geben, so soll er dafs dritte ey auff seine schwell legen, vnd mit einem messer entzwey hawen.« (Jac. Grimm, Weisthümer, II [1840], S. 525). Vgl. etwas ist kein halbes Ei wert.
   Rheinhessisch Eier dreschen: nachlässig arbeiten, eigentlich: so schlecht dreschen, daß die im Getreide verborgenen Eier nicht zerschlagen werden; heute in der Bedeutung: etwas Unsinniges tun. Auch: (Ein Sack) Eier treten.
   Literarisch »Narren über Eyer ausbrüten setzen« schon bei Johannes Mathesius, Bergpostilla (1587) in der Bedeutung von Torheit.
   Rheinisch ›jemand ißt de Schal on schmeiß et Ei fort‹ meint den Dummen, der alles verkehrt, unsinnig anpackt, nichts sinnvoll nutzen kann. Auf das Ei sehen und das Huhn laufen lassen: für die ungewisse Zukunft sorgen und dabei vergessen, Gegenwärtiges zu genießen, aber auch: die Grundlagen für Zukünftiges vernachlässigen. Im Niederdeutschen heißt die Redensart ›Du wardst das ey vnd lessest die Henne lauffen‹ (Henisch, 964).
   Das Ei nach dem Huhn werfen (auch: Die Wurst nach der Speckseite werfen, Wurst): ein kleineres Geschenk machen, um ein größeres zu erhalten. Mit einem Ei nach einem Spatzen werfen für unzweckmäßiges Handeln, ein Ei zusammenleimen (wollen) für sinnloses Tun. Rheinisch ›De hät de Verstangk, wo die Hähner de Eier han‹ mit seinem Verstand ist es nicht weit her. ›En Ai op de Schufkar un siewen Mann dervör gespannt‹ meint ironisch unsinnige Arbeitsorganisation, zu viel Aufwand für eine Geringfügigkeit.
   Einem ein Ei auf der Schwinge holen (›eenem en egg up der swingen to hollen‹): die Schwinge war ein breites flaches Brett mit Griff, womit man den Flachs schlug, um die Fasern zu gewinnen. Die wohl in Anlehnung an brauchtümliche Geschicklichkeitswettläufe entstandene Redensart bedeutet, jemanden necken, aufziehen, da das Ei leicht von der Schwinge rollt und zerbricht.
   Die Eierschalen noch hinter den Ohren haben: noch sehr jung, unerfahren sein. Schwäbisch ›Der hat die Eierschale no uf em Buckel‹, er ist noch ein ›Gelbschnabel‹; ›grüner Junge‹. Er ist kaum (erst) aus dem Ei gekrochen: er ist noch sehr jung.
   Das Ei will klüger sein als die Henne: die unerfahrenen Jugendlichen halten sich selbst für klüger als ihre Eltern und Lehrer. Vgl. niederländisch ›Het ei wil wijzer zijn dan de hen‹ und französisch ›C'est Grosjean qui veut en remontrer à son curé‹ (wörtlich: Da will der Bauernknecht Großjean klüger sein als der Dorfpfarrer).
   Im Schwäbischen sagt man von einem Großsprecher: ›Dem seine Eier hänt zwoi Dotter‹, und lächerlicher Stolz, Aufgeblasenheit ›verspreitet si (stellt si) wie 3 Eier im Krättle‹ (aus Weiden geflochtener Armkorb). Der Eingebildete, Überhebliche meint, seine Eier sollen mehr gelten als anderer Leute Hühner.
   Die Wendung ein Ei mit jemandem zu schälen haben (vgl. niederländisch ›Ik heb een eitje met u te pellen‹) entspricht der häufigeren Redensart: ›Ein Hühnchen mit jemandem zu rupfen haben‹.
   Der Geizige würde an einem Ei schaben; der auf seinen Vorteil Bedachte gibt ein Ei um die Henne, und wer durch Geschenke bestechen will, gibt ein Ei und möchte gerne drei. Einen über fremde Eier treffen, ihn ertappen.
   Ei bedeutet in übertragenem Sinne auch Kopf: frankfurterisch ›der hat was am Ei‹, er ist nicht ganz richtig im Kopf. Vgl. dazu die amerikanische Bezeichnung ›egghead‹ (Eierkopf) für den Intellektuellen.
   Ein ausgepustetes Ei: eigentlich etwas Wertloses, Verbrauchtes, Unnützes. Auch in der Übertragung auf einen Mann. Th. Fontane läßt in ›Stine‹ die lebenslustige Pauline Pittelkow von einem jungen kränklichen Adeligen verächtlich sagen: »Und denn bringt er (Graf von Haldern) ja auch das ausgepustete Ei mit. Und die kenn ich, die verlangen immer am meisten, und wenns weiter nichts is, wollen sie wenigstens was sehn un Augen machen.«
   Eier kaufen, ob schon keine im Herzen sind: vom sexuellen Möchtegern.
   Ei, meistens in der Mehrzahl, steht umgangssprachlich auch für Hoden. Einem die Eier schleifen: jemanden beim Militär hart drillen, im Dienst drangsalieren; im Zivilleben: einem tüchtig den Kopf waschen, ihn zusammenstauchen, gleichbedeutend auch: jemandem (kräftig) in die Eier treten. Appenzellerisch ›emm en' Eier vertrocka‹: jemandem ohne bösen Willen etwas Unangenehmes sagen oder tun. Preußisch ›Du machst ein Gesicht, als ob du dir die Eier gequetscht hast‹: als ob dir etwas sehr Unangenehmes zugestoßen wäre, dagegen jedoch rheinisch ›enem de Eier quetsche‹: ihn durch Geschenke günstig stimmen. Ein weiträumig belegter Euphemismus für Wasser abschlagen ist: holsteinisch ›he lett dat Water vun de Eier‹, preußisch ›die Eier abgießen‹, schweizerisch ›e chli Wasser ab den Eiere schütte‹. In der Bedeutung von Hoden heute auch in Redensartenparodien: ›Sich gleichen wie ein Ei des Kolumbus dem anderen‹ bzw. in Verulkung unbeholfener Höflichkeitsfloskeln: ›Darf ich Ihnen ein Ei abtreten?‹ gebräuchlich.

• F. ECKSTEIN: Artikel ›Ei‹, in: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens II, Spalte 595-644; M.L. LECHNER: Das Ei im deutschen Brauchtum (Diss. Freiburg [Schweiz] 1952); R. WILDHABER: Die Eierschalen im europäischen Glauben und Brauch, in: Acta Ethnographica 19 (1970); V. NEWALL: An Egg at Easter (London 1971) (mit umfangreicher Bibliographie); M.L. LECHNER: Artikel ›Ei, Eier‹, in: Enzyklopädie des Märchens III, Spalte 1107-1118; K. GÖBEL: Das Summenformel-Spiel. Zur Stellung eines Wettspiels zwischen Osterbrauch und Rechenbuchillustration (= Kulturgeschichtliche Forschung 8) (München 1987).}

Das Ei des Kolumbus. Holzschnitt nach einem Stich von Hogarth, aus: Das Pfennig-Magazin, Bd. I, S. 308.

Eier spalten. Michael Meier: Scrutinium Chymicum, Frankfurt 1687: ›Accipe ovum igneo percute gladio‹, aus: Venetia Newall: An Egg at Easter, London 1971.

Eier dreschen. Misericordiendarstellung aus Kleve, Foto: Getlinger, Kleve.
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