Redensarten Lexikon
drei
Nicht bis drei zählen können: geistig zurückgeblieben, blöde sein. Eine ganze Anzahl von Naturvölkern kann nicht bis drei zählen, d.h. besitzt nur Zahlwörter für eins und zwei, so daß höhere Zahlen durch kompliziertere Zusammensetzungen ausgedrückt werden müssen. Als Redensart soll die Wendung ganz besondere Dummheit oder Unterentwicklung ausdrücken; vgl. lateinisch ›Ne numerare scit‹ und französisch ›ne pas savoir compter jusqu'a trois‹.    Er stellt sich (tut), als ob er nicht bis drei zählen könnte: er benimmt sich wie ein Dummkopf, ist ähnlich schon bei Luther bezeugt: »Stellet sich also sehr schwach, als kündte er nicht vier zehlen« (Tischreden, 300a); und in seiner ›Sprichwörtersammlung‹ (Nr. 216): »Kan nicht drey zelen«; auch bei Johann Fischart: »kan nicht trei zelen«, und bei Abraham a Sancta Clara (›Etwas für alle‹): »Er stellet sich, als wann er nicht könte drey zehlen«. Durch Verstellung und vorgetäuschte Dummheit werden Vorteile gesucht: »Als ob er nicht bis drei zählen könne, so konnte dieser Lump sich anstellen, und gerade damit fing er die meisten Gimpel« (Polenz, Büttenbauer I, 36). Auch mundartlich ist die Redensart reich bezeugt: ›Der kann kaum auf 3 (5) zäle‹ oder ›Mä meint, er könne net (auf) 5(e) zäle‹ (Fischer VI, 1030), fünf, vier.
   Ehe man auf drei zählen kann: ganz schnell; vgl. französisch ›Le temps de compter jusqu'a trois‹.
   Drei gerade sein lassen erscheint vereinzelt anstelle der verbreiteteren Wendung ›Fünf gerade sein lassen‹, es nicht genau nehmen ( fünf). Es drei doppelt nehmen: es dreifach nehmen, ist eine berlinische Redensart.
   Auch zur Steigerung wird die ›Drei‹ verwendet, z.B. Für drei arbeiten; vgl. französisch ›travailler pour deux‹, › ... pour quatre‹ (wörtlich: für zwei, ... vier arbeiten); Hunger für drei haben; vgl. auch: ›manger comme quatre‹: tüchtig essen. Ein scherzhafter Ausdruck für eine Fehlleistung ist Dreimal abgeschnitten und immer noch zu kurz!
   (Erst) auf drei zählen}: eine Weile warten; Dreimal darfst du raten. Diese sprichwörtlich gewordenen Wendungen entstammen der Kinderfolklore, werden aber auch gern von Erwachsenen gebraucht, z.B. wenn man Zeit gewinnen will für eine Antwort oder eine Sache geheimnisvoll und wichtig erscheinen lassen möchte. Erst nach dreimaligem Raten erfährt der Frager dann die richtige Antwort.
   Die Zahl ›drei‹ war von jeher eine herausragende Zahl. Das Sprichwort ›Aller guten Dinge sind drei‹ wird auf die Bedeutung der Dreizahl im mittelalterlichen Recht zurückgeführt: dreimal im Jahr wurde Gericht (Ding, Thing) gehalten, zu jeder Weisung waren mindestens drei Urteiler nötig, der Gerichtsplatz wurde oft durch drei Bäume gekennzeichnet und danach bezeichnet (z.B. Dreieichen) usw. Dagegen bedeutet der teilweise noch heute bekannte Satz: ›Drei Dinge sind frei‹, daß die Wegnahme von drei Äpfeln, Trauben usw. als Mundraub galt und nicht bestraft wurde.
   Die Liste der dreimaligen oder dreifachen Rechtshandlungen ist lang. Viele haben sich erhalten, einige auch in der Redensart oder in sprichwörtlicher Wendung, wie z.B. der Satz: ›Tres faciunt collegium‹ (in der Studentensprache oft erläuternd ergänzt durch: ›wir zwei und ein Pokal!‹). Er ist dem 2. Teil des ›Corpus Iuris Civilis‹, der Gesetzessammlung des oströmischen Kaisers Justinian (527-565), entnommen und stammt von Nerus Priscus (um 100 v. Chr.). Dieser Rechtsspruch, wonach drei ein Kollegium bilden, bedeutet, daß wenigstens drei Personen vorhanden sein müssen, um einen Verein gründen zu können. Im akademischen Leben besagt der Spruch, daß außer dem Dozenten wenigstens zwei Studenten im Auditorium anwesend sein müssen, damit eine Vorlesung stattfindet. Eine andere bekannte Sentenz lautet: ›Sunt tria damna domus‹. Sie bezieht sich auf ›die drei ärgsten Plagen‹, die im Sprichwort in vielen Versionen erhalten geblieben sind, so z.B. in den Versen:
   Drei Dinge sind dem Haus überlegen,
   der Rauch, ein böses Weib und der Regen.

Eine große Rolle spielt die Dreizahl auch in der Erzählliteratur, in der sie weltweit verbreitet ist. Besonders häufig aber tritt sie in der europäischen Volkserzählung auf, unter anderem die Dreierformeln ›drei Brüder‹, ›drei Wünsche‹, ›drei Gaben‹, ›Dreiengelssegen‹ usw.
   In der Bildkunst kommt die Dreiheit vor allem in Darstellungen der göttlichen Trinität zum Ausdruck. Eine Parodie auf diese ist der Fluch ›In Dreiteufelsnamen‹ Teufel.

• J. GRIMM: Deutsche Rechtsaltertümer I und II; R. MÜLLER: Die Zahl drei in Sage, Dichtung und Kunst (Teschen 1903); H. USENER: Dreiheit. Ein Versuch mythologischer Zahlenlehre (Bonn 1903); A. TAYLOR: »Sunt tria damna domus«, in: Hessische Blätter für Volkskunde 24 (1926), S. 130-146; H. HEPDING: »Sunt tria damna domus«, in: Hessisch Bl. für Volkskunde 42 (1951), S. 108-109; A. DUNDES: The Number Three in American Culture, in: Every Man His Way (Englewood Cliffs 1968), S. 401-424; G. GROBER-GLÜCK: Motive und Motivationen in Redensarten und Meinungen (Marburg 1974), Band I, S 29 ff., besonders S. 47; M. LÜTHI: Artikel ›Drei, Dreizahl‹, in: Enzyklopädie des Märchens III, Spalte 851-868; W. STAMMLER und A. ERLER: Artikel ›Drei‹, in: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte I, Spalte 783-784.
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