Redensarten Lexikon
Deut
Das ist keinen Deut wert!: das ist nichts wert; vgl. französisch ›Cela ne vaut pas un liard‹ (alte französische Münze). Ich kümmere mich keinen Deut darum: ich kümmere mich nicht im geringsten darum Er (es) ist um keinen Deut besser: Er (das) ist genauso, nicht im geringsten besser. Deut, mittelniederländisch ›duit‹ (vgl. altnordisch thveit (i) = geringe Münze, ursprünglich ›abgehauenes Stück‹ zu altnordisch thveita = abhauen), war ehemals die Bezeichnung der kleinsten Münze in Holland, Geldern und Kleve. Die niederländische Kupfermünze im Werte von 2 Pfennigen gab den Anlaß zur Bildung der niederländischen Redensart ›Ik geef er geen' koperen duit voor‹. Da die Münze auch in Deutschland umlief, wurde diese Redensart zu Beginn des 18. Jahrhunderts übernommen und ist seitdem in übertragener Anwendung in der Bedeutung ›geringste Kleinigkeit, wertlose Sache, nichts‹ im Deutschen bezeugt.
Zu Deut stellt sich das ältere nordostdeutsch ›Dittchen‹, eine Dreigroschenmünze, die 1528 von Sigismund I. von Polen geprägt wurde. Auch sie lebt noch in Mundartausdrücken weiter wie: ›Der hat en Verstand wie e Dittke‹ oder ›Dat is nich et Dittke wert‹ (Ziesemer II, S. 57).
›Dittchen‹ ist auch in rheinischen Mundarten bekannt, z.B.: ›Dat was man son'n Dittchen!‹: ein kleines, behendes, hurtiges Mädchen, flink und fleißig, im Sinne von: ›klein, aber oho!‹.
Wohl in allen Sprachen besteht die Neigung, die an sich abstrakte Bezeichnung der Verneinung zu verdeutlichen, dem lautlich schwachen Wortkörper ›nicht‹ (›nichts‹, ›nein‹, ›kein‹) ein größeres Gewicht zu geben vor allem durch Hinzufügung von Wörtern, die kleinste, wertlose Dinge oder geringe Mengen bezeichnen. Gerade Münzbezeichnungen wie Deut wurden häufig zur Verstärkung der Negation verwendet. Sie wurden zunächst auch ganz wörtlich aufgefaßt: mittelniederdeutsch ›he enhaddes von dem Schatze nicht enen pennink gevunden‹; ›er besaß keinen (roten) Heller, keinen Schilling, keinen Pfennig‹ usw.; oder bei der Aussteuer: ›ik geev er nick einen deuyt meir mide‹. Eine bildliche Übertragung liegt dann schon vor, wenn verneinende Münzbezeichnungen auch bei solchen Dingen gebraucht werden, die man nicht nach Geldwert messen kann, z.B. niederdeutsch ›ohlt Deern sünd nich ein Heller werd‹; oder ›nicht einen Heller nach etwas fragen‹.
Das einfache ›nichts‹ ist der Volkssprache jedenfalls zu wenig und erfährt deshalb oft eine redensartlich bildhafte Verbreiterung. Historisch gesehen, stellt sogar schon das Wort ›nein‹ eine solche Verstärkung dar (= nicht ein), wie auch lateinisch ›non‹ auf früheres ›ne unum‹ zurückgeht. Ebenso ist das einfache Wort ›nichts‹ althochdeutsch häufig belegtes ›ni wiht‹, d.h. eigentlich ›nicht ein Ding‹, und hat seine Parallele in lateinisch ›ne hilum‹ = nihil; entsprechend französisch ›ne-rien‹, ›ne-pas‹ (= ne passum), ›ne- point‹ (= ne punctum), ⇨ nichts.
Alle diese Ausdrücke haben ursprünglich einen Real-Ausgangspunkt. Dieser ist überall zunächst in der rein wörtlichen Anwendung der Ausdrücke zu suchen. Bei häufigerem Gebrauch ist dann die wörtliche Bedeutung immer mehr verblaßt. Zum Beispiel ›Ich weiche keinen Fuß von der Stelle‹ war zunächst durchaus räumlich gedacht, und ist erst dann übertragen gebraucht worden, wenn man etwa auch von einer Forderung oder gar von einer moralischen Einstellung ›nicht einen Fuß‹ abzuweichen gewillt ist, ⇨ Fuß. Ebenso hatte etwa die alte Verneinungsformel ›Nicht ein Haar‹ (mittelhochdeutsch ›niht ein hâr‹, vgl. ›umbe ein hâr‹, ›gegen einem hâre‹, oder als Genitiv ›niht hâres grôz‹, ›niht eines hâres mê‹ usw.) ursprünglich einen durchaus wörtlichen Anwendungsbereich: In einer mittelalterlichen Handschrift bei Gerhard von Minden bittet der Affe den Fuchs um einen Teil seines langen Schwanzes, um damit die eigene Blöße zu decken. Der Fuchs erwidert:
unde bedestu mi ein jar,
du scholdest weten dat vorwar,
dat ek darut di nicht ein har ne geve.
Ganz ähnlich in einer anderen Fabel des mittelalterlichen Esopus, wo die Krähe sich weigert, dem schlafenden Hunde das Fell zu rupfen:
de hunt ne slept ni so vaste,
he ne vornemet unde taste,
berôrde ik one bi enem hare.
Hier ist die Wendung ›bi enem hare‹ also noch ganz wörtlich zu nehmen, später nur noch übertragen, ⇨ Haar.
Jacob Grimm machte in seiner ›Deutsches Grammatik‹ (3, 728) zuerst darauf aufmerksam, daß schon die mittelhochdeutschen Dichter den verneinenden Ausdruck gern durch ein hinzugefügtes Bild heben. Am häufigsten findet sich mittelhochdeutsch die Verstärkung durch ›hâr‹; z.B. in Gottfrieds ›Tristan‹:
ern hæte niht gegeben ein hâr
wær es gelogen oder wâr.
In weitem Häufigkeitsabstand folgen ›vuoz‹, ›tag‹, ›wort‹, ›stunde‹, ›bast‹, ›gruoz‹, ›brot‹, ›trit‹, ›phennig‹, ›tropfen‹, ›vaden‹ u.a. Oft sind es kleine Früchte oder alltägliche und gering geachtete Nahrungsmittel, wie ⇨ Bohne, Nuß, Beere, Kirsche, Apfel oder das Ei, die zur bildlichen Verstärkung der Verneinung dienen, z.B. mittelniederdeutsch ›den fiscal achte ich nicht eine not‹; ›ich achtete er niht enen slê‹ (Schlehe); ›nicht gen einer kirse‹; ›um Sturm gæbe sie niht ein ber‹; ›so ensal dan alle werlt nicht einen appel baten‹; mittelhochdeutsch ›sîn zorn so up de Juden draf, dat man drîzich umbe ein ei ...‹ (mundartlich, rheinisch noch heute, ›nicht für ein Appel und ein Ei!‹).
Als nichtiges Ding gilt auch der aufsteigende Rauch oder der fliegende Feuerfunke (wie noch in heutiger Umgangssprache ›Keinen Funken Ehrgeiz, Verstand!‹) oder die Spreu (z.B. bei Konrad von Würzburg: »so ahtet ich niht umb ein spriu dar ûf, swaz mir geschæhe«). Andere mittelhochdeutsche Verneinungsformeln sind ferner ›niht eines louches kil‹, ›niht einer bluomen stengel‹, ›niht ein kol‹, »er ahte alliu dinc als einen stoup«. Als Bild des Unbedeutenden gilt auch das Stroh (›ik geve um ein bôk nicht ein strô‹) und schließlich Ausdruck für Schmutz, Dreck, Kot. In der ›Kaiserchronik‹ heißt es von Ludwig dem Frommen: »er furchtet ez (alles Irdische) niht mêre denne einen mist«. »Des bîchten helpet nicht einen dreck« meint das niederdeutsche ›Narrenschiff‹ (vgl. noch in der Sprache der Gegenwart: ›Das geht dich einen Dreck, einen feuchten Kehricht an!‹).
Auch kleine, verachtete Tiere dienen als Bezeichnung des Minderwertigen und damit zur Verstärkung der Negation, z.B. die Laus: »se achteden ere viande nych ein lûs«; ›he het nich'n Luus to freten‹; ›Ze kümmert sik nich'n Luus üm en‹. Andere Fälle sind: Katzenschwanz (›de hindert my nicht enen Kattenstert‹), auch ›Hundsfott‹ gehört hierher.
Häufig wird der ⇨ Teufel nebst seinen verhüllenden Umschreibungen herangezogen, um einen verneinenden Sinn auszudrücken. Den Ausgangspunkt für diesen merkwurdigen Sprachgebrauch kann man in Stellen finden wie im ›Nibelungenlied‹, wo Hagen auf Kriemhilds Frage, ob er den Schatz bringen werde, mit den Worten erwidert: »ich bringe iu den tiuvel«; oder, ebenfalls dort: »nu swiget: ir haben den tiuvel getan«. Dieser Sprachgebrauch ist in den Mundarten noch geläufig; z.B. ›Sie fragen den Düwel na der Religion‹; ›he günnt den Düwel keen Picklicht‹ (Licht vom schlechtesten schwarzbraunen Talg); ›Grodmoder is den Düwel dood / se itt noch Speck un Brod!‹. Auch für ›niemand‹ tritt häufig eine Umschreibung mit ›Teufel‹ ein, z.B. ›Dat verdenk em de Düwel‹, das kann ihm keiner verdenken.
Die meisten der im Mittelalter geschaffenen Wendungen gingen unter, und nur wenige, besonders geläufige und naheliegende Formen retteten sich in die neuere Schriftsprache. Doch weicht der heutige Gebrauch in mancher Hinsicht vom Mittelhochdeutschen ab, und es ergeben sich vor allem kulturhistorische Verschiebungen. Viel häufiger sind aber diese redensartlichen Verneinungen in den Mundarten erhalten geblieben, wobei derbe Ausdruck (wie Dreck, Aas, Arsch, Scheiße) oder geringwertige Tierbezeichnungen (wie Katze, Hund, Laus, Maus) bevorzugt werden.
Die Volkssprache ist unerschöpflich in ihrer Erfindungskraft immer neuer Bilder und Wendungen. Heutige redensartliche Ausdrücke für ›nichts‹ können darum hier nur aufgezählt werden: ›Keinen Schimmer‹, ›Keinen Funken‹, ›Kein Gedanke‹, ›Keine Spur‹, ›Kein Pappenstiel‹, ›Kein Schmarren‹, ›Kein Sterbenswörtlein‹, ›Keine Silbe‹, ›Keinen Mucks‹, ›Kein (Ratten-)Schwanz‹, ›Kein Schwein‹, ›Keinen Furz‹, ›Keinen Schuß Pulver wert‹, ›Er hat kein ganzes Hemde mehr auf dem Arsch‹, ›Keinen guten Faden an jemandem lassen‹, ›Keinen Hosenknopf‹, ›Nicht mehr eine Schindel auf dem Dache‹, ›Er ist nicht das Streichhölzchen wert zum Anzünden‹, ›Keinen Fußbreit, keine Handbreit, keinen Schritt von der Stelle weichen‹ (französisch ›Ne pas bouger d'un pas‹), ›Nicht ein Wort davon glauben‹ (französisch ›N'en croire pas un mot‹), ›Nicht bis auf drei zählen‹, ›Keiner Fliege etwas zu leid tun können‹ (französisch ›Ne pas faire de mal a une mouche‹), ›Da kräht kein Hahn danach‹, ›Kein Auge zutun‹ (französisch ›Ne pas fermer l'oeil de la nuit‹), ›Sich kein Bein ausreißen‹, ›Nicht den kleinen Finger krumm machen, rühren‹, (französisch ›Ne pas remuer le petit doigt‹), ›Kein Blatt vors Maul nehmen‹, ›Von dem mag ich keinen Bissen Brot‹, ›Ich habe keinen toten Hund gesehen‹, ›Das wird keine lahme Katze anlocken‹, ›Das schert mich nicht einen Katzendreck‹, ›Es ist nicht drei Läuse wert‹, ›Es rührt sich kein Mäuschen‹.
Die bildliche Verneinung findet sich namentlich bei bestimmten Verben wie: nützen, taugen, wert sein, schaden, helfen, fürchten, achten, zweifeln. Besonders gern steht die redensartlich bildhafte Verneinung bei Schilderungen des Geizes, z.B. ›Er gönnt ihm nicht das Schwarze unter dem Nagel; nicht so viel, was unter den Nagel geht; was man auf dem Nagel fortträgt‹, ›Keinen Happen‹, ›Keinen Bissen Brot‹, ›Nicht die Butter aufs Brot‹, ›Nicht ein Körnchen‹, ›Nicht einen Pfifferling‹, ›Nicht eine (madige) Pflaume‹, ›Nicht einen (Kraut-) Strunk‹, ›Nicht einen Strohhalm‹; niederdeutsch ›He günnt em nich dat Witt in t'Oog‹, ›nich dat Swart ünnern Nagel‹, ›nich dat Gele von 't Ei‹, ›keen Piep Tabak‹; ›he kann nich den Schiet ünner de Schoh missen‹, ›Er gibt nichts mehr ab, eher beißt er sich die Zunge ab‹, ›Eher läßt er es verfaulen‹, ›Eher schmeißt er es auf den Mist‹.
Neben der Verstärkung durch Substantive, die in irgendeiner Hinsicht ein Minimum bezeichnen, gibt es eine Verstärkung der Verneinung durch Substantive, die ein Maximum, einen großen oder größten Wert bezeichnen; z.B. ›Er hat in seinem ganzen Leben noch nicht gearbeitet‹, ›Seiner Lebtag noch nicht‹, ›Seit Jahr und Tag nicht‹, ›Ich weiß in aller Welt nicht, was da werden soll‹, ›Nicht um die Welt‹, ›Um Gottes willen nicht‹, ›Es wird keine Ewigkeit dauern‹; vgl. französisch ›Cela n'aura qu'un temps‹ (wörtlich: Es wird nur eine Zeitlang dauern).
Ein anderes beliebtes Mittel der redensartlichen Verneinung ist der ironische Vergleich, d.h. die Verneinung durch den Vergleich mit unmöglichen, nutzlosen, unwahrscheinlichen Handlungen, Gegenständen und Zeitpunkten, z.B. ›Er kann schwimmen wie ein Sack voll Steine‹, ›Er weiß soviel von der Kirche, als des Müllers Esel kann die Laute schlagen‹, ›man kann sik op em verlaten as up en dode Rott‹, ›he is so uprichtig as 'n Kohstert‹ (Kuhschwanz), ›he is so fett as 'n Predigtstohl‹, ›he süht so vergnögt ut as de Hahn bi't Regenweder‹, ›dat Fruunsmensch hölt dicht as 'n Saatseef‹, ›Das steht dir, wie dem Schwein das Vorhemdchen‹, ›Er geht aufs Gebirge Schnee sieben‹ (er hat keine Arbeit), ›Ihr wärt gut zum Marderfangen‹, ›Was versteht der Ochse vom Sonntag, wenn er alle Tage Heu frißt‹, ›Kümmere dich nicht um Haseneier, die klappern nicht‹, ›Er hat ein Interesse wie ein verrosteter Nagel‹.
Bemerkenswert ist auch die Form dieser redensartlichen Wendungen. Ein beliebtes Mittel ist dabei die Verbindung zweier (oft einander entgegengesetzter) Ausdrücke, z.B. ›Das ist nicht gehauen und nicht gestochen‹, ›Nicht gehopst und nicht gesprungen‹, ›Nicht gestoben und nicht geflogen‹, ›Da hilft kein Jammern und kein Klagen‹, ›Kein Singen und kein Beten‹, ›Kein Fluchen und kein Beten‹, ›Kein Pudern und kein Schminken‹, ›Es langt nicht hin und nicht her‹, ›Er weiß sich hinten und vorne keinen Rat‹, ›Er kann sich nicht aufs hinterste und nicht aufs vorderste besinnen‹, ›Kein nichts und kein gar nichts haben‹, ›Sich nichts und gar nichts denken‹. Vor allem im heutigen Niederdeutsch begegnet diese Form der Verneinung auf Schritt und Tritt: ›Dat geef ni Natt noch Drög‹, es gab gar nichts zu essen; ›he sä ni Witt noch Swart‹, er sagte gar nichts; ›he rögt ni Hand noch Foot‹, er tut gar nichts. Oft sind die beiden Ausdrücke noch durch Stabreim miteinander verbunden: ›do is nich Putt noch Pann‹, ›he kennt nich Koh noch Kalf‹, ›nich Kind noch Küken, nich Küken noch Katt, ni Korn un Kröm, nich Buuk noch Been‹, ›er schont nich Vadder noch Fründ‹, ›he weet nich hott un hü‹, ›he sä nich muh un nich mäh‹, ›he hett keen Duld un Dur‹, ›he nimmt nich Gift noch Gave‹, ›dor wasst nich Heu noch Hawer‹, ›dor sünd nich Kisten noch Kasten‹.
• I. ZINGERLE: Über die bildliche Verstärkung der Negation bei mittelhochdeutschen Dichtern, in: Sitzungsbericht der K.K. Akademie der Wissenschaften (Philologisch-historische Klasse), Band 39 (Wien 1862); H. HALTRICH: Negative Idiotismen der siebenbürgischen Volkssprache (Hermannstadt 1866); H. KNY: Der Gebrauch der Negation im Kudrunliede (Bielitz 1880); F.F. FRITSCHE: Der Gebrauch der Negation bei Walther von der Vogelweide (Wismar 1885); R. HILDEBRAND: Gehäufte Verneinung, in: Zeitschrift für den deutschen Unterricht 3 (1889), S. 149-161; O. BEHAGHEL: Die Verneinung in der deutschen Sprache, in: Wissenschaftliche Beihefte zur Zeitschrift des allgemeinen Deutschen Sprachvereins, 5. Reihe, H. 38/40 (1918), S. 225-252; G. LOUIS: ›nicht‹ und ›nichts‹ im Sprachgebiet des Deutschen Reiches einst und jetzt (Diss. Marburg 1917); A. ZOBEL: Die Verneinung im Schlesischen, in: Wort und Brauch 18 (Breslau 1928); O. MENSING: Zur Geschichte der volkstümlichen Verneinung, in: Zeitschrift für deutsche Philologie 61 (1936), S. 343-380; J. ARNDT: ›Nichts‹ und ›Niemals‹, in: Rheinisch- westfälische Zeitschrift für Volkskunde 8 (1961), S. 118 ff.; Münzen in Brauch und Aberglauben, S. 230.
Zu Deut stellt sich das ältere nordostdeutsch ›Dittchen‹, eine Dreigroschenmünze, die 1528 von Sigismund I. von Polen geprägt wurde. Auch sie lebt noch in Mundartausdrücken weiter wie: ›Der hat en Verstand wie e Dittke‹ oder ›Dat is nich et Dittke wert‹ (Ziesemer II, S. 57).
›Dittchen‹ ist auch in rheinischen Mundarten bekannt, z.B.: ›Dat was man son'n Dittchen!‹: ein kleines, behendes, hurtiges Mädchen, flink und fleißig, im Sinne von: ›klein, aber oho!‹.
Wohl in allen Sprachen besteht die Neigung, die an sich abstrakte Bezeichnung der Verneinung zu verdeutlichen, dem lautlich schwachen Wortkörper ›nicht‹ (›nichts‹, ›nein‹, ›kein‹) ein größeres Gewicht zu geben vor allem durch Hinzufügung von Wörtern, die kleinste, wertlose Dinge oder geringe Mengen bezeichnen. Gerade Münzbezeichnungen wie Deut wurden häufig zur Verstärkung der Negation verwendet. Sie wurden zunächst auch ganz wörtlich aufgefaßt: mittelniederdeutsch ›he enhaddes von dem Schatze nicht enen pennink gevunden‹; ›er besaß keinen (roten) Heller, keinen Schilling, keinen Pfennig‹ usw.; oder bei der Aussteuer: ›ik geev er nick einen deuyt meir mide‹. Eine bildliche Übertragung liegt dann schon vor, wenn verneinende Münzbezeichnungen auch bei solchen Dingen gebraucht werden, die man nicht nach Geldwert messen kann, z.B. niederdeutsch ›ohlt Deern sünd nich ein Heller werd‹; oder ›nicht einen Heller nach etwas fragen‹.
Das einfache ›nichts‹ ist der Volkssprache jedenfalls zu wenig und erfährt deshalb oft eine redensartlich bildhafte Verbreiterung. Historisch gesehen, stellt sogar schon das Wort ›nein‹ eine solche Verstärkung dar (= nicht ein), wie auch lateinisch ›non‹ auf früheres ›ne unum‹ zurückgeht. Ebenso ist das einfache Wort ›nichts‹ althochdeutsch häufig belegtes ›ni wiht‹, d.h. eigentlich ›nicht ein Ding‹, und hat seine Parallele in lateinisch ›ne hilum‹ = nihil; entsprechend französisch ›ne-rien‹, ›ne-pas‹ (= ne passum), ›ne- point‹ (= ne punctum), ⇨ nichts.
Alle diese Ausdrücke haben ursprünglich einen Real-Ausgangspunkt. Dieser ist überall zunächst in der rein wörtlichen Anwendung der Ausdrücke zu suchen. Bei häufigerem Gebrauch ist dann die wörtliche Bedeutung immer mehr verblaßt. Zum Beispiel ›Ich weiche keinen Fuß von der Stelle‹ war zunächst durchaus räumlich gedacht, und ist erst dann übertragen gebraucht worden, wenn man etwa auch von einer Forderung oder gar von einer moralischen Einstellung ›nicht einen Fuß‹ abzuweichen gewillt ist, ⇨ Fuß. Ebenso hatte etwa die alte Verneinungsformel ›Nicht ein Haar‹ (mittelhochdeutsch ›niht ein hâr‹, vgl. ›umbe ein hâr‹, ›gegen einem hâre‹, oder als Genitiv ›niht hâres grôz‹, ›niht eines hâres mê‹ usw.) ursprünglich einen durchaus wörtlichen Anwendungsbereich: In einer mittelalterlichen Handschrift bei Gerhard von Minden bittet der Affe den Fuchs um einen Teil seines langen Schwanzes, um damit die eigene Blöße zu decken. Der Fuchs erwidert:
unde bedestu mi ein jar,
du scholdest weten dat vorwar,
dat ek darut di nicht ein har ne geve.
Ganz ähnlich in einer anderen Fabel des mittelalterlichen Esopus, wo die Krähe sich weigert, dem schlafenden Hunde das Fell zu rupfen:
de hunt ne slept ni so vaste,
he ne vornemet unde taste,
berôrde ik one bi enem hare.
Hier ist die Wendung ›bi enem hare‹ also noch ganz wörtlich zu nehmen, später nur noch übertragen, ⇨ Haar.
Jacob Grimm machte in seiner ›Deutsches Grammatik‹ (3, 728) zuerst darauf aufmerksam, daß schon die mittelhochdeutschen Dichter den verneinenden Ausdruck gern durch ein hinzugefügtes Bild heben. Am häufigsten findet sich mittelhochdeutsch die Verstärkung durch ›hâr‹; z.B. in Gottfrieds ›Tristan‹:
ern hæte niht gegeben ein hâr
wær es gelogen oder wâr.
In weitem Häufigkeitsabstand folgen ›vuoz‹, ›tag‹, ›wort‹, ›stunde‹, ›bast‹, ›gruoz‹, ›brot‹, ›trit‹, ›phennig‹, ›tropfen‹, ›vaden‹ u.a. Oft sind es kleine Früchte oder alltägliche und gering geachtete Nahrungsmittel, wie ⇨ Bohne, Nuß, Beere, Kirsche, Apfel oder das Ei, die zur bildlichen Verstärkung der Verneinung dienen, z.B. mittelniederdeutsch ›den fiscal achte ich nicht eine not‹; ›ich achtete er niht enen slê‹ (Schlehe); ›nicht gen einer kirse‹; ›um Sturm gæbe sie niht ein ber‹; ›so ensal dan alle werlt nicht einen appel baten‹; mittelhochdeutsch ›sîn zorn so up de Juden draf, dat man drîzich umbe ein ei ...‹ (mundartlich, rheinisch noch heute, ›nicht für ein Appel und ein Ei!‹).
Als nichtiges Ding gilt auch der aufsteigende Rauch oder der fliegende Feuerfunke (wie noch in heutiger Umgangssprache ›Keinen Funken Ehrgeiz, Verstand!‹) oder die Spreu (z.B. bei Konrad von Würzburg: »so ahtet ich niht umb ein spriu dar ûf, swaz mir geschæhe«). Andere mittelhochdeutsche Verneinungsformeln sind ferner ›niht eines louches kil‹, ›niht einer bluomen stengel‹, ›niht ein kol‹, »er ahte alliu dinc als einen stoup«. Als Bild des Unbedeutenden gilt auch das Stroh (›ik geve um ein bôk nicht ein strô‹) und schließlich Ausdruck für Schmutz, Dreck, Kot. In der ›Kaiserchronik‹ heißt es von Ludwig dem Frommen: »er furchtet ez (alles Irdische) niht mêre denne einen mist«. »Des bîchten helpet nicht einen dreck« meint das niederdeutsche ›Narrenschiff‹ (vgl. noch in der Sprache der Gegenwart: ›Das geht dich einen Dreck, einen feuchten Kehricht an!‹).
Auch kleine, verachtete Tiere dienen als Bezeichnung des Minderwertigen und damit zur Verstärkung der Negation, z.B. die Laus: »se achteden ere viande nych ein lûs«; ›he het nich'n Luus to freten‹; ›Ze kümmert sik nich'n Luus üm en‹. Andere Fälle sind: Katzenschwanz (›de hindert my nicht enen Kattenstert‹), auch ›Hundsfott‹ gehört hierher.
Häufig wird der ⇨ Teufel nebst seinen verhüllenden Umschreibungen herangezogen, um einen verneinenden Sinn auszudrücken. Den Ausgangspunkt für diesen merkwurdigen Sprachgebrauch kann man in Stellen finden wie im ›Nibelungenlied‹, wo Hagen auf Kriemhilds Frage, ob er den Schatz bringen werde, mit den Worten erwidert: »ich bringe iu den tiuvel«; oder, ebenfalls dort: »nu swiget: ir haben den tiuvel getan«. Dieser Sprachgebrauch ist in den Mundarten noch geläufig; z.B. ›Sie fragen den Düwel na der Religion‹; ›he günnt den Düwel keen Picklicht‹ (Licht vom schlechtesten schwarzbraunen Talg); ›Grodmoder is den Düwel dood / se itt noch Speck un Brod!‹. Auch für ›niemand‹ tritt häufig eine Umschreibung mit ›Teufel‹ ein, z.B. ›Dat verdenk em de Düwel‹, das kann ihm keiner verdenken.
Die meisten der im Mittelalter geschaffenen Wendungen gingen unter, und nur wenige, besonders geläufige und naheliegende Formen retteten sich in die neuere Schriftsprache. Doch weicht der heutige Gebrauch in mancher Hinsicht vom Mittelhochdeutschen ab, und es ergeben sich vor allem kulturhistorische Verschiebungen. Viel häufiger sind aber diese redensartlichen Verneinungen in den Mundarten erhalten geblieben, wobei derbe Ausdruck (wie Dreck, Aas, Arsch, Scheiße) oder geringwertige Tierbezeichnungen (wie Katze, Hund, Laus, Maus) bevorzugt werden.
Die Volkssprache ist unerschöpflich in ihrer Erfindungskraft immer neuer Bilder und Wendungen. Heutige redensartliche Ausdrücke für ›nichts‹ können darum hier nur aufgezählt werden: ›Keinen Schimmer‹, ›Keinen Funken‹, ›Kein Gedanke‹, ›Keine Spur‹, ›Kein Pappenstiel‹, ›Kein Schmarren‹, ›Kein Sterbenswörtlein‹, ›Keine Silbe‹, ›Keinen Mucks‹, ›Kein (Ratten-)Schwanz‹, ›Kein Schwein‹, ›Keinen Furz‹, ›Keinen Schuß Pulver wert‹, ›Er hat kein ganzes Hemde mehr auf dem Arsch‹, ›Keinen guten Faden an jemandem lassen‹, ›Keinen Hosenknopf‹, ›Nicht mehr eine Schindel auf dem Dache‹, ›Er ist nicht das Streichhölzchen wert zum Anzünden‹, ›Keinen Fußbreit, keine Handbreit, keinen Schritt von der Stelle weichen‹ (französisch ›Ne pas bouger d'un pas‹), ›Nicht ein Wort davon glauben‹ (französisch ›N'en croire pas un mot‹), ›Nicht bis auf drei zählen‹, ›Keiner Fliege etwas zu leid tun können‹ (französisch ›Ne pas faire de mal a une mouche‹), ›Da kräht kein Hahn danach‹, ›Kein Auge zutun‹ (französisch ›Ne pas fermer l'oeil de la nuit‹), ›Sich kein Bein ausreißen‹, ›Nicht den kleinen Finger krumm machen, rühren‹, (französisch ›Ne pas remuer le petit doigt‹), ›Kein Blatt vors Maul nehmen‹, ›Von dem mag ich keinen Bissen Brot‹, ›Ich habe keinen toten Hund gesehen‹, ›Das wird keine lahme Katze anlocken‹, ›Das schert mich nicht einen Katzendreck‹, ›Es ist nicht drei Läuse wert‹, ›Es rührt sich kein Mäuschen‹.
Die bildliche Verneinung findet sich namentlich bei bestimmten Verben wie: nützen, taugen, wert sein, schaden, helfen, fürchten, achten, zweifeln. Besonders gern steht die redensartlich bildhafte Verneinung bei Schilderungen des Geizes, z.B. ›Er gönnt ihm nicht das Schwarze unter dem Nagel; nicht so viel, was unter den Nagel geht; was man auf dem Nagel fortträgt‹, ›Keinen Happen‹, ›Keinen Bissen Brot‹, ›Nicht die Butter aufs Brot‹, ›Nicht ein Körnchen‹, ›Nicht einen Pfifferling‹, ›Nicht eine (madige) Pflaume‹, ›Nicht einen (Kraut-) Strunk‹, ›Nicht einen Strohhalm‹; niederdeutsch ›He günnt em nich dat Witt in t'Oog‹, ›nich dat Swart ünnern Nagel‹, ›nich dat Gele von 't Ei‹, ›keen Piep Tabak‹; ›he kann nich den Schiet ünner de Schoh missen‹, ›Er gibt nichts mehr ab, eher beißt er sich die Zunge ab‹, ›Eher läßt er es verfaulen‹, ›Eher schmeißt er es auf den Mist‹.
Neben der Verstärkung durch Substantive, die in irgendeiner Hinsicht ein Minimum bezeichnen, gibt es eine Verstärkung der Verneinung durch Substantive, die ein Maximum, einen großen oder größten Wert bezeichnen; z.B. ›Er hat in seinem ganzen Leben noch nicht gearbeitet‹, ›Seiner Lebtag noch nicht‹, ›Seit Jahr und Tag nicht‹, ›Ich weiß in aller Welt nicht, was da werden soll‹, ›Nicht um die Welt‹, ›Um Gottes willen nicht‹, ›Es wird keine Ewigkeit dauern‹; vgl. französisch ›Cela n'aura qu'un temps‹ (wörtlich: Es wird nur eine Zeitlang dauern).
Ein anderes beliebtes Mittel der redensartlichen Verneinung ist der ironische Vergleich, d.h. die Verneinung durch den Vergleich mit unmöglichen, nutzlosen, unwahrscheinlichen Handlungen, Gegenständen und Zeitpunkten, z.B. ›Er kann schwimmen wie ein Sack voll Steine‹, ›Er weiß soviel von der Kirche, als des Müllers Esel kann die Laute schlagen‹, ›man kann sik op em verlaten as up en dode Rott‹, ›he is so uprichtig as 'n Kohstert‹ (Kuhschwanz), ›he is so fett as 'n Predigtstohl‹, ›he süht so vergnögt ut as de Hahn bi't Regenweder‹, ›dat Fruunsmensch hölt dicht as 'n Saatseef‹, ›Das steht dir, wie dem Schwein das Vorhemdchen‹, ›Er geht aufs Gebirge Schnee sieben‹ (er hat keine Arbeit), ›Ihr wärt gut zum Marderfangen‹, ›Was versteht der Ochse vom Sonntag, wenn er alle Tage Heu frißt‹, ›Kümmere dich nicht um Haseneier, die klappern nicht‹, ›Er hat ein Interesse wie ein verrosteter Nagel‹.
Bemerkenswert ist auch die Form dieser redensartlichen Wendungen. Ein beliebtes Mittel ist dabei die Verbindung zweier (oft einander entgegengesetzter) Ausdrücke, z.B. ›Das ist nicht gehauen und nicht gestochen‹, ›Nicht gehopst und nicht gesprungen‹, ›Nicht gestoben und nicht geflogen‹, ›Da hilft kein Jammern und kein Klagen‹, ›Kein Singen und kein Beten‹, ›Kein Fluchen und kein Beten‹, ›Kein Pudern und kein Schminken‹, ›Es langt nicht hin und nicht her‹, ›Er weiß sich hinten und vorne keinen Rat‹, ›Er kann sich nicht aufs hinterste und nicht aufs vorderste besinnen‹, ›Kein nichts und kein gar nichts haben‹, ›Sich nichts und gar nichts denken‹. Vor allem im heutigen Niederdeutsch begegnet diese Form der Verneinung auf Schritt und Tritt: ›Dat geef ni Natt noch Drög‹, es gab gar nichts zu essen; ›he sä ni Witt noch Swart‹, er sagte gar nichts; ›he rögt ni Hand noch Foot‹, er tut gar nichts. Oft sind die beiden Ausdrücke noch durch Stabreim miteinander verbunden: ›do is nich Putt noch Pann‹, ›he kennt nich Koh noch Kalf‹, ›nich Kind noch Küken, nich Küken noch Katt, ni Korn un Kröm, nich Buuk noch Been‹, ›er schont nich Vadder noch Fründ‹, ›he weet nich hott un hü‹, ›he sä nich muh un nich mäh‹, ›he hett keen Duld un Dur‹, ›he nimmt nich Gift noch Gave‹, ›dor wasst nich Heu noch Hawer‹, ›dor sünd nich Kisten noch Kasten‹.
• I. ZINGERLE: Über die bildliche Verstärkung der Negation bei mittelhochdeutschen Dichtern, in: Sitzungsbericht der K.K. Akademie der Wissenschaften (Philologisch-historische Klasse), Band 39 (Wien 1862); H. HALTRICH: Negative Idiotismen der siebenbürgischen Volkssprache (Hermannstadt 1866); H. KNY: Der Gebrauch der Negation im Kudrunliede (Bielitz 1880); F.F. FRITSCHE: Der Gebrauch der Negation bei Walther von der Vogelweide (Wismar 1885); R. HILDEBRAND: Gehäufte Verneinung, in: Zeitschrift für den deutschen Unterricht 3 (1889), S. 149-161; O. BEHAGHEL: Die Verneinung in der deutschen Sprache, in: Wissenschaftliche Beihefte zur Zeitschrift des allgemeinen Deutschen Sprachvereins, 5. Reihe, H. 38/40 (1918), S. 225-252; G. LOUIS: ›nicht‹ und ›nichts‹ im Sprachgebiet des Deutschen Reiches einst und jetzt (Diss. Marburg 1917); A. ZOBEL: Die Verneinung im Schlesischen, in: Wort und Brauch 18 (Breslau 1928); O. MENSING: Zur Geschichte der volkstümlichen Verneinung, in: Zeitschrift für deutsche Philologie 61 (1936), S. 343-380; J. ARNDT: ›Nichts‹ und ›Niemals‹, in: Rheinisch- westfälische Zeitschrift für Volkskunde 8 (1961), S. 118 ff.; Münzen in Brauch und Aberglauben, S. 230.