Redensarten Lexikon
Decke
Sich nach der Decke strecken: seinen bescheidenen Verhältnissen entsprechend leben. Wer eine große Decke auf seinem Bett hat, kann sich während des Schlafens frei ausstrecken; wer nur eine kleine hat und doch nicht an den Füßen frieren will, muß eben zusehen, wie er auskommt. In der Redensart liegt ursprünglich ein Scherz, der besagt: Man muß sich der Decke anpassen, wenn man nicht frieren will; man darf sich zwar ausstrecken, aber nur so weit, wie es die Decke erlaubt. Dieser Scherz wird heute beim Gebrauch der Redensart kaum noch empfunden, ja, mancher verbindet damit schon nicht mehr die Vorstellung von der Bettdecke, sondern denkt an die Zimmerdecke, nach der es sich auszustrecken gilt. Schon im Mittelhochdeutschen ist die Redensart bekannt: etwa beim Stricker (13. Jahrhundert) heißt es:
daz borgen und das gelten
diu brachten lîhte ein schelten:
dâ von wil ich mich strecken
als ich mich kan bedecken.
⇨ Borg, borgen. Sie begegnet auch in der Zimmerischen Chronik (IV, 67). Zu dem Holzschnitt aus Thomas Murners ›Narrenbeschwörung‹ gehören die Worte:
Des nym war vnd acht der decken,
Das du dich wißst darnach zu strecken.
Es stundt gar kalt in dynem huß,
Streckstu die füß zur decken vß.
Goethe weiß in ›Sprichwörtlich‹ (um 1812) noch um den ursprünglichen Bildsinn der Redensart:
Wer sich nicht nach der Decke streckt,
Dem bleiben die Füße unbedeckt.
Noch Bismarck verwendet sie: »Die preußische Regierung ist dann also in der Lage, sich nach der Decke strecken zu müssen, die Sie ihr zuschneiden«.
In dem Märchen ›Der Riese und der Schneider‹ der Gebrüder Grimm (Kinder-und Hausmärchen der Brüder Grimm 183) begegnet die Wendung dagegen im Sinne von: man muß nehmen, was kommt.
Die Redensart Mit jemand unter einer Decke stecken: im (geheimen) Einverständnis mit ihm sein, ist schon bei Petronius (Anf. d. 1. Jahrhundert n. Chr.) in ›Satyricon‹ (1. Kapitel) erwähnt.
Zu einer rechtmäßigen Eheschließung gehörte im Mittelalter das Zudecken der Jungvermählten mit einer Decke. Dieser Brauch wurde in Gegenwart der Elten und Verwandten geübt; sie geleiteten das Ehepaar in das Brautgemach und waren Zeugen dieses Vorgangs. Viele Rechtssprichwörter machen deutlich, daß dieser Brauch als eigentlicher Beginn der Ehe aufgefaßt wurde: ›Ist das Bett beschritten, ist das Recht erstritten‹, oder ›Ist die Decke über dem Kopf, so sind die Eheleute gleich reich‹. Schon im ›Sachsenspiegel‹ (I, 45,1) heißt es: »it wif trit in des mannes recht, swenne si in sin bede gat«.
Aber nicht nur Eheleute schliefen unter einer Decke; die höfischen Ritterepen erzählen oft, daß die Helden zu zweien schliefen, zumal wenn eine größere Schar zu Besuch auf einem Herrensitz eintraf. Der ursprüngliche Sinn der Redensart ist also zunächst: verheiratet sein, dann: im Einverständnis miteinander leben.
Ähnlich im Französisch.: ›être de mèche avec quelqu'un‹ (mèche = altfranzösisch Hälfte): ein Geheimnis mit jemand teilen. Vgl. Lehmann 328 (Gleichheit 50): »Die sich miteinander vergleichen können, die schlagen einander den ballen zu. Sie seynd in eine Schul gangen, sie tragen Wasser an einer Stangen, sie liegen miteinander unter einer Deck«. Andreas Gryphius gebraucht die Wendung »Mit dem Düwel under einer decken liggen«, gemeinsame Sache mit ihm machen.
Abweichend thüringisch unter die Decke bringen: durchbringen, vergeuden. Bei dieser Redensart handelt es sich um die Raumdecke bzw. das Dach, das bei Verschwendungssucht in Gefahr gerät, abgedeckt zu werden, ⇨ Dach.
An die Decke gehen, Unter der Decke hängen: sehr zornig sein; junge Redensarten (20. Jahrhundert), wohl gebildet aus ›Hoch gehen‹, ›In die Luft gehen‹, ⇨ Luft; vgl. französisch ›sauter au plafond‹. Dagegen: Vor Freude an die Decke springen: sich unbändig freuen (seit etwa 1850 bekannt). Will jemand andeuten, daß er es in seinem Zimmer nicht mehr aushält, sagt er: Die Decke fällt mir auf den Kopf.
• J. GRIMM: Deutsche Rechtsaltertümer (Leipzig, 4. Auflage 1899), Band I, S. 609, 620; K. WEINHOLD: Die deutschen Frauen in dem Mittelalter (Wien 1882), S. 268.}
Unter einer Decke stecken. Einsegnung des Ehebettes, Deutscher Holzschnitt aus dem 15. Jahrhundert, aus: E. Fuchs: Illustrierte Sittengeschichte. Renaissance, München 1909, S. 189.
daz borgen und das gelten
diu brachten lîhte ein schelten:
dâ von wil ich mich strecken
als ich mich kan bedecken.
⇨ Borg, borgen. Sie begegnet auch in der Zimmerischen Chronik (IV, 67). Zu dem Holzschnitt aus Thomas Murners ›Narrenbeschwörung‹ gehören die Worte:
Des nym war vnd acht der decken,
Das du dich wißst darnach zu strecken.
Es stundt gar kalt in dynem huß,
Streckstu die füß zur decken vß.
Goethe weiß in ›Sprichwörtlich‹ (um 1812) noch um den ursprünglichen Bildsinn der Redensart:
Wer sich nicht nach der Decke streckt,
Dem bleiben die Füße unbedeckt.
Noch Bismarck verwendet sie: »Die preußische Regierung ist dann also in der Lage, sich nach der Decke strecken zu müssen, die Sie ihr zuschneiden«.
In dem Märchen ›Der Riese und der Schneider‹ der Gebrüder Grimm (Kinder-und Hausmärchen der Brüder Grimm 183) begegnet die Wendung dagegen im Sinne von: man muß nehmen, was kommt.
Die Redensart Mit jemand unter einer Decke stecken: im (geheimen) Einverständnis mit ihm sein, ist schon bei Petronius (Anf. d. 1. Jahrhundert n. Chr.) in ›Satyricon‹ (1. Kapitel) erwähnt.
Zu einer rechtmäßigen Eheschließung gehörte im Mittelalter das Zudecken der Jungvermählten mit einer Decke. Dieser Brauch wurde in Gegenwart der Elten und Verwandten geübt; sie geleiteten das Ehepaar in das Brautgemach und waren Zeugen dieses Vorgangs. Viele Rechtssprichwörter machen deutlich, daß dieser Brauch als eigentlicher Beginn der Ehe aufgefaßt wurde: ›Ist das Bett beschritten, ist das Recht erstritten‹, oder ›Ist die Decke über dem Kopf, so sind die Eheleute gleich reich‹. Schon im ›Sachsenspiegel‹ (I, 45,1) heißt es: »it wif trit in des mannes recht, swenne si in sin bede gat«.
Aber nicht nur Eheleute schliefen unter einer Decke; die höfischen Ritterepen erzählen oft, daß die Helden zu zweien schliefen, zumal wenn eine größere Schar zu Besuch auf einem Herrensitz eintraf. Der ursprüngliche Sinn der Redensart ist also zunächst: verheiratet sein, dann: im Einverständnis miteinander leben.
Ähnlich im Französisch.: ›être de mèche avec quelqu'un‹ (mèche = altfranzösisch Hälfte): ein Geheimnis mit jemand teilen. Vgl. Lehmann 328 (Gleichheit 50): »Die sich miteinander vergleichen können, die schlagen einander den ballen zu. Sie seynd in eine Schul gangen, sie tragen Wasser an einer Stangen, sie liegen miteinander unter einer Deck«. Andreas Gryphius gebraucht die Wendung »Mit dem Düwel under einer decken liggen«, gemeinsame Sache mit ihm machen.
Abweichend thüringisch unter die Decke bringen: durchbringen, vergeuden. Bei dieser Redensart handelt es sich um die Raumdecke bzw. das Dach, das bei Verschwendungssucht in Gefahr gerät, abgedeckt zu werden, ⇨ Dach.
An die Decke gehen, Unter der Decke hängen: sehr zornig sein; junge Redensarten (20. Jahrhundert), wohl gebildet aus ›Hoch gehen‹, ›In die Luft gehen‹, ⇨ Luft; vgl. französisch ›sauter au plafond‹. Dagegen: Vor Freude an die Decke springen: sich unbändig freuen (seit etwa 1850 bekannt). Will jemand andeuten, daß er es in seinem Zimmer nicht mehr aushält, sagt er: Die Decke fällt mir auf den Kopf.
• J. GRIMM: Deutsche Rechtsaltertümer (Leipzig, 4. Auflage 1899), Band I, S. 609, 620; K. WEINHOLD: Die deutschen Frauen in dem Mittelalter (Wien 1882), S. 268.}
Unter einer Decke stecken. Einsegnung des Ehebettes, Deutscher Holzschnitt aus dem 15. Jahrhundert, aus: E. Fuchs: Illustrierte Sittengeschichte. Renaissance, München 1909, S. 189.