Redensarten Lexikon
Cogito
Cogito, ergo sum: ›Indem ich denke, bin ich‹. Das erste Prinzip der Philosophie des Descartes (1596-1650) ist zum wahrscheinlich berühmtesten philosophischen Zitat überhaupt geworden. Mit seinem ›Je pense, donc je suis‹ schuf Descartes die Voraussetzungen für die Wissenschaften der Moderne. ›Cogitare‹ (aus con-agere) steht bei Descartes für jede bewußte Tätigkeit und umfaßt nicht nur logisches Denken, sondern auch Fühlen, Urteilsvermögen, die Wahrnehmungen, Furcht und Hoffnung.    In einem bewußten Spiel mit der Sprache ist das Strukturmodell des Zitats immer wieder verfremdet worden und in den Bereich des Anonymen, Sprichwörtlichen und Redensartlichen abgesunken. Die Neigung zum Widerspruch gegen alles Viel-Zitierte verrät einfache Verkehrungen ins Gegenteil: ›Ich denke, also bin ich nicht‹; ›Ich denke nichts, also bin ich‹. Verstellung oder Umkehr der Worte führen zum Anti- Zitat: ›Ich bin, also denke ich‹.
   Anstelle des Verbums ›denken‹ läßt sich auch fast jedes beliebige andere Tätigkeitswort in die Zitatstruktur einfügen: ›Ich liebe (arbeite, sterbe, kämpfe, träume, bin krank), also bin ich‹. Andere Erweiterungen oder Entstellungen sind: ›Ich werde gewesen sein, also bin ich‹; ›Ich zweifle, also glaube ich‹.
   Bei Verfremdungen des Originaltextes wird die lateinische Sprache oftmals bewußt korrumpiert. ›Cogito, ergo consum‹, ›Cogito, ergo Summa summarum‹, ›Coito, ergo sum‹. Auch Zitatparodien in einer deutsch-lateinischen Mischsprache sind dabei entstanden: ›Cogito, ergo inkognito‹, ›Coito, ergo bums‹, ›Cogito, ergo summe ich, sagte die Biene ...‹ . Ähnlich schon: ›Ich summe, also bien ich‹. ›Cogito, ergo leaso‹ wurde als Werbespruch einer Leasing-Firma benutzt.
   Aus der Szene der Wandbeschmierer stammen die folgenden Graffitti: ›Ich sprühe, also bin ich‹, ›Ich denke, also verschwind' ich‹. Stets bleibt die einfache Struktur des Zitats erhalten, auch wenn der Text als ›zu tief gesunkenes Kulturgut‹ ins Skatologische oder Obszöne abgleitet: ›Ich scheiße, also bin ich‹, ›Ich uriniere, also pisse ich‹, ›Ich wichse, also spritz' ich‹.
   Z.T. entstehen aber auch witzige neue Sinngebungen. K. Harpprecht erläuterte die Bedeutung des Autos für die amerikanische Lebensphilosophie mit der reduzierten Devise ›Ich fahre, also bin ich‹.
   Schon 1958 war der Satz des Descartes als verbildlichter Computerwitz im Umlauf. In einer Karikatur stehen zwei Angestellte vor einem riesigen Computer und einer der beiden stellt ganz überrascht fest: »Ich werd' verrückt. Das Ding sagt: ›Cogito, ergo sum‹.«
• G. und R. BEBERMEYER. Abgewandelte Formen sprachlicher Ausdrücke unserer Zeit, in: Muttersprache 87 (1977), S. 142; W. MIEDER: Sprichwort im modernen Sprachgebrauch, in: Ergebnisse d. Sprichwort-Forschung, hrsg. von W. Mieder (Bern 1978), S. 213-238; DERS.: »Ein Aphoristiker dreht oft das Sprichwort im Munde herum«, in: Sprachspiegel 37 (1981), S. 66-75; DERS.: »Cogito, ergo sum«. Zum Weiterleben eines berühmten Zitats, in: Der Sprachdienst 28 (1984), S. 161-167; DERS.: »Cogito, ergo sum«, in: Sprichwort, Redensart, Zitat. Tradierte Formelsprache in der Moderne, v. W. Mieder (Bern 1985), S. 163-173; U. ERCKENBRECHT: Maximen und Moritzimen (Göttingen 1991), S. 71 f.
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