Redensarten Lexikon
Brett
Das Brett bohren, wo es am dünnsten ist: sich eine Sache leicht machen; eine Sache da angreifen, wo sie am günstigsten zu bewältigen ist.    Die Redensart ist verwandt mit dem Sprichwort ›Faulheit bohrt nicht gern dicke Bretter‹; ähnlich sagt man auch: Der bohrt nicht gern hartes Holz: er macht sich nicht gern viel Mühe. Schon Luther sagt in den ›Tischreden‹: »man boret nicht gern durch dicke brete«; Sebastian Franck 1541: »Er bort nit gerne dicke Bretlin«. Bei Grimmelshausen heißt es im ›Simplicissimus‹ (II, 267): »Grobe Arbeiten zu verrichten, war mir ungelegen, weil ich nie gerne dicke Bretter geboret«; in Christoph Lehmanns ›Florilegium politicum oder Politischer Blumengarten‹ von 1639 (s. 40): »Wer sieben vor vngrad kan zehlen, der schneidt die Port am dünnsten Ort. Vnd läßt die grobe Port den Zimmermann bohren«; 1849 bei Justinus Kerner (›Bilderbuch aus meiner Knabenzeit‹, S. 102): »Ein fauler Geselle, der keine harten Bretter bohren will«.
   In ihrer heutigen umgangssprachlichen Form ist die Redensart seit Lessing belegt: »Bohre das Brett, wo es am dünnsten ist«. Ein ›Dünnbrettbohrer‹ ist umgangssprachlich ein Mensch, der sich die Arbeit gern erleichtert. Die Mundarten kennen die Redensart zum Teil noch in positiver Wendung; z.B. schwäbisch ›Brettle bohre‹, sich hart und ausdauernd anstrengen, intensiv arbeiten, ›Hartholz bohren‹, schwere Arbeit tun.
   Ein Brett vor dem Kopf haben: dumm, beschränkt, verbohrt, töricht, einfältig, engstirnig, begriffsstutzig sein. Die Redensart stammt aus der bäuerlichen Wirtschaft. Chr. Lehmann (›Schauplatz der natürlichen Merkwürdigkeiten‹ 652) schreibt 1699: »Stätige (d.h. störrische) Ochsen werden mit einem vor die Augen hangenden Brettlein geblendet«; vgl. obersächsisch ›mit dem Brete renn'n‹ dumm sein.
   Mit dem Brett ist auch das Joch der Ochsen gemeint. Die Annahme liegt nahe, dieses Brett beeinträchtige das Denken, zumal Ochse ohnehin das Schimpfwort für den Dummen ist. Das Gegenteil zeigt die Redensart Der sieht durch drei (sechs, zehn usw.) Bretter: er ist sehr klug, z.B. oldenburgisch ›He kan dör'n oken (eichen) Brett kücken‹; zum Teil aber mit dem einschränkenden ironischen Zusatz: ›wenn ein Loch darin ist‹.
   Bretter schneiden: schnarchen; die Wendung knüpft an das Geräusch der Brettsäge an ( Ast).
   Hier ist die Welt mit Brettern vernagelt: es geht nicht mehr weiter, wenn man vor einem großen Hindernis steht; hier ist das Ende. Die Wendung geht auf eine Lügengeschichte zurück: Johannes Olorinus Variscus erzählt in seiner ›Ethnographia Mundi‹ 1608 unter anderen Lügengeschichten, jemand sei bis ans Ende der Welt gekommen und habe sie dort mit Brettern ›unterschlagen‹ gefunden. Eine Weiterentwicklung dieser Wendung ist der Ausdruck ›Vernagelt sein‹ ( Nagel).
   Auf dem Brett liegen: tot sein; Aufs Brett kommen; Brettl rutschen: ins Grab hinabgelassen werden (früher nur in einem Tuch, ohne Sarg); In die Bretter gehen: sterben.
   Diese Wendungen sind von den ›Totenbrettern‹ zu verstehen, auf denen die Toten aufgebahrt wurden. »So er uf dem bret leit, so muz er gelten, swaz er sol«, heißt es schon 1406; vgl. die altbairische Redensart ›zum Brett bringen‹, zum Gehorsam bringen; elsässisch ›ufs Brett nemmen‹, töten. Z.T. ist mit den Brettern auch der Sarg gemeint, der umschreibend z.B. badisch ›die sechs Bretter‹ genannt wird; vgl. französisch ›être entre quatre planches‹ (wörtlich: zwischen vier Brettern liegen); zeitlich.
   Etwas auf einem Brett bezahlen: in einer Summe, auf einmal, bar bezahlen. Die Wendung geht zurück auf das ›Zahlbrett‹ und ist schon mittelhochdeutsch belegt: »Zellent drîzig unze ûf daz bret« (Konrad Fleck, ›Flore‹, V. 5073); die Redensart ist dann auch früh in übertragener Bedeutung angewandt worden und hat sich in den Mundarten erhalten, z.B. holsteinisch ›Ik mutt dat to Brett bringen‹, das Geld an die Kasse abliefern, und nordostdeutsch in ironischem Sinne ›Eck war di wat op't Brett legen‹, ich werde dir was husten.
   Ans Brett kommen; (hoch) am Brette sein: eine hohe Stellung erhalten bzw. einnehmen, Einen vom Brett schaffen: ihn aus seiner Stellung verdrängen. Diese frühneuhochdeutschen Redensarten beziehen sich noch auf mittelalterliche Bräuche: Brett ist hier = Tisch. Wenn bei mittelalterlichen Festen die Gäste so zahlreich erschienen, daß man sie zur Mahlzeit im Burgsaale nicht unterbringen konnte, so wurden im Freien Tische und Bänke, roh aus Brettern gezimmert, aufgeschlagen, und nach dem Range wurden den Gästen die Plätze angewiesen. Wer dabei die Ehrenplätze innehatte, von dem sagte man, er sitze ›hoch am Brette‹, alle aber waren wenigstens ›mit am Brette‹.
   Die Wendung wirkte noch lange nach. In Murners ›Narrenbeschwörung‹ ist das 26. Kapitel überschrieben: »an das bret kumen«; darin heißt es:

   Ist es, als ich hab vernummen,
   das die stül auf die Bänk sin kummen,
   so will ich unverzweiflet han,
   ich kumm ans bret mit andern an.
   Wer ans bret nit kummen kan,
   der ist nit ein geschickter Mann.
   Dich hilft kein frumbkeit noch kein Bet (Bitte),
   man kumpt mit schalkheit zu dem Bret.

Bei Murner heißt es auch: ›mit brangen oben an dem bret‹, d.h. bei Tisch oben sitzen, den Ehrenplatz einnehmen; vgl. auch Johannes Agricola in seinen ›Sprichwörtern‹ (Nr. 419): »Er ist nahe am brett, er ist hoch am brett. Das ist, er ist lieb und werdt gehalten, Wir sagen auch, Er sitzt oben am brett, das ist, hoch erhaben, Er ist zu hohen wirden vnd regiment komen«. In Sebastian Brants ›Narrenschiff‹ (72,19) steht die Redensart Niemanden zu Brette kommen lassen: »Die wüst rott hatt wißheyt vertrungen Vnd laßt sie nyeman zu dem brett«. Niedriges Volk darf überhaupt nicht mit am Tische sitzen; vgl. Lehmanns Erklärung: »Was auff der Banck gemacht ist, das tracht ans Brett«.
   Im Gegensatz zu diesem langen Tisch oder Brett steht die runde Tafel oder Tafelrunde des Königs Artus (›table ronde‹), an der alles gleich im Range sitzt, damit sich keiner zurückgesetzt zu fühlen brauchte. Vgl. in der Gegenwart der allenthalben eingerichtete ›runde Tisch‹.
   Heute sind diese Redensarten praktisch ausgestorben, doch finden sie sich gelegentlich noch in der Literatur, z.B. »Einem Beschirmer des Landes zu folgen, den man gleich selbst ans Brett gehoben hätte« (Lohenstein), und noch Goethe: » ... war selber nicht so hoch am Brett« (›Ewiger Jude‹). Ähnlich sagte Bismarck von einer Gesetzesvorlage: »Wenn Sie uns durch eine ganz bestimmte Weigerung nötigen, sie einstweilen vom Brette abzuschieben«. In den niederdeutschen Redensarten ›He schall vör't Brett‹, er soll vor Gericht, und ›Ik will em wull vör't Brett kriegen‹, zur Rechenschaft ziehen, bedeutet Brett den Gerichtstisch; vgl. sächsisch ›vorm heißen Brett stehen‹, sich als Angeklagter verteidigen müssen.
   Bei jemandem einen Stein im Brett haben. Die Redensart stammt vom Brettspiel ( Stein). Desgleichen die junge Redensart Nicht alle auf dem Brett haben: nicht ganz bei Verstand sein. Wer beim Brettspiel nicht alle Figuren im Brett hat, ist dem Gegner unterlegen.
   Ans schwarze Brett kommen: in ungünstigen Ruf kommen. Das ›schwarze Brett‹ war zunächst die Tafel, an der in Wirtshäusern angekreidet wurde, was der einzelne Gast zu zahlen hatte. Aber schon seit dem 17. Jahrhundert diente ein schwarzes Brett als Anschlagbrett für amtliche Bekanntmachungen, und zwar zuerst in den Universitäten.
   Über die Bretter gehen: gespielt werden, z.B. ›Das Stück ging 50mal über die Bretter‹, ›Die Bretter‹ als Bezeichnung der Bühne des Theaters sind relativ jung; ursprünglich ist dabei an das Gerüst der wandernden Schauspielertruppen gedacht. Wir finden die Wendung dann bei Goethe (›Faust‹ I, Vorspiel auf dem Theater, V. 39): » ... die Pfosten sind, die Bretter aufgeschlagen« noch nicht als Redensart, aber doch schon in einem Zusammenhang, der die Bildung der Redensart begünstigt; vgl. französisch ›monter sur les planches‹. Schiller hat das Wort geprägt ›Die Bretter, die die Welt bedeuten‹. In Anlehnung daran hat O.J. Bierbaum die Kleinkunstbühne ›Brettl‹ genannt.
   Noch nicht auf den Brettern gestanden haben sagt man in gleicher Weise vom jungen Schauspieler wie auch vom noch nicht erfahrenen Skiläufer; vgl. französisch ›n'avoir pas encore été sur les planches‹. Mit dem ›Leben auf den Brettern‹ wird das Leben des Schauspielers wie des Skiläufers umschrieben.

• WANDER I, Spalte 462; RICHTER-WEISE, Nr. 27, S. 32 f.; BÜCHMANN; C. MÜLLER-FRAUREUTH: Die deutschen Lügendichtungen (Halle 1881, Neudruck 1965), S. 57; F. LÜERS: Über die Totenbretter in Bayern, in: Heimat und Volkstum 11 (1933), S. 3-40; R. WEHSE: Artikel ›Ende der Welt‹, in: Enzyklopädie des Märchens III, Spalte 1406-1409.}

Ein Brett vor dem Kopf haben. Zeichnung.
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Ansicht: Brett