Redensarten Lexikon
brennen
Es brennt: es eilt; hergeleitet von der Eile, die bei einer Feuersbrunst geboten ist.    Wo brennt 's denn? fragt man einen, der es so eilig hat wie die Feuerwehr, die zum Feuer eilt; vgl. schon in Wolframs ›Parzival‹ (647, 6f.):

   als du gâhest ûzem fiure
   gebâr mit rede und ouch mit siten.

Sich brennen: mit Schaden davonkommen, sich gröblich irren; gemeint ist wohl eigentlich das unüberlegte Anfassen eines heißen Gegenstandes (›heißes Eisen‹); vgl. französisch ›se brûler‹. Es brennt ihm unter den Nägeln (Fingern, Nähten): er hat es sehr eilig. Derber z.B. schleswig-holsteinisch ›Em brennt der Mors‹, er kann nicht still sitzen, er ist unruhig und ungeduldig. Ihm brennt der Boden unter den Füßen: er flieht eilig ( Boden).
   Sich weiß brennen: sich zu entschuldigen suchen. Diese heute ausgestorbene Wendung verdankt ihre Entstehung der Beobachtung, daß das ins Feuer geworfene Metall von seinen Schlacken gereinigt und schließlich weißglühend wird. Die äußere Wirksamkeit des Feuers wird in der Redensart auf das innere Leben übertragen, was auf alte religiöse Vorstellungen hindeutet. ›Weiß‹ galt und gilt als Farbsymbol für die Unschuld und Sündlosigkeit (vgl. ›Eine weiße Weste haben‹). Die Läuterung des Schuldigen erfolgt im Fegefeuer, das ihn rein (weiß) brennt. Luther verwendet die Redensart sehr oft, z.B.: »weil sich der geyst so hell und weiß bornet«, oder: »daher auch das sprichwort komt, so man von solchen entschuldigern spricht: ey wie weiß bornet er sich.« Bei Andreas Gryphius (1,293) findet man: »und siehst du nicht, dasz sie sich suchen weisz zu brennen?« Sehr bekannt ist die Wendung auch aus Heinrich von Kleists ›Prinz von Homburg‹ (III, 1):

   ... Eine Tat,
   Die weiß den Dey von Algier brennt ...

Das Meer ausbrennen wollen: eine törichte, unmögliche Arbeit verrichten. Doch kann Feuer durchaus ›einen See ausbrennen‹, wenn nämlich bei einem Brand sein Wasser nicht ausreicht, diesen zu löschen. In solchem Sinn gebraucht Th. Storm die Redensart, um die Wirkung der schwarzen Augen seiner Lisa im ›Pole Poppenspäler‹ anzudeuten.
   Nichts zu beißen und nichts zu brennen haben: sehr arm sein ( beißen). Kölnisch ›Dä kritt es jebrannt‹ er wird empfindlich gestraft; brandmarken. Einem das gebrannte Leid antun Leid. ›Der brennt dem Tag (auch dem lieben Gott) die Augen aus‹ sagt man obersächsisch von einem, der abends zu zeitig oder morgens zu lange Licht brennt; ähnlich schwäbisch ›ein Loch in den Tag brennen‹.
   Von sehr leidenschaftlichen Menschen (Zorn, Liebe) sagt man Er brennt wie Stroh oder Er brennt, man könnte eine Laterne mit ihm anzünden, und von einer nicht mehr ganz jungen Frau: Sie brennt wie eine alte Scheune oder ›Wenn alte Scheuern brennen, hilft kein Löschen‹. Diese Wendungen beziehen sich auf Liebe im fortgeschrittenen Alter. Vgl. lateinisch ›Lucernam accendere possis‹.
   Auf etwas brennen: begierig, ungeduldig, neugierig sein; vgl. französisch ›brûler de faire quelque chose‹. Auch zur Steigerung wird brennen benutzt, z.B. in der Wendung Etwas brennend nötig haben: sehr nötig haben. Nichts anbrennen lassen: auf kein Vergnügen verzichten, keine Gelegenheit verpassen.
   Sich die Finger nicht verbrennen: sich nicht um eine ›heiße‹ Sache kümmern – aus lauter Vorsicht oder aus böser Erfahrung, wie sie angedeutet wird in dem Sprichwort: ›Gebranntes Kind scheut das Feuer‹ (vgl. ›Struwwelpeter‹), Finger.
   Aber man kann dennoch Ein brennendes Interesse an einer Sache haben: auch wenn ›es nicht brennt‹, d.h. nicht eilt (französisch: ›Il n'y a pas le feu à la maison‹: es brennt nicht).
   Eine neuere Redensart ist auch: Im Brennpunkt stehen (englisch ›to be in the public eye‹), d.h. so wie ein Brennspiegel alle Strahlen auf einen Punkt bündelt, ist die Aufmerksamkeit vieler Menschen (vor allem der Medien) auf eine Person gerichtet, Feuer.

• H. FREUDENTHAL: Das Feuer im deutschen Glauben und Brauch (Berlin- Leipzig 1931); W. DANCKERT: Symbol, Metapher, Allegorie im Lied der Völker, Band I (Bonn-Bad Godesberg 1976), S. 233-265; J. LE GOFF: Die Geburt des Fegefeuers (Stuttgart 1984); L. RÖHRICH: Die Welt der alemannischen Sprichwörter in: Einheit in der Vielfalt, Festschrift für Peter Lang (Bern 1988), S. 434-457, besonders S. 441.
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