Redensarten Lexikon
brav
Schön brav sein: Mahnung an ein Kind, folgsam zu sein und sich still zu verhalten. (Französisch ›être sage comme une image‹).    Das Wort ›brav‹ galt in Deutschland über Jahrhunderte hinweg als Inbegriff bürgerlicher Tugenden schlechthin. Es ist etwa gleichzeitig mit dem schwedischen ›braf‹ aus dem französischen ›brave‹ entstanden und nach dem 30jährigen Krieg zu uns gekommen. Es fand zuerst Eingang in die Soldatensprache, wie aus einem Frühbeleg, einem Kriegslied von der stralsundischen Belagerung 1628 (gedr. 1630) hervorgeht. Darin heißt es:

   wiltu ein braffr soldate sei
   so such und schlag die feinde dein.
   (F.v. Soltau, Volkslieder [1836], 474).

Brav im Sinne von tüchtig, wacker, redlich, uneigennützig, das war die höchste Tugend nicht nur des Soldaten, sondern auch des guten Bürgers allgemein. So heißt es z.B. bei F. Schiller: »Der brave Mann denkt an sich selbst zuletzt« (›Wilhelm Tell‹, I, 1). Gottfried August Bürgers ›Lied vom braven Manne‹, zuerst im ›Göttinger Musenalmanach für 1778‹ erschienen, preist diese Mannestugend:

   Hoch klingt das Lied vom braven Mann.
Die letzten Worte von Gretchens Bruder Valentin in Goethes ›Faust‹ lauten:

   Ich gehe durch den Todesschlaf
   zu Gott ein als Soldat und brav.

Auch Goethes Verse aus seinem 1810 veröffentlichten Gedicht ›Rechenschaft‹:

   Nur die Lumpe sind bescheiden,
   Brave freuen sich der Tat

sind sprichwörtlich geworden.
   Später erhielt das Wort ›brav‹ auch die Bedeutung von ›gefügig‹ und wurde daher auch den Tieren als Merkmal beigegeben: ›das brave Pferd‹, süddeutsch: ›en bravs Rössel‹, von dem das Sprichwort behauptet: ›Ein braves Pferd stirbt in den Sielen‹.
   Auf Frauen bezogen erhielt ›brav‹ die Bedeutung von fügsam, anstellig und bescheiden und umschrieb damit die besonders im 19. Jahrhundert gewünschten und anerzogenen Tugenden. So heißt es bei Goethe: »Ihr habt ein Mädchen erwählet, Euch zu dienen im Haus und Euern Eltern, das brav ist«.
   Noch 1956 vertritt E.M. Remarque in seinem Roman ›Der schwarze Obelisk‹ die Meinung, » ... Otto solle heiraten, ein ›braves Mächen‹, das gut kocht, mit einer schönen Aussteuer ...«
   Dagegen die schon 1842 von J. Möser (9,122) gestellte Frage:
   »Dürfte ich wohl untertänigst fragen, was Sie durch ein braves Mädchen verstehen? Ich habe sonst gemeint, die Pferde würden nur brav genannt«.
   Daß die mit ›brav‹ verbundenen Eigenschaften zu Spöttereien Anlaß gaben, liegt auf der Hand. Sie fanden ihren Niederschlag in Ausdrücken wie ›Brävling‹, ›Bravkerl‹, ›Braver Narr‹ usw.
   Eine andere Art von Spott entwickelte sich nach dem 2. Weltkrieg als Gegenreaktion zu den altväterlichen Vorstellungen von brav. Zu dieser neuen Sicht trug vor allem auch der Roman ›Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk‹ (1921/23) von J. Hasek bei, der durch seine spätere Verfilmung einem breiten Publikum zugänglich gemacht wurde. Die darin enthaltene ironische Anschauung vom ›Braven Soldaten‹ und ›Braven Bürger‹ hat sich heute vor allem in intellektuellen Kreisen allgemein durchgesetzt.
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