Redensarten Lexikon
Bohnenlied
Das geht (noch) übers Bohnenlied, Das ist mir übers Bohnenlied: das ist unerhört und unglaublich, es übersteigt jedes erlaubte Maß; pfälzisch: ›Des geht iwers Bohnelied‹: das ist sehr ungehörig, derb, schamlos, ungewöhnlich. Die Redensart wird stets in mehr oder minder tadelndem Sinne gebraucht, auch im Schwäbischen: ›Das wäre über's Bonelied‹: über alle Begriffe. So bemerkt Herzog Christoph von Württemberg (1515-68) mißbilligend: »Dass nun solches Bächlein über die Pfaffenwies sollte geführt werden, ist über meinen Verstand und gewiß über das Bohnenlied«.
Das Bohnenlied wird zuerst in den Fastnachtsspielen des 15. Jahrhunderts erwähnt. Das älteste Zeugnis dafür, daß es in Deutschland ein Lied von der Bohne gab, bietet vielleicht Walther von der Vogelweide (17,29) in einem Verspaar:
waz êren hat frô Bône
daz ma sô von ir singen sol?
Es ist möglich, wenn auch keineswegs sicher, daß Walther hier schon auf die Bohnenlieder anspielt, für die wir die ersten Belege aus der Zeit um 1500 besitzen. Alle Strophen dieser Lieder schlossen mit der Zeile: »nu gang mir aus den Bohnen« = laß mich ungeschoren, was jetzt noch im Elsaß gebräuchlich ist im Sinne von: geh deiner Wege, mit einem solchen Narren will ich nichts zu tun haben.
Der Refrain bezieht sich auf den im 16. Jahrhundert üblichen Witz »Wenn die Bohnen blühen, gibt es viel Narren«, wovon auch verschiedene Sprichwörter zeugen, z.B. ›Die Bohnen blühen, die Narren ziehen‹. Vgl. niederländisch ›Als de boonen bloeijen, de zotten groeijen‹. Von rauschhafter, den Geist betäubender Bohnenblüte spricht auch das lateinische ›Cum fabis stultorum capita florent‹; französisch, ›Les fèves sont en fleur, les fous sont en vigeur‹. Von dem genannten Kehrreim hat das Bohnenlied seinen Namen erhalten. Es schilderte in mehreren Strophen alle möglichen Torheiten und Albernheiten der Menschen; seine Grundstimmung war auf die Fastnachtszeit hin gerichtet. Überstieg eine Dummheit das im Bohnenlied gegeißelte Maß noch, so sagte man: ›Das geht noch übers Bohnenlied‹. schon in einem Luzerner Neujahrsschauspiel aus der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts heißt es:
diser sach bin ich fast müed,
es ist mir über's bonenlied.
Schon damals bezeichnete das Bohnenlied etwas Veraltetes, Abgeleiertes und Abgeschmacktes. Dieser Begriff der Geringschätzung konnte um so leichter auf das Lied übergehen, weil die Bohne schon seit alter Zeit das Bild des Nichtigen und Wertlosen war (⇨ Bohne).
Als Spottlied ist das Bohnenlied auch in Anshelms ›Berner Chronik‹ bezeugt. Danach wurden 1522 zu Bern zwei Fastnachtsspiele des dortigen berühmten Dichters und Malers Nik. Manuel öffentlich aufgeführt: »Hiezwischen uff der Eschen Mitwuchen ward der römische Ablass mit dem Bohnenlied durch alle Gassen getragen und verspottet«. Aller Wahrscheinlichkeit nach handelt es sich um einen Chorgesang, der bei dieser Prozession zum besten gegeben wurde.
Der Text des Berner Bohnenliedes, das buchstäblich Epoche machte, ist nicht überliefert, der Verfasser unbekannt. Nur von der folgenreichen Wirkung her kann man auf den beißend-satirischen Inhalt der Verse schließen, die ihren Zweck, die Beförderung der Reformation, vollauf erreichten.
Jahrhunderte später griff Jeremias Gotthelf die alte Redensart literarisch auf, um die Volksmeinung über ein unglaubliches Ereignis wiederzugeben: die bevorstehende Heirat eines nur das Seine suchenden, hochmütigen Juristen mit einem erklärtermaßen armen, nicht mehr jungen Mädchen »gehe über das Bohnenlied, entweder sei er ein Narr oder hineingesprengt worden« (›Der Notar in der Falle‹).
Auch Uhland benutzte 1859 die Wendung in einem seiner Gedichte:
Ihr fordert, daß ich Lieder singe,
Mit Deutschlands Barden Glied an Glied?
Der Anblick unsrer deutschen Dinge,
Der geht mir übers Bohnenlied.
Der Text des Bohnenliedes ist gedruckt bei F.M. Böhme, Altdeutsches Liederbuch (Leipzig 1877), S. 435, Nr. 361; die erste Strophe lautet:
Wer lützel bhalt und vil vertut,
der darf nit ston in sorgen,
Das man im Letzt vergant sein gut,
Kein Jud tut im drauf borgen.
Wer nütze ding wil achten ring,
sein selbs nit wil verschonen,
dem sagt man bald, e daß er alt:
nu gang mir aus den bonen!
Von der Melodie sei wenigstens der Refrain gegeben:
Die Redensart ›Das geht übers Bohnenlied‹ war zunächst in Südwestdeutschland heimisch und hat sich von dort allmählich über das ganze deutsche Sprachgebiet verbreitet; auch im Sinne von über alles Maß des Erträglichen und Anständigen hinausgehend noch heute, besonders in der Schweiz bezeugt. ›Das geit über das Bohnelied‹: das ist zuviel. ›Er ist öbers Bohnalied gganga‹: er hat sich verstiegen, die Schranken durchbrochen; doch auch die Verneinung ist belegt: Nie übers Bohnenlied hinauskommen: nüchtern sein und bleiben. Im 16. Jahrhundert findet sich: neben das Bohnenlied treten: sich mit ihm auf gleichem geistigen Niveau bewegen, übertriebene Behauptungen aufstellen, unwahre Angaben machen.
Eine jüngere veränderte Redewendung ist Jemandem das Bohnenlied singen: ihm den Laufpaß geben, ihm sagen, daß er nicht mehr erwünscht ist; oder sein nahe bevorstehendes Ende prophezeien.
• WANDER I, Spalte 427; A. KOPP: Bohnenlieder, in: Zeitschrift des Vereins für Volkskunde 27 (1917), S. 35-49; A. HAUSER: Auf der Suche nach dem Bohnenlied, in: Neue Zürcher Zeitung v. 9./10. 5. 1981, Nr. 106, Beil. Literatur und Kunst.
Das Bohnenlied wird zuerst in den Fastnachtsspielen des 15. Jahrhunderts erwähnt. Das älteste Zeugnis dafür, daß es in Deutschland ein Lied von der Bohne gab, bietet vielleicht Walther von der Vogelweide (17,29) in einem Verspaar:
waz êren hat frô Bône
daz ma sô von ir singen sol?
Es ist möglich, wenn auch keineswegs sicher, daß Walther hier schon auf die Bohnenlieder anspielt, für die wir die ersten Belege aus der Zeit um 1500 besitzen. Alle Strophen dieser Lieder schlossen mit der Zeile: »nu gang mir aus den Bohnen« = laß mich ungeschoren, was jetzt noch im Elsaß gebräuchlich ist im Sinne von: geh deiner Wege, mit einem solchen Narren will ich nichts zu tun haben.
Der Refrain bezieht sich auf den im 16. Jahrhundert üblichen Witz »Wenn die Bohnen blühen, gibt es viel Narren«, wovon auch verschiedene Sprichwörter zeugen, z.B. ›Die Bohnen blühen, die Narren ziehen‹. Vgl. niederländisch ›Als de boonen bloeijen, de zotten groeijen‹. Von rauschhafter, den Geist betäubender Bohnenblüte spricht auch das lateinische ›Cum fabis stultorum capita florent‹; französisch, ›Les fèves sont en fleur, les fous sont en vigeur‹. Von dem genannten Kehrreim hat das Bohnenlied seinen Namen erhalten. Es schilderte in mehreren Strophen alle möglichen Torheiten und Albernheiten der Menschen; seine Grundstimmung war auf die Fastnachtszeit hin gerichtet. Überstieg eine Dummheit das im Bohnenlied gegeißelte Maß noch, so sagte man: ›Das geht noch übers Bohnenlied‹. schon in einem Luzerner Neujahrsschauspiel aus der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts heißt es:
diser sach bin ich fast müed,
es ist mir über's bonenlied.
Schon damals bezeichnete das Bohnenlied etwas Veraltetes, Abgeleiertes und Abgeschmacktes. Dieser Begriff der Geringschätzung konnte um so leichter auf das Lied übergehen, weil die Bohne schon seit alter Zeit das Bild des Nichtigen und Wertlosen war (⇨ Bohne).
Als Spottlied ist das Bohnenlied auch in Anshelms ›Berner Chronik‹ bezeugt. Danach wurden 1522 zu Bern zwei Fastnachtsspiele des dortigen berühmten Dichters und Malers Nik. Manuel öffentlich aufgeführt: »Hiezwischen uff der Eschen Mitwuchen ward der römische Ablass mit dem Bohnenlied durch alle Gassen getragen und verspottet«. Aller Wahrscheinlichkeit nach handelt es sich um einen Chorgesang, der bei dieser Prozession zum besten gegeben wurde.
Der Text des Berner Bohnenliedes, das buchstäblich Epoche machte, ist nicht überliefert, der Verfasser unbekannt. Nur von der folgenreichen Wirkung her kann man auf den beißend-satirischen Inhalt der Verse schließen, die ihren Zweck, die Beförderung der Reformation, vollauf erreichten.
Jahrhunderte später griff Jeremias Gotthelf die alte Redensart literarisch auf, um die Volksmeinung über ein unglaubliches Ereignis wiederzugeben: die bevorstehende Heirat eines nur das Seine suchenden, hochmütigen Juristen mit einem erklärtermaßen armen, nicht mehr jungen Mädchen »gehe über das Bohnenlied, entweder sei er ein Narr oder hineingesprengt worden« (›Der Notar in der Falle‹).
Auch Uhland benutzte 1859 die Wendung in einem seiner Gedichte:
Ihr fordert, daß ich Lieder singe,
Mit Deutschlands Barden Glied an Glied?
Der Anblick unsrer deutschen Dinge,
Der geht mir übers Bohnenlied.
Der Text des Bohnenliedes ist gedruckt bei F.M. Böhme, Altdeutsches Liederbuch (Leipzig 1877), S. 435, Nr. 361; die erste Strophe lautet:
Wer lützel bhalt und vil vertut,
der darf nit ston in sorgen,
Das man im Letzt vergant sein gut,
Kein Jud tut im drauf borgen.
Wer nütze ding wil achten ring,
sein selbs nit wil verschonen,
dem sagt man bald, e daß er alt:
nu gang mir aus den bonen!
Von der Melodie sei wenigstens der Refrain gegeben:
Die Redensart ›Das geht übers Bohnenlied‹ war zunächst in Südwestdeutschland heimisch und hat sich von dort allmählich über das ganze deutsche Sprachgebiet verbreitet; auch im Sinne von über alles Maß des Erträglichen und Anständigen hinausgehend noch heute, besonders in der Schweiz bezeugt. ›Das geit über das Bohnelied‹: das ist zuviel. ›Er ist öbers Bohnalied gganga‹: er hat sich verstiegen, die Schranken durchbrochen; doch auch die Verneinung ist belegt: Nie übers Bohnenlied hinauskommen: nüchtern sein und bleiben. Im 16. Jahrhundert findet sich: neben das Bohnenlied treten: sich mit ihm auf gleichem geistigen Niveau bewegen, übertriebene Behauptungen aufstellen, unwahre Angaben machen.
Eine jüngere veränderte Redewendung ist Jemandem das Bohnenlied singen: ihm den Laufpaß geben, ihm sagen, daß er nicht mehr erwünscht ist; oder sein nahe bevorstehendes Ende prophezeien.
• WANDER I, Spalte 427; A. KOPP: Bohnenlieder, in: Zeitschrift des Vereins für Volkskunde 27 (1917), S. 35-49; A. HAUSER: Auf der Suche nach dem Bohnenlied, in: Neue Zürcher Zeitung v. 9./10. 5. 1981, Nr. 106, Beil. Literatur und Kunst.