Redensarten Lexikon
Blaustrumpf
Die Redensart Ein Blaustrumpf sein besitzt im Deutschen verschiedene Bedeutungen, weil sie sich auf einen deutschen und einen englischen Spottnamen bezieht.    Im 17. und 18. Jahrhundert nannte man die deutschen Polizeidiener Blaustrumpf, weil sie farbige Strümpfe trugen. Von hier aus ergaben sich die älteren Bedeutung, wie ›Häscher‹, ›Verleumder‹, ›Angeber‹ und sogar ›Teufel‹, die die Mundartwörterbücher bei Blaustrumpf anführen. Durch Vermittlung von Leipziger und Hallischen Studenten drang dieser Spottname auch in das Schrifttum ein. Im Sinne von ›Angeber‹ verwendeten dieses Wort z.B. schon Christian Weise (›Böse Katharina‹, 1680) und Johann Christian Günther. In Hinblick auf die Frauen meinte das Schimpfwort besonders Klatschsüchtige, die sich unberufen um alles kümmerten. »Der höllische Blaustrumpf«, d.h. der › Teufel‹, wird von Schiller gebraucht (›Räuber‹, II, 3). Als Schimpfwort im Volksmunde ist Blaustrumpf bereits 1688 für Halle bezeugt, wo Lehrer und Schüler des Gymnasiums »Schelme und Blaustrümpfe« genannt worden waren, was öffentlich gerügt werden mußte (Hallescher Tageblatt [1887], Nr. 96, 1. Beil.). Mit der Redensart ›A is a rechter Blôstrumpf‹ meint man noch heute in Nürnberg einen Verräter.
   Unabhängig davon besteht seit 1797(Jenaer Allgemeine Literatur-Zeitung, Nr. 384 [1797]) in Deutschland die Bezeichnung Blaustrumpf für ein gelehrtes Frauenzimmer, eine Lehnübersetzung des englischen ›blue-stocking‹ (vgl. französisch ›bas-bleu‹; niederländisch ›blauwkous‹, dänisch ›blaastrompe‹, schwedisch ›blästrumpe‹). Aber auch das englische Wort galt ursprünglich nicht der Dame mit nur geistigen Interessen, die alles andere vernachlässigte, sondern wurde bereits 1653 für enge Parlamentsmitglieder gebraucht, die alle gleich gekleidet waren.
   Für die Verwendung von ›blue-stocking‹ als Spottname für die gebildeten Damen gibt es verschiedene Erklärungen: Diese hätten blaue Strümpfe tragen sollen, um den Schmutz zu verbergen, weil ihre federgeübten Finger nicht dazukommen konnten, die Strümpfe zu waschen (Wander I, Spalte 397). Nach Büchmann galt ›blue-stocking‹ zunächst nur der Kennzeichnung von Gesellschaften, deren Hauptzweck nicht Kartenspielen, sondern geistige Unterhaltung war. Der Gelehrte Benjamin Stillingfleet (1702-71), der dabei immer in blauen Kniestrümpfen erschien, tat sich bei diesen Gesprächen im Kreis der Damen Montagu, Vesey und Ord als glänzender Unterhalter besonders hervor. Wahrscheinlich veranlaßte dies den Admiral Edward Boscawen, Viscount of Falmouth
(1711-61), dazu, diese Versammlungen ›Blaustrumpf-Klub‹ zu nennen, um zu betonen, daß in ihnen nicht die Kleidung, sondern die geistige Begabung der Mitglieder geschätzt wurde.
   Die Aufzeichnungen der Tochter von Mrs. Montagu von 1816 enthalten noch eine andere Erklärung. Auf einer Abendgesellschaft ihrer Mutter sei Frau von Polignac als Gast aus Paris in blauseidenen Strümpfen erschienen. Alle weiblichen Mitglieder des Klubs hätten daraufhin die neueste Pariser Mode nachgeahmt. Sie trugen dann blaue Strümpfe als Erkennungszeichen. In Deutschland wurde der Begriff Blaustrumpf zur Verspottung der Frauen erst vom ›Jungen Deutschland‹ eingebürgert (Börne, Pariser Briefe 47).
   Die Wendung Kein Blaustrumpf sein wollen gilt bei gebildeten Mädchen und Damen heute noch zur Verteidigung und Selbstbehauptung. Trotz geistiger Interessen und wissenschaftlicher Berufe bemühen sie sich, dem alten Vorurteil und Vorwurf zu entgehen, ihre weiblichen Qualitäten dabei zu verlieren, indem sie beweisen, daß sich Weiblichkeit und Bildung gut vereinbaren lassen.

• RICHTER-WEISE, S. 26 f.; A. KOPP: ›Blaustrumpf‹, in: Zeitschrift für deutsche Wortforschung 1 (1901), S. 73-75; R. SPRENGER: ›Blaustrumpf‹, in: Zeitschrift für deutsche Wort-
forschung 1(1901, S. 366; F.A. STOETT: ›Blauwkous‹, in: Nederlandsche Spreekworden, Spreekwijzen, Uitdruckingen en Gezegden, Band I (Zutphen 4. Auflage 1923), S. 96
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