Redensarten Lexikon
blau
Die blaue Farbe hat im volkstümlichen Sprachgebrauch verschiedene Bedeutung, wobei blau als Symbol der Treue redensartlich merkwürdigerweise keine Rolle spielt. Blau ist zunächst einmal die Farbe der unbestimmten Ferne (die ›blaue Blume‹ der Romantik; das ›blaue Licht‹ in Schatzsagen und Märchen, z.B. Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm 116). Wenn man in die Ferne schaut, erscheint der Horizont bläulich, deshalb wird blau oft gebraucht, um etwas Entferntes oder Unbestimmtes zu bezeichnen: Ins Blaue hineinreden (oder handeln): ohne jeden Plan und jedes Ziel; vgl. den lateinischen Ausdruck für ein erfolgloses Bemühen: ›in cassum iactare tela‹ = die Geschosse ins Leere schießen. Die seit 1933 vielfach in der Werbung der Reisebüros gebrauchte Wendung Eine Fahrt ins Blaue machen: eine Ausflugsfahrt mit unbekanntem oder ungenanntem Ziel unternehmen, ist an sich älter. Schon Zelter schreibt am 8.9.1829 an Goethe: »weil ich den Tag noch nicht bestimmen kann und ins Blaue einfahre«. Der Ausdruck ›Fahrt ins Blaue‹ ist jedoch auch doppeldeutig und kann auf den reichlichen Alkoholgenuß am Ende des Ausflugs anspielen. In ähnlichem Sinn: Blaue Schlösser bauen (⇨ Luftschloß); Keine blaue Ahnung von etwas
haben (neben ›blasse Ahnung‹).
Blau ist sodann (vor allem in der älteren Sprache) die Farbe der Täuschung, Verstellung und Lüge. In den älteren bildlichen Darstellungen von Redensarten (so auch in Bruegels Redensartenbild, aber auch bei mehreren anderen flämischen Malern und Graphikern) steht im Mittelpunkt der alternde Mann, der von seiner jungen Frau ›Einen blauen Mantel umgehängt‹ bekommt, d.h. von ihr betrogen wird. Der niederländische Ausdruck ›de blauwe Huik‹ bezieht sich nicht nur auf den ungetreuen Ehemann, sondern weist allgemein schon auf Lüge, Verstellung, Betrug hin. Blaue Enten sind schon frühneuhochdeutsche Ausreden, Lügenmärchen. In der ›Zimmerischen Chronik‹ (Mitte des 16. Jahrhunderts) ist (III,99) sogar von »bloen argumenten« die Rede. In dieses Bedeutungsfeld von blau gehört an neueren Redensarten: Das Blaue vom Himmel herunterlügen (oder herunterreden); Einen blau anlaufen lassen: ihn betrügen; Jemanden anlügen, daß er blau wird; Sein blaues Wunder erleben (⇨ Wunder).
Na, so blau!: Für wie dumm hältst du mich eigentlich (Ausdruck des erstaunten Zweifels an der Wahrheit einer Erzählung); Blauen Dunst reden und Einem blauen Dunst vormachen; auch nur Einem Blaues vormachen: einen betrügen. Im selben Sinne verwendet die Redensart schon Abraham a Sancta Clara: »Du wirst zu Hof sehen lauter Mahler, aber nur solche, die einem was Blaues für die Augen mahlen«. In den Mundarten hat sich dieser ältere Sinnbereich von blau noch deutlicher erhalten. Im Elsaß lautet ein Reim: ›Enn blönn is nit z trönn‹, einem Blauen ist nicht zu trauen, und ›Einen blau machen‹ heißt dort: ihm etwas weismachen; rheinisch ›Du bruks mir ke blau Blömke fürtemake!‹; vgl. holländisch ›Dat zijn maar blauwe bloempjes‹, das sind nur blaue Blümchen. Auch in den romanischen Sprachen ist Blau die Farbe der Lügenrede (vgl. französisch ›contes bleus‹ Märchen).
Blau sein: betrunken sein. Diese neuere Redensart hängt wohl zusammen mit der schon wesentlich älteren Wendung Es wurde ihm blau vor den Augen (z.B. bei einer Ohnmacht oder eben im Rausch); vielleicht spielt die Redensart aber auch auf die blaue Nase des Trinkers an. Verstärkt hört man auch Blau wie eine Strandhaubitze oder Blau wie ein (März-)Veilchen: stark betrunken sein, ⇨ trinken. Der sprichwörtliche Vergleich beruht auf der scherzhaft-wortspielerischen Gleichsetzung der eigentlichen und der übertragenen Bedeutung von blau. Eine neuere Wendung ist die scherzhafte Feststellung: ›Blau ist keine Farbe, blau ist ein Zustand‹.
Jemanden grün und blau schlagen: ihn stark verprügeln. Bei diesem Ausdruck, den zuerst Ayrer in seinen Fastnachtsspielen 1618 bezeugt (»Sam hab man uns plob und grün geschlagen«), ist sicher an blutunterlaufene Flecken gedacht, die alle möglichen Farben annehmen können. Niederländisch sagt man ›blond en blow slaan‹; englisch ›black and blue‹. Dabei zeigt sich, daß blau zum festen Bestandteil dieser Zwillingsformeln gehört, während der andere Teil auswechselbar ist. Man kann sich auch Blau frieren und Blau (oder schwarz) ärgern.
Mit einem blauen Auge davonkommen}; vgl. französisch ›s'en tirer avec un œil au beurre noir‹ (wörtlich: mit einem in schwarzer Butter gekochten Auge davonkommen), (⇨ Auge).
Blau machen: nicht zur Arbeit gehen, ist gekürzt aus: Blauen Montag machen (⇨ Montag).
Ganz anders ist das Blaue Blut zu verstehen, das Adligen zugesprochen wird. Bei uns ist dieser Ausdruck etwa seit 1810 bekannt und wird meist scherzhaft gebraucht. Er stammt aus Spanien und ist eine Übersetzung des spanischen ›sangre azul‹, das aber durchaus ernst gebraucht wurde, und zwar deshalb, weil die Adligen in Spanien meist einer nördlicheren Rasse angehörten als die meisten Spanier und ihr Blut in den Adern deutlich durch die Haut schimmerte; vgl. französisch ›le sang bleu‹.
Vom blauen Affen gebissen sein (⇨ Affe).
Auch in anderen Wendungen und Ausdrücken spielt blau eine Rolle; es sei nur erinnert an: ›Blauer Heinrich‹, dicke Graupensuppe oder (neuer): Magermilch (nach dem Farbton der abgerahmten Milch); ›Blauer Brief‹, Mitteilung unangenehmen Inhalts, z.B. Entlassung, in der Schule: Versetzung zweifelhaft (von der blauen Farbe amtlicher Briefumschläge); ›Blauer Lappen‹, (früherer) Hundertmarkschein; ›Blaue Bohnen‹ (⇨ Bohne); ›Der Blaue‹, Schutzmann (nach den bis 1936 und nach 1945 üblichen blauen Uniformen der Polizeibeamten); ⇨ blümerant.
Die Redensarten Blau tragen und Es ist nur eine Blaue beziehen sich auf einen in manchen Orten üblichen Brauch: gefallene Mädchen durften keine weiße Schürze mehr tragen und mußten auch bei Prozessionen in einer blauen erscheinen. Die Feststellung ›Es ist nur eine Blaue‹ enthält deshalb Geringschätzung, denn kein anderes Mädchen wollte mit ihr gehen. Vgl. auch französisch ›les bleus‹ als Bezeichnung für die Rekruten bei der Kriegsmarine und allgemein bei der Armee. Das ›Blaue Schiff‹ ist ein Symbol im Karneval, ⇨ Schiff.
• H. SCHEWE: Artikel ›blau‹, in: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens I, Spalte 1366-1386; Richter-Weise, Nr. 21, S. 25-27; L. LEBEER: ›De blauwe Huyck‹, in: Gentsche Bijdragen tot de Kunstgeschiedenis, Band VI (Antwerpen 1939-40), S. 161-226; O. LAUFFER: Farbensymbolik im deutschen Volksbrauch (Hamburg 1948); W. KOCH: Farbnamen, in: Muttersprache (1959), S. 9-14; L. RÖHRICH: Sprichwörtliche Redensarten in bildlichen Zeugnissen, S. 67-79; M. DE MEYER: ›De Blauwe Huyck‹, in: Proverbium 16 (1971), S. 564-575; R.W. BREDNICH: Die holländisch-flämischen Sprichwortbilderbogen vom Typus ›De Blauwe Huyck‹, in: Miscellanea Prof. em. Dr. K.C. Peters (Antwerpen 1975); W. DANCKERT: Symbol, Metapher, Allegorie im Lied der Völker, Band I (Bonn – Bad Godesberg 1976), S. 430-439; K. MEISIG: ›Blaues Blut‹, in: Muttersprache 90 (1980), S. 181-184.
Den blauen Mantel umhängen. Detail aus dem Sprichwörterbild von P. Bruegel, 1559.
haben (neben ›blasse Ahnung‹).
Blau ist sodann (vor allem in der älteren Sprache) die Farbe der Täuschung, Verstellung und Lüge. In den älteren bildlichen Darstellungen von Redensarten (so auch in Bruegels Redensartenbild, aber auch bei mehreren anderen flämischen Malern und Graphikern) steht im Mittelpunkt der alternde Mann, der von seiner jungen Frau ›Einen blauen Mantel umgehängt‹ bekommt, d.h. von ihr betrogen wird. Der niederländische Ausdruck ›de blauwe Huik‹ bezieht sich nicht nur auf den ungetreuen Ehemann, sondern weist allgemein schon auf Lüge, Verstellung, Betrug hin. Blaue Enten sind schon frühneuhochdeutsche Ausreden, Lügenmärchen. In der ›Zimmerischen Chronik‹ (Mitte des 16. Jahrhunderts) ist (III,99) sogar von »bloen argumenten« die Rede. In dieses Bedeutungsfeld von blau gehört an neueren Redensarten: Das Blaue vom Himmel herunterlügen (oder herunterreden); Einen blau anlaufen lassen: ihn betrügen; Jemanden anlügen, daß er blau wird; Sein blaues Wunder erleben (⇨ Wunder).
Na, so blau!: Für wie dumm hältst du mich eigentlich (Ausdruck des erstaunten Zweifels an der Wahrheit einer Erzählung); Blauen Dunst reden und Einem blauen Dunst vormachen; auch nur Einem Blaues vormachen: einen betrügen. Im selben Sinne verwendet die Redensart schon Abraham a Sancta Clara: »Du wirst zu Hof sehen lauter Mahler, aber nur solche, die einem was Blaues für die Augen mahlen«. In den Mundarten hat sich dieser ältere Sinnbereich von blau noch deutlicher erhalten. Im Elsaß lautet ein Reim: ›Enn blönn is nit z trönn‹, einem Blauen ist nicht zu trauen, und ›Einen blau machen‹ heißt dort: ihm etwas weismachen; rheinisch ›Du bruks mir ke blau Blömke fürtemake!‹; vgl. holländisch ›Dat zijn maar blauwe bloempjes‹, das sind nur blaue Blümchen. Auch in den romanischen Sprachen ist Blau die Farbe der Lügenrede (vgl. französisch ›contes bleus‹ Märchen).
Blau sein: betrunken sein. Diese neuere Redensart hängt wohl zusammen mit der schon wesentlich älteren Wendung Es wurde ihm blau vor den Augen (z.B. bei einer Ohnmacht oder eben im Rausch); vielleicht spielt die Redensart aber auch auf die blaue Nase des Trinkers an. Verstärkt hört man auch Blau wie eine Strandhaubitze oder Blau wie ein (März-)Veilchen: stark betrunken sein, ⇨ trinken. Der sprichwörtliche Vergleich beruht auf der scherzhaft-wortspielerischen Gleichsetzung der eigentlichen und der übertragenen Bedeutung von blau. Eine neuere Wendung ist die scherzhafte Feststellung: ›Blau ist keine Farbe, blau ist ein Zustand‹.
Jemanden grün und blau schlagen: ihn stark verprügeln. Bei diesem Ausdruck, den zuerst Ayrer in seinen Fastnachtsspielen 1618 bezeugt (»Sam hab man uns plob und grün geschlagen«), ist sicher an blutunterlaufene Flecken gedacht, die alle möglichen Farben annehmen können. Niederländisch sagt man ›blond en blow slaan‹; englisch ›black and blue‹. Dabei zeigt sich, daß blau zum festen Bestandteil dieser Zwillingsformeln gehört, während der andere Teil auswechselbar ist. Man kann sich auch Blau frieren und Blau (oder schwarz) ärgern.
Mit einem blauen Auge davonkommen}; vgl. französisch ›s'en tirer avec un œil au beurre noir‹ (wörtlich: mit einem in schwarzer Butter gekochten Auge davonkommen), (⇨ Auge).
Blau machen: nicht zur Arbeit gehen, ist gekürzt aus: Blauen Montag machen (⇨ Montag).
Ganz anders ist das Blaue Blut zu verstehen, das Adligen zugesprochen wird. Bei uns ist dieser Ausdruck etwa seit 1810 bekannt und wird meist scherzhaft gebraucht. Er stammt aus Spanien und ist eine Übersetzung des spanischen ›sangre azul‹, das aber durchaus ernst gebraucht wurde, und zwar deshalb, weil die Adligen in Spanien meist einer nördlicheren Rasse angehörten als die meisten Spanier und ihr Blut in den Adern deutlich durch die Haut schimmerte; vgl. französisch ›le sang bleu‹.
Vom blauen Affen gebissen sein (⇨ Affe).
Auch in anderen Wendungen und Ausdrücken spielt blau eine Rolle; es sei nur erinnert an: ›Blauer Heinrich‹, dicke Graupensuppe oder (neuer): Magermilch (nach dem Farbton der abgerahmten Milch); ›Blauer Brief‹, Mitteilung unangenehmen Inhalts, z.B. Entlassung, in der Schule: Versetzung zweifelhaft (von der blauen Farbe amtlicher Briefumschläge); ›Blauer Lappen‹, (früherer) Hundertmarkschein; ›Blaue Bohnen‹ (⇨ Bohne); ›Der Blaue‹, Schutzmann (nach den bis 1936 und nach 1945 üblichen blauen Uniformen der Polizeibeamten); ⇨ blümerant.
Die Redensarten Blau tragen und Es ist nur eine Blaue beziehen sich auf einen in manchen Orten üblichen Brauch: gefallene Mädchen durften keine weiße Schürze mehr tragen und mußten auch bei Prozessionen in einer blauen erscheinen. Die Feststellung ›Es ist nur eine Blaue‹ enthält deshalb Geringschätzung, denn kein anderes Mädchen wollte mit ihr gehen. Vgl. auch französisch ›les bleus‹ als Bezeichnung für die Rekruten bei der Kriegsmarine und allgemein bei der Armee. Das ›Blaue Schiff‹ ist ein Symbol im Karneval, ⇨ Schiff.
• H. SCHEWE: Artikel ›blau‹, in: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens I, Spalte 1366-1386; Richter-Weise, Nr. 21, S. 25-27; L. LEBEER: ›De blauwe Huyck‹, in: Gentsche Bijdragen tot de Kunstgeschiedenis, Band VI (Antwerpen 1939-40), S. 161-226; O. LAUFFER: Farbensymbolik im deutschen Volksbrauch (Hamburg 1948); W. KOCH: Farbnamen, in: Muttersprache (1959), S. 9-14; L. RÖHRICH: Sprichwörtliche Redensarten in bildlichen Zeugnissen, S. 67-79; M. DE MEYER: ›De Blauwe Huyck‹, in: Proverbium 16 (1971), S. 564-575; R.W. BREDNICH: Die holländisch-flämischen Sprichwortbilderbogen vom Typus ›De Blauwe Huyck‹, in: Miscellanea Prof. em. Dr. K.C. Peters (Antwerpen 1975); W. DANCKERT: Symbol, Metapher, Allegorie im Lied der Völker, Band I (Bonn – Bad Godesberg 1976), S. 430-439; K. MEISIG: ›Blaues Blut‹, in: Muttersprache 90 (1980), S. 181-184.
Den blauen Mantel umhängen. Detail aus dem Sprichwörterbild von P. Bruegel, 1559.