Redensarten Lexikon
Bilwis
Der Bilwis hat ihn geschossen: er ist krank, geistesgestört. Diese Redensart bezieht sich auf eine Sagengestalt. Der Bilwis galt in seiner frühesten Form vor der christlichen Umdeutung im 14. Jahrhundert als menschenfeindlicher Naturdämon, der durch seine Geschosse Krankheiten verbreitete (⇨ Hexenschuß). Den ältesten Beleg für Bilwis gibt Wolfram von Eschenbach in seinem ›Willehalm‹ (324,6):
si wolten, daz kein pilwiz
si dâ schüzze durh diu knie.
Von dem weitverbreiteten Glauben, daß plötzlich auftretende Schmerzen und Krankheiten durch Dämonen erregt werden, die mit ihren Geschossen (Pfeilen) auf die Menschen schießen, berichtet auch der Cod. Vindob. (2817):
dâ kom ich an bulwechsperg gangen,
dâ schôz mich der bulwechs,
dâ schôz mich die bulwechsin,
dâ schôz mich als ir ingesind.
Der Name des Dämons erscheint in Deutschland in verschiedener Lautung und Schreibung, er gilt als Substantivierung des englischen Adjektivs ›bilewit‹ = wohlwollend. Ursprünglich wurde er als Epitheton ornans für die heidnischen Götter und als euphemistischer Ausdruck für den schadenbringenden Naturdämon gebraucht, dessen Name tabu war (nach Singer). Im Etymologischen Wörterbuch von Kluge wird der Name Bilwis als eine Zusammensetzung von germanisch bil- = Wunderkraft mit einem Wort, das zum Stamm von ›wissen‹ gehört, erklärt.
Die Redensart Er ist ein Pilwiskind: ein Kind des Teufels, spiegelt die theologische Umdeutung des Dämons zu Zauberer und Hexe und seine Gleichsetzung mit dem Teufel. In diesem Sinne verwendet Berthold von Regensburg das Wort ›pilwis‹ in seinen Predigten (II, 70, 32). Johannes von Tepl stellt im ›Ackermann aus Böhmen‹ (Kapitel VI) die ›bilwisse‹ neben die Zauberinnen und läßt sie wie die Hexen der Sage auf Böcken und Stäben reiten. So geschieht dies auch im Fastnachtsspiel, wenn es heißt: »die do sagen, das sie mit der Perchten und bilbissen oder truten farn auf den Pruckelberg«. (Fastnachtspiele 1463).
Noch aus dem 16. Jahrhundert sind Todesurteile aus Schlesien bekannt, die sich gegen ›pilwissen‹, d.h. Hexen, richten. Gryphius spricht im ›Horribilicribrifax‹ von der ›pileweissin‹ und in der ›Dornrose‹ von ›Büleweesse‹.
Die weitere Entwicklung der Gestalt zeigt sich in der noch heute üblichen Redensart vom Bilwis geschnitten sein. Im 16. Jahrhundert begann die Umwandlung des Bilwis zu einem Korndämon. Der Name wurde volksetymologisch zu ›Bilsen- und Binsenschneider‹ umgewandelt, indem man an Binsen und Bilsenkraut dachte. Besonders in Ostdeutschland entwickelte sich die Vorstellung von diesem Dämon, der Sicheln an den Füßen trägt und damit Schneisen ins Kornfeld schneidet. Die Erscheinung der abgemähten Halme an einigen Stellen des Feldes wird nun damit erklärt, daß sich der Bilwis den ihm zustehenden Getreidezehnt in der Nacht geschnitten habe, sie trägt aber auch die Bezeichnung ›Wolfs- oder Hexenschnitt‹.
Heute ist der Bilwis als lebendige Gestalt eines Korndämons noch bekannt in Bayern, Sachsen und Thüringen; die ältesten Zeugnisse stammen aus Bayern und Österreich. Das Verbreitungsgebiet umfaßte auch größere Teile von Nord- und Ostdeutschland in früherer Zeit, wie aus den Befragungen zum Deutschen Volkskundeatlas hervorgeht.
• L. MACKENSEN: Artikel ›Bilwis‹, in: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens I, Spalte 1308-1324; W. DEBOY: Der Bilwis (Diss. Marburg 1954); L. HONKO: Krankheitsprojektile (= Folklore Fellows Communications 178) (Helsinki 1959); SCHÖNWERTH-WINKLER: Oberpfälzische Sagen, Legenden, Märchen und Schwänke (Kallmünz o.J. [1967]). S. 29f.; E.D. G,TING: Der Bilwis (Mag. arbeit Freiburg i. Br. 1973); C.
LECOUTEUX: Der Bilwiz. Überlegungen zu seiner Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte, in: Euphorion 82 (1988), Spalte 238-250.
Bilwis. Verbreitungs-Karte nach L. Mackensen, in: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens I, Spalte 1315-1316.
si wolten, daz kein pilwiz
si dâ schüzze durh diu knie.
Von dem weitverbreiteten Glauben, daß plötzlich auftretende Schmerzen und Krankheiten durch Dämonen erregt werden, die mit ihren Geschossen (Pfeilen) auf die Menschen schießen, berichtet auch der Cod. Vindob. (2817):
dâ kom ich an bulwechsperg gangen,
dâ schôz mich der bulwechs,
dâ schôz mich die bulwechsin,
dâ schôz mich als ir ingesind.
Der Name des Dämons erscheint in Deutschland in verschiedener Lautung und Schreibung, er gilt als Substantivierung des englischen Adjektivs ›bilewit‹ = wohlwollend. Ursprünglich wurde er als Epitheton ornans für die heidnischen Götter und als euphemistischer Ausdruck für den schadenbringenden Naturdämon gebraucht, dessen Name tabu war (nach Singer). Im Etymologischen Wörterbuch von Kluge wird der Name Bilwis als eine Zusammensetzung von germanisch bil- = Wunderkraft mit einem Wort, das zum Stamm von ›wissen‹ gehört, erklärt.
Die Redensart Er ist ein Pilwiskind: ein Kind des Teufels, spiegelt die theologische Umdeutung des Dämons zu Zauberer und Hexe und seine Gleichsetzung mit dem Teufel. In diesem Sinne verwendet Berthold von Regensburg das Wort ›pilwis‹ in seinen Predigten (II, 70, 32). Johannes von Tepl stellt im ›Ackermann aus Böhmen‹ (Kapitel VI) die ›bilwisse‹ neben die Zauberinnen und läßt sie wie die Hexen der Sage auf Böcken und Stäben reiten. So geschieht dies auch im Fastnachtsspiel, wenn es heißt: »die do sagen, das sie mit der Perchten und bilbissen oder truten farn auf den Pruckelberg«. (Fastnachtspiele 1463).
Noch aus dem 16. Jahrhundert sind Todesurteile aus Schlesien bekannt, die sich gegen ›pilwissen‹, d.h. Hexen, richten. Gryphius spricht im ›Horribilicribrifax‹ von der ›pileweissin‹ und in der ›Dornrose‹ von ›Büleweesse‹.
Die weitere Entwicklung der Gestalt zeigt sich in der noch heute üblichen Redensart vom Bilwis geschnitten sein. Im 16. Jahrhundert begann die Umwandlung des Bilwis zu einem Korndämon. Der Name wurde volksetymologisch zu ›Bilsen- und Binsenschneider‹ umgewandelt, indem man an Binsen und Bilsenkraut dachte. Besonders in Ostdeutschland entwickelte sich die Vorstellung von diesem Dämon, der Sicheln an den Füßen trägt und damit Schneisen ins Kornfeld schneidet. Die Erscheinung der abgemähten Halme an einigen Stellen des Feldes wird nun damit erklärt, daß sich der Bilwis den ihm zustehenden Getreidezehnt in der Nacht geschnitten habe, sie trägt aber auch die Bezeichnung ›Wolfs- oder Hexenschnitt‹.
Heute ist der Bilwis als lebendige Gestalt eines Korndämons noch bekannt in Bayern, Sachsen und Thüringen; die ältesten Zeugnisse stammen aus Bayern und Österreich. Das Verbreitungsgebiet umfaßte auch größere Teile von Nord- und Ostdeutschland in früherer Zeit, wie aus den Befragungen zum Deutschen Volkskundeatlas hervorgeht.
• L. MACKENSEN: Artikel ›Bilwis‹, in: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens I, Spalte 1308-1324; W. DEBOY: Der Bilwis (Diss. Marburg 1954); L. HONKO: Krankheitsprojektile (= Folklore Fellows Communications 178) (Helsinki 1959); SCHÖNWERTH-WINKLER: Oberpfälzische Sagen, Legenden, Märchen und Schwänke (Kallmünz o.J. [1967]). S. 29f.; E.D. G,TING: Der Bilwis (Mag. arbeit Freiburg i. Br. 1973); C.
LECOUTEUX: Der Bilwiz. Überlegungen zu seiner Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte, in: Euphorion 82 (1988), Spalte 238-250.
Bilwis. Verbreitungs-Karte nach L. Mackensen, in: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens I, Spalte 1315-1316.