Redensarten Lexikon
besitzen
Im Besitz einer Sache sein: etwas sein eigen nennen; Besitz erwerben: von jemandem etwas kaufen, oder Jemanden in den Besitz einer Sache einsetzen: an jemanden etwas verkaufen oder vererben.    Anstelle der heutigen Urkunden waren nach mittelalterlichem Rechtsbrauch symbolische Handlungen vorgeschrieben. So galt z.B. ein grüner Zweig, den der vorige Besitzer dem Erwerber und neuen Besitzer überreichte, als Symbol der Besitzeinsetzung und Übergabe (vermutlich hat die Redensart: ›Auf keinen grünen Zweig kommen‹: zu keinem Besitz gelangen, hier ihren Ursprung, Zweig).
   Auf die Übergabe folgte die Inbesitznahme durch den neuen Eigentümer, die zum Ausdruck kommt in der Redensart Etwas in Besitz nehmen: Dinge, Tiere und Personen als Eigentum erklären. Auch diese Wendung beruht auf alten Rechtsbräuchen. Bei einem Eigentumswechsel mußte der neue Herr sein Grundstück (meist auf einem dreibeinigen Stuhle) drei Tage hintereinander regelrecht ›besitzen‹. Um sich als Eigentümer zu erweisen, mußte er auf seinem Land sitzen und seine Gäste bewirten, damit seine neue Rechtsstellung allen deutlich wurde.
   Auch der Erbantritt geschah feierlich vor der Öffentlichkeit durch Umschreiten oder Umreiten des Landes. Fremde zeigten sich als neue Herren durch das Löschen und Wiederanzünden eines Feuers auf ihrem Grundstück. Mit dem Aufsetzen ihres Fußes auf das Land oder beim Überschreiten der Schwelle ihres Hauses symbolisierten sie ihr Recht. Äcker wurden durch Umhegen und Umpflügen zum Besitz.
   Der Erwerb eines Besitzes war also stets mit einem besonderen Übernahmeritus verbunden, durch den er erst verbindliche Rechtskraft erhielt.
   Wenn jemand auf diese Weise zu Besitz gekommen war, konnte er An seinem Besitz hängen, An seinem Besitz kleben, Seinen Besitz wie einen Schatz hüten oder gar beruhigt auf ihm liegen: er konnte ihm nicht mehr streitig gemacht werden.
   So brummt auch der Drache Fafnir in Richard Wagners ›Siegfried‹ (II. Aufzug): ›Ich lieg' und besitze laßt mich schlafen!‹
   Von etwas Besitz ergreifen: etwas berühren und sich damit ganz zu eigen machen. Dies geschah ebenso durch gewisse Besitzergreifungszeichen (Namen, Symbole des Besitzers), mit denen wichtige Dinge gekennzeichnet wurden, um eine unlösliche, magische Wechselbeziehung herzustellen. Häuser, Ställe und Tiere erhielten Familienzeichen oder christliche Symbole (Kreuz, C, M, B), durch die sie gleichzeitig dem Schutz Gottes empfohlen wurden, dem sie angehören sollten.
   Häufig wird die Wendung passiv gebraucht, wenn z.B. ein anderes Wesen von jemandem Besitz ergreift (Besessen).
   Nicht im Besitz seiner 5 Sinne sein: seiner Sinne nicht mächtig sein, geistig beschränkt sein; vgl. französisch ›n'avoir pas tout son bon sens‹. Gegensatz: Im vollen Besitz seiner geistigen Kräfte sein: uneingeschränkt geschäftstüchtig sein.
   Die Übertragung der Redensart auf den abstrakten Bereich zeigt sich auch in den Wendungen Mut besitzen und Das Vertrauen von jemandem besitzen.

• J. GRIMM: Das Wort des Besitzes, in: Kleinere Schriften (Berlin 1864, Neudr. Hildesheim 1965), Band I, S. 113-144; M. BETH: Artikel ›Besitz‹, in: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens I, Spalte 1152-1157; P. GEIGER: Eigentum und Magie, in: Volkskundliche Gaben. John Meier zum 70. Geburtstag dargebracht (Berlin – Leipzig 1934), S.36-44; W. OGRIS: Artikel ›Besitz‹ und ›Besitzeinweisung‹, in: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte I, Spalte 389-394.}

Etwas in Besitz nehmen. Heidelberger Sachsenspiegelhandschrift, 13. Jahrhundert.
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